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60. Todestag von Zora Neale Hurston
Autorin und Sammlerin schwarzer Volkskultur

In den 1930er-Jahren war Zora Neale Hurston die berühmteste schwarze Autorin der Vereinigten Staaten. Neben dem Schreiben machte sich Hurston auch als Ethnologin einen Namen. In Haiti und Jamaica sammelte sie Eindrücke der schwarzen Folklore auf Tonbandgerät. 1960 starb sie einsam und verarmt.

Von Almut Finck | 28.01.2020
    Die Amerikanerin Zora Neale Hurston: In den 1930er-Jahren war sie die berühmteste schwarze Autorin der Vereinigten Staaten
    Die Amerikanerin Zora Neale Hurston: In den 1930er-Jahren war sie die berühmteste schwarze Autorin der Vereinigten Staaten (imago images / ZUMA Press / Alex Rivera )
    "Oh my Mama come see that crow, see how he fly! Oh my Mama come see that crow, see how he fly! This crow this crow gonna fly tonight."
    Zora Neale Hurston, um 1935. Während der Weltwirtschaftskrise nahm die Schriftstellerin und Ethnologin schwarze Folk-Songs auf Schallplatte auf. Bei ihren Feldforschungen in den Südstaaten der USA hatte sie die Lieder gehört und auswendig gelernt.
    Das Projekt war eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme der Regierung Franklin D. Roosevelts für Künstler in Not. Was entstand, ist eine einzigartige Sammlung mündlicher Volkskultur, heute Teil des Folklore-Archivs der Library of Congress in Washington.
    Zora Neale Hurston, geboren 1891 in Alabama, aufgewachsen in Eatonville, Florida, ist von klein auf vertraut mit dem Dialekt der Schwarzen im Süden. Früh lauscht sie heimlich den Scherzen und Streitereien der Männer, die sich zum Biertrinken vor dem Dorfladen treffen. Lügenmaul, schimpft die Großmutter, weil das Mädchen selber ständig Geschichten erfindet.
    Lynchmorde und Beschneidung der neu erworbenen Bürgerrechte
    Die hoffnungsvollen Jahre der sogenannten Rekonstruktion nach Ende des Bürgerkriegs 1865 sind damals lange vorbei. Fast überall in den US-Südstaaten nehmen Lynchmorde zu, versuchen die Weißen alles, um den Schwarzen die neu erworbenen Bürgerrechte wieder zu nehmen. Eatonville aber, von Hurston in ihren Texten zum paradiesischen Fleckchen stilisiert, ist eine Besonderheit: Der 300-Seelen-Ort zählt zu einer kleinen Zahl rein schwarzer Gemeinden, die sich vollständig selbst verwalten. Rassismus, betont Hurston oft, habe sie als Kind nicht gekannt. Später schon.
    Als sie zehn Jahre alt ist, kann der Vater das Schulgeld für ihr Internat nicht mehr bezahlen. Sie schlägt sich als Dienstmädchen und Kellnerin durch.
    "Armut hat etwas, das nach Tod riecht. Nach abgestorbenen Träumen, die vom Herzen fallen wie verdorrte Blätter. Ich ging neben meinem eigenen Leichnam her. Ich roch ihn und spürte ihn."
    Im Alter von 26 Jahren verfällt sie schließlich auf einen Trick: Sie macht sich zehn Jahre jünger, um ihren Schulabschluss nachholen zu können. Ab 1918 studiert sie an der Howard Universität, ab 1924 am Barnard College der Columbia University, als einzige Schwarze. Hier trifft sie Franz Boas, den deutschstämmigen Begründer der modernen Kulturanthropologie. Erstmals führt Hurston 1926 Feldstudien in Harlem durch, damals das Zentrum einer neuen, selbstbewussten Schwarzenkultur, der so genannten Harlem Renaissance.
    Faszination für Voodoo-Riten und Zombiekultur
    Hurston arbeitet mit Alan Lomax, dem Pionier der Field Recordings, der hinausging, um mit einem Tonbandgerät die Stimmen der Folklore einzufangen. Beide reisen nach Jamaica und Haiti, Hurston ist fasziniert von den dortigen Voodoo-Riten und der Zombiekultur. In der Karibik schreibt sie ihren berühmtesten Roman: "Their Eyes Were Watching God" ist ein wortgewaltiges, bildmächtiges Meisterwerk, wird aber zu ihren Lebzeiten gerade von Afro-Amerikanern auch kritisiert. Der Vorwurf: Indem Hurston den Slang, die Tänze und Gesänge der Schwarzen kultiviere, leiste sie den Vorurteilen und Klischees der Weißen Vorschub, anstatt gegen Ausbeutung und Unterdrückung zu kämpfen.
    In den 1930er-Jahren die berühmteste schwarze Autorin der USA, gerät Hurston nach 1940 in Vergessenheit. Zeitweise wohnt sie auf einem Hausboot, hungert, wird krank. Am 28. Januar 1960 stirbt Zora Neale Hurston in einem Fürsorgeheim. Nachbarn sammeln, damit sie beerdigt werden kann, anonym.
    Im Zuge von Bürgerrechts- und Frauenbewegung werden Hurstons Bücher neu verlegt und nun millionenfach gelesen, zwei Bände erscheinen 1995 in der Library of America. Vor ihr gab es erst drei Schwarze und vier Frauen in der renommierten Klassikerserie. Zora Neale Hurston ist die erste, die beides ist: eine schwarze Frau.