Freitag, 19. April 2024

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55. Grimmepreis
"Die Welt aus den Fugen"

Die Grimmepreisträger aus dem Fernsehjahr 2018 stehen fest: Die ausgezeichneten Produktionen in der Kategorie "Fiktion" brechen mit Konventionen. "Wir sehen sie als ein Statement gegen die Langeweile, die sich breit macht", sagte der Vorsitzende der Jury "Fiktion", Patrick Presch, im Dlf.

Patrick Presch im Corsogespräch mit Sigrid Fischer | 26.02.2019
Der Schauspieler Ulrich Tukur posiert 2015 mit dem Preis
Grimme-Preis: Genaue Betrachtung der deutschen Fernsehstoffe (dpa/Henning Kaiser)
Die Grimmepreisträger des Fernsehjahrs 2018 sind heute veröffentlicht worden. Wie üblich haben fast ausschließlich öffentlich-rechtliche Formate gewonnen. Und das, wo eine neue Studie diesen Sendern bescheinigt - verbunden mit der Aufforderung, sie an ihre Verpflichtungen zu erinnern, und wo um diese Sender gerade eine Framingdebatte im Gang ist, weil die ARD sich in Sachen imagefördernder Sprachgebrauch hat beraten lassen.
Auffällig an diesem Jahrgang sei, dass in der Jury sehr kontrovers über die Unterteilung von "90-Minüter" und "Serie" diskutiert worden sei. Man habe die Leitlinie gehabt: "Die Welt aus den Fugen." Gesellschaftliche Verhältnisse würden sich in den Produktionen spiegeln, es gehe um die Neuordnung der Gegenwart, sagte der Jury-Vorsitzende Patrick Presch im Dlf.
Mit Konventionen brechen
Diese Produktionen würden mit den Konventionen brechen, die immer wieder die weiße Mittelstandswelt und die gleichen Konfliktpotenziale in den Fokus rückten.
Der ausgezeichnete Fernsehfilm "Familie Lotzmann auf den Barrikaden" etwa würde Themen wie Globalisierung und Kapitalismus aufgreifen, die uns gerade beschäftigten, ohne aber moralisch zu wirken. "So sieht das aus, wenn der Standard verrückt wird", urteilte die Jury. Auch einer der experimentelleren "Tatorte" wurde ausgezeichnet, der die Reihe selbstironisch breche, der Tatort "Meta".
"Dem Zuschauer etwas zutrauen"
Gleich drei Serien seien prämiert worden, weil sich die Sehgewohnheiten änderten: die Amazon-Serie "Beat", die ZDF-Serie "Bad Banks" und "Hackerville" (HBO Europe/TNT Serie). Diese drei würden aufwühlende Gegenwartspanoramen bieten, es seien risikobereite Stücke, die narrative Elemente überdehnten und sprengten. "Von sowas lassen wir uns gerne überwältigen", so Patrick Presch. Die Zuschauer seien mündige Bürger, die gerne unterhalten werden möchten, man müsse nicht immer die Schere im Kopf haben und dürfe den Menschen etwas zutrauen.
Er glaube schon, dass das Grimmeinstitut Einfluss auf Produktionen und Sender habe, und dass diese Auszeichnung heute um so wichtiger sei, denn statt mit einem Tweet Shitstorms auzulösen, würden die Produktionen in den Jurys kontrovers und vielschichtig beäugt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.