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50. Todestag von Hans Knappertsbusch
Der unbekannte Dirigent

Unter allen Namen herausragender Dirigenten des 20. Jahrhunderts ist er der wohl am wenigsten bekannte: Hans Knappertsbusch. Er war ein Eigenbrötler, der sich im Repertoire fast völlig auf die Komponisten des 19. Jahrhunderts beschränkte. Und doch werden seine Interpretationen heute zunehmend geschätzt. Vor 50 Jahren starb er.

Von Stefan Zednik | 25.10.2015
    Der Dirigent Hans Knappertsbusch während der Bayreuther Festspiele 1958.
    Der Dirigent Hans Knappertsbusch während der Bayreuther Festspiele 1958. (picture-alliance / dpa)
    "Knappertsbusch bezwang nicht etwa durch seine langsamen Tempi, sondern dank des lyrischen Reichtums der Klangperspektiven und vor allem dank der metallischen Kraft, die sein Wagner-Orchester auch dann hat, wenn es leise spielt."
    So beschreibt 1964 Joachim Kaiser den Stil des als knorrig und eigenbrötlerisch bekannten Wagner-Dirigenten. Hans Knappertsbusch wird am 12. März 1888 im bergischen Elberfeld geboren. Früh begeistert er sich für das Dirigieren, er leitet das Schulorchester, beginnt nach dem Abitur in Köln ein Musikstudium. Mit 18 pilgert er zum ersten Mal nach Bayreuth, später assistiert er Wagners Sohn Siegfried und vor allem Hans Richter, dem ehemaligen Wagner-Vertrauten und Uraufführungsdirigenten des "Ring des Nibelungen". 1919 wird Knappertsbusch in Dessau der jüngste Generalmusikdirektor Deutschlands, ab 1922 leitet er die Oper in München, neben Bayreuth die Metropole für die Musik Wagners. Als 1933 Literaturstar Thomas Mann dessen "Parsifal" als …
    "Posse" und "geheimes Trauerspiel", "auf gesunde Art krank", "auf morbide Art heroisch",
    ... beschreibt, mag Knappertsbusch, obwohl er den genauen Wortlaut des Vortrags nicht kennt, solchen Vorwurf nicht auf dem Meister sitzen lassen. In den Münchner Neuesten Nachrichten entgegnet er:
    "Wir lassen uns eine solche Herabsetzung unseres großen deutschen Musikgenies von keinem Menschen gefallen, ganz sicher aber nicht von Thomas Mann."
    1934 notiert Goebbels "Knappertsbusch muss weg!"
    48 bekannte Personen des kulturellen Lebens, allen voran Richard Strauss und Hans Pfitzner, unterzeichnen den Protest. Und doch ist das Pamphlet ein Missverständnis. Knappertsbusch geht es allein um Wagner, nicht um eine neue Kulturpolitik. Im Gegensatz zu vielen Kollegen verweigert er ein karriereförderndes Bekenntnis zum neuen Regime. Im kleinen Kreis frotzelt er offen gegen die Nazis – was in diesen Zeiten schnell bis nach oben durchdringt. Am
    31. Oktober 1934 notiert Kulturchef Joseph Goebbels in sein Tagebuch:
    "Knappertsbusch muss weg!"
    1936 wird der mittlerweile 48-jährige Operndirektor in den erzwungenen Ruhestand entlassen, erhält Dirigierverbot in Deutschland und wendet sich nach Österreich, arbeitet in Salzburg und Wien. Doch es herrscht Mangel an fähigen Dirigenten, und so lässt man ihn nach dem Anschluss Österreichs 1938 im immer größer werdenden Deutschen Reich wieder uneingeschränkt arbeiten.
    Der wertkonservative Knappertsbusch, der sich der musikalischen Moderne wie kein anderer verweigert – nicht einmal Debussy und Ravel finden sich auf seiner Repertoireliste – wird nach dem Krieg zum kantigen Partner der szenischen Moderne. Als Wieland Wagner im so genannten "Neu-Bayreuth" die Szene entrümpelt, ist Knappertsbusch dabei. Doch er ist nie Star einer kulturmedialen Öffentlichkeit, im Gegensatz zu jüngeren Kollegen wie Böhm oder Karajan, Bernstein, Barenboim oder Rattle interessiert er sich kaum für Geld, Ruhm, Orden und Ehrungen. Lieber bleibt er im Hintergrund, ist stets geerdet und gibt sich sachlich, effektlos, wortkarg.
    Seine notorische Probenunlust war bekannt
    Reporter: Herr Professor Knappertsbusch, Sie haben an sich wenig unterbrochen, und Sie haben wenig gesprochen, ist das immer so oder ist das nur ...
    Knappertsbusch: Bei der zweiten Probe meistens, da braucht man das, was man schon in der ersten Probe verabredet hat, braucht man da nicht zu wiederholen.
    R: Hängt das auch vom Dirigenten ab?
    K: Sicher, sicher, sicher.
    R: Haben Sie das Gefühl, dass Sie früher mehr erklärt haben? Dass Sie es nötig hatten, mehr zu erklären als heute?
    K: Das kommt auf das Orchester an. Sind ja nicht alle Wiener Philharmoniker.
    Heute erscheint der am 25. Oktober 1965 gestorbene Knappertsbusch, dessen notorische Probenunlust in dem berühmten Bonmot "Meine Herren, Sie kennen das Stück, ich kenne das Stück, dann auf Wiedersehen heute Abend" zum Ausdruck kam, vielen als höchst interessant. Denn die Ideale "rhythmische Präzision" und "exaktes Zusammenspiel" scheinen im digitalen Zeitalter ihre Faszination zu verlieren, und die Gegenposition, ein beseeltes und spontanes, nur am musikalischen Gehalt und nicht an optischer Wirkung orientiertes Musizieren gewinnt zunehmend Freunde. Die wichtigsten dirigentischen Vertreter eines solchen Musikverständnisses waren Wilhelm Furtwängler, Sergiu Celibidache und – Hans Knappertsbusch.