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60 Millionen Euro Schaden

Heute hat das BKA gemeinsam mit der EURO Kartensysteme GmbH Zahlen darüber vorgelegt, wie oft im vergangenen Jahr Geldautomaten manipuliert oder attackiert worden sind. Eines steht fest: Die Kreativität der Kriminellen ist nicht weniger geworden.

Von Philip Banse | 10.05.2011
    Ursula Mense: Philip Banse in Berlin: Hat man gelernt und gibt es weniger Angriffe auf Zahlungskarten und Geldautomaten?

    Philip Banse: Man hat dazu gelernt, aber das das hat im vergangenen Jahr noch nicht wirklich etwas gebracht, die Zahl der Betrügereien mit kopierten EC-Karten stieg drastisch an: 2010 wurden knapp 3200 Angriffe auf Geldautomaten entdeckt - das ist ein Anstieg zum Vorjahr von 55 Prozent, sagte BKA-Chef Jörg Ziercke:

    Ursula Mense: "Pro Skimming Attacke auf einen Geldautomaten sind durchschnittlich 60 Kunden betroffen. Bei 3200 Geldautomaten gehen wir von 190.000-200.000 betroffenen Bankkunden aus und das ist schon eine erhebliche Zahl. Dabei ist ein Schaden von 60 Millionen Euro entstanden, das sind 20 Millionen mehr als im Jahr zuvor."

    Philip Banse: Knapp 200.000, 60 Millionen Euro Schaden, doch ein ernstes Problem.

    Ursula Mense: Wie sehen die Tricks denn aus?

    Philip Banse: Das Verfahren ist im Prinzip immer gleich: Um EC-Karten kopieren zu können und damit dann Geld abzuheben, brauchen die Täter die Daten vom Magnetstreifen und die passende PIN. Der Magnetstreifen wird gescannt beim Einschieben in den Automatenschlitz. Dafür setzen die Betrüger ein Lesegerät vor den Schlitz, das ist so groß wie ein flaches Feuerzeug, Batterie betrieben und speichert eben die Daten vom Magnetstreifen. Jetzt braucht er Angreifer noch die PIN. Dazu bauen die Betrüger kleine Kameras - etwa in Rauchmelder-Attrappen über dem Automaten. Oft bauen die Betrüger ihre Kameras aber auch in Aufsätze, die sie an den Automaten klemmen. Das BKA hat heute Kameras gezeigt die in den Sichtschutz für das Tastenfeld eingebaut waren oder in eine Zierleiste, die perfekt über den Monitor des Automaten geklemmt wurde. Alternativ setzten die Angreifer auf über das echte Tastenfeld ein zweites Tastenfeld: Der Automat reagiert ganz normal, aber das manipulierte Tastenfeld speichert eben die PIN. Für Laien ist das kaum zu erkennen. Ein- und Ausbau dieser Technik dauert nur rund 20-30 Sekunden.

    Ursula Mense: Was tun denn die Banken, um die Kunden und sich selbst zu schützen?

    Philip Banse: Die Banken haben schon etwas getan. So wurden die Magnetstreifendaten früher oft an Türöffnern zur Bank abgegriffen, das passiert heute kaum noch. Aber das zentrale Argument der Banken ist: In der EU sollen alle Bankautomaten nur Geld ausspucken, wenn die eingesteckte Karte einen Chip hat, den haben kopierte Karten nicht. BKA-Chef Ziercke:

    Ursula Mense: "Die Umstellung der Automaten auf Chip-Technik vollzog sich schon vor dem Jahreswechsel, sodass die Täter immer öfter auf umgestellte Geldautomaten stießen, an denen ihre gefälschten Karten, ihre white plastics, wie wir sagen, nicht mehr eingesetzt werden konnten. Dies belegt, dass durch die Umstellung auf Chiptechnik der Einsatz von white plastics in Europa verhindert, beziehungsweise erheblich erschwert wird."

    Philip Banse: Geld abheben müssen die Betrüger also in den USA, Kenia oder der Dominikaischen Republik, wo Geldautomaten sich mit dem Magnetstreifen begnügen. Um das Abheben dort zu verhindern, setzt etwa die Deutsche Bank auf das Geoblocking. Dabei ist der Magnetstreifen für das Ausland gesperrt. Wer also etwa in den USA, wo viele Automaten den Magnetstreifen verlangen, Geld abheben will, muss ihn vorher bei seiner Bank freischalten. Die Sparkassen denken auch darüber nach, sagte eine Sprecherin, gegen Ende des Jahres falle eine Entscheidung. Bankenvertreter Hans-Werner Niklasch, Chef der EURO Kreditkartensysteme, sagte, diese Sperrung des Magnetstreifens sei ein Erfolg, was sich in den ersten vier Monaten dieses Jahres zeige:

    "Und des ist ganz deutlich feststellbar, dass sich diese Maßnahmen auszahlen. Die Schäden in den ersten vier Monaten sind im Vergleich zu den ersten vier Monaten des vergangenen Jahres um rund 40 Prozent zurück gegangen. Es ist möglich, etwas zu tun und die Kreditwirtschaft tut etwas dagegen."

    Philip Banse: Damit ist das Abheben also erschwert, dennoch lassen sich auch an deutschen Bankautomaten immer noch Magnetstreifen kopieren. Dafür gibt es Anti-Skimming-Module, die beim Einschieben der Karte vor dem Schlitz ein starkes Magnetfeld erzeugen, also dort, wo das Lesegerät der Betrüger sitzen könnte. Dadurch werde verhindert, dass der Magnetstreifen kopiert werden kann, sagte ein BKA-Vertreter. Warum bauen die Banken das nicht flächendeckend ein? Die Sprecherin des Sparkassen und Giroverbandes mit über 20.000 Geldautomaten sagte mir wörtlich: "Die Frage ist, ob sich das lohnt, oder man lieber nachher den Schaden bezahlt." Ein solches Anti-Betrugsmodel kostet übrigens 400-800 Euro.

    Ursula Mense: Können auch wir Verbraucher etwas tun, um uns am Geldautomaten zu schützen?

    Philip Banse: Kunden können wenig machen. Manipulierte Geldautomaten sind kaum zu erkennen. Man kann natürlich an der Fassade ruckeln und gucken, ob was abgeht. Aber der einzige Tipp den Hans-Werner Niklasch, Chef der EURO Kreditkartensysteme geben kann, ist:

    "Schlicht und einfach: Hand drüber legen. In dem Moment, wo sie die PIN eingeben, die Eingabe mit der Hand abdecken, weil die Minikameras oft oben angebracht sind und von oben schauen. Das ist schon ein Schutz – nicht für 100 Prozent, aber doch für einen großen Teil."

    Philip Banse: Wer also merkwürdige Abbuchen sieht und Skimming-Opfer geworden ist, muss sich an seine Bank wenden und bekommt sein Geld wieder, sagt Bankenvertreter Niklasch:

    "Der Kunde hat natürlich seine Unannehmlichkeiten, aber das Geld wird ihm komplett erstattet."