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70 Jahre Südwestfunk
Samstagabend-Shows und viel Musik

Vor 70 Jahren nahm der Südwestfunk in Baden-Baden den Sendebetrieb auf. Ob in der Musik, bei neuen Radioformaten oder bei Spielshows - der kleine "Schwarzwaldsender" setzte Maßstäbe. Ende der 90er-Jahre fusionierte er mit dem Süddeutschen Rundfunk.

Von Ludger Fittkau | 31.03.2016
    Der Dirigent Hans Rosbaud leitete lange Jahre das Sinfonieorchester des Südwestfunks, heute SWR.
    Auch musikalisch hatte der Südwestfunk großen Einfluss - zum Beispiel mit Hans Rosbaud, der lange das Sinfonieorchester des Südwestfunks leitete. (SWR/Castagne)
    "Liebe Hörerinnen und Hörer! Seit heute Morgen erklingt im Äther ein neues Pausenzeichen- das Pausenzeichen des Südwestfunks."
    Es war ein trüber Tag, der 31.3. 1946, an dem der Südwestfunk in Baden-Baden seinen Sendebetrieb aufnahm. Das Pausenzeichen wurde damals live am Klavier gespielt – zehn Jahre lang blieb das so.
    Bevor der Sendebetrieb mit damals 36 Mitarbeitern losgehen konnte, musste mit Hilfe des französischen Oberkommandos in Baden-Baden erst einmal ein provisorisches Funkhaus gefunden werden. Das Sendegebiet des SWF sollte Rheinland-Pfalz und Süd-Baden-Württemberg umfassen.
    Hotel als Funkhaus
    Der Jazz-Experte Joachim Ernst Behrendt gehörte vor 70 Jahren zu den ersten Mitarbeitern des Südwestfunks in der Kurstadt:
    "Baden-Baden, eine Stadt der Hotels, die ja damals alle leer standen, es gab ja keinen Tourismus. Es lag deshalb nahe, ein solches Hotel zu finden, das wir dann als Funkhaus benutzen."
    Man entschied sich für das "Hotel Elisabeth", der Speisesaal wurde zum Sendestudio umfunktioniert. Zu essen gab es damals ohnehin kaum, erinnert sich Joachim Ernst Behrendt 20 Jahre später. Der Beginn des Sendebetriebs im Nachkriegsdeutschland war geprägt durch Hunger:
    "Hatten alle, Hörer und Leute vom Funk und das permanent."
    Auch von einem freien Rundfunk konnte zunächst nicht die Rede sein. Denn die französischen Kontrolloffiziere behielten vor 70 Jahren das Heft in der Hand. Arthur Landwehr, der heutige Radio-Chefredakteur des Südwestrundfunks:
    "Es gab eine sehr klare Zensur. Jedes Interview, das im Südwestfunk gesendet wurde, wurde zunächst verschriftlicht. Wurde dann vom Zensor zensiert. Konnten dann mit den Veränderungen gelesen werden, von einem Sprecher. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis dass Wirklichkeit wurde, was wir heute freien Rundfunk nennen."
    Shows mit Joachim Fuchsberger
    Doch in der Abgeschiedenheit der Schwarzwald-Kurstadt Baden-Baden entwickelte sich in den Jahrzehnten nach dem Krieg ein Sender, der Mut zu vielen Experimenten hatte. Von der neuen Musik über die Literatur bis zum populären Pop-Radioprogramm sorgte der Südwestfunk für Furore. Auch im Fernsehen, etwa mit den Shows von Joachim Fuchsberger:
    "Das war immer mein großes Bemühen, dass wir das, was zu Recht auch von einer Samstagabend-Unterhaltung verlangt wird, auch ein bisschen der Zeit, in der wir leben auf den Zahn zu fühlen und nicht nur im rosaroten Bereich zu bleiben."
    Der Moderator Joachim Fuchsberger
    Joachim Fuchsberger galt als Pionier der TV-Unterhaltung. (picture alliance / dpa)
    Arthur Landwehr:
    "Martin Walser war ständiger Gast im Südwestrundfunk, dann aber, wenn man mal im Bereich der Literatur bleibt, Jürgen Lodemann oder Elke Heidenreich."
    Elke Heidenreich:
    "Ja, Deutschland hat wieder Selbstbewusstsein, mein lieber Junge. Es hält die Fahnen hoch, singt seine Hymne und es ist stolz auf Boris Becker, Michael Groß und Helmut Kohl ."
    Arthur Landwehr:
    "Nehmen Sie das Pop-Programm SWF 3, das in den 70er Jahren entstand. Das war etwas Unerhörtes für Deutschland. Und es gibt auch die These, dass so etwas Experimentelles nur in der Einsamkeit des Schwarzwaldes entstehen konnte. Denn anderswo, in Frankfurt, in Berlin oder in München gab es ja Ablenkung genug und in Baden-Baden musste man das, was man erleben wollte, selbstmachen."
    Doch manchen Medienpolitikern des Südwestens war Baden-Baden schlicht zu abgeschieden. Sie versuchten insbesondere seit den 80er Jahren, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der Region neu zu ordnen. Arthur Landwehr:
    "Es gab mehrere Versuche, den damaligen Süddeutschen Rundfunk und den Südwestfunk zu fusionieren. Da gab es einmal das Modell, das viele favorisiert hatten, nämlich die Rheinland-Pfälzer auszuschließen. Zunächst einmal nur einen Landessender Baden-Württemberg zu gründen."
    Noch immer Produktionsort für große Unterhaltung
    Es kam anders. Rheinland-Pfalz blieb an Bord. Die Fusion des Südwestfunks Baden-Baden und des Süddeutschen Rundfunks in Stuttgart zum heutigen Südwestrundfunk – kurz SWR – glückte schließlich im Jahr 1998. Kurt Beck war der damalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident:
    "Es war für uns natürlich wichtig, die wir uns manchmal wie ein bisschen Anhängsel dieser durch die französische Besetzungsmacht gefundenen Lösung mit dem Sitz Südwestfunk in Baden-Baden gefühlt haben im Rheinland-Pfalz, dass das Studio Mainz zu einem echten Landesfunkhaus weiterentwickelt wird."
    Als potentieller Verlierer der Sender-Fusion sah sich vor zwei Jahrzehnten vor allem Baden. Der damalige Karlsruher Oberbürgermeister Gerhard Seiler befürchtete durch die Verlagerung wichtiger Funktionen des neuen Senders nach Stuttgart und Mainz einen kulturellen "Zentralitätsverlust" für die Region Baden-Baden und Karlsruhe:
    Insgesamt gesehen muss jetzt das Land Baden-Württemberg schon darauf achten, dass kein weiterer Zentralitätsverlust eintritt. Der kann nämlich nicht allein durch Arbeitsplätze ausgeglichen werden.
    Und heute? Der Standort Baden-Baden blieb erhalten, etwa als Produktionsort für große Fernsehshows.
    Das Beste am Samstagabend. "Verstehen sie Spaß?"
    Arthur Landwehr:
    "Gleichzeitig merkt man aber auch, dass es die Gravitationskraft der Hauptstadt gibt. Und sehr vieles sich dort ansiedelt. Und vor allem in der Politik, die ja immer ein bisschen mitredet, wenn es um Medien geht, sich viele einfach gar nicht vorstellen können, dass eine wichtige, zentrale Aufgabe in Baden-Baden angesiedelt werden könnte und eben nicht in der Hauptstadt. Das ist ein ständiges Ringen."
    Das aber im Grunde schon heute vor 70 Jahren angefangen hat, mit dem ersten Pausenzeichen aus Baden-Baden.