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800 Jahre Dominikaner
Mehr als Schwarz und Weiß

Vor 800 Jahren hat der Papst den Orden der Dominikaner bestätigt. Mit Tagungen und Ausstellungen wird jetzt daran erinnert, wie Anfang des 13. Jahrhunderts Dominikus und seine Männer erstmals durch die Lande zogen - barfuß und ohne Geld. Auch wenn die Dominikaner anfangs vor allem Ketzer bekämpften und sie ein schwarz-weißes Gewand tragen - ihre Geschichte ist bunt.

Von Kirsten Serup-Bilfeldt | 02.06.2016
    Dresden (Sachsen): Bildhauer Rainer Teuchert begutachtet am 20.09.2000, ob der Heilige Dominikus auf der Hochschiffbalustrade der Kathedrale auch wieder richtig steht. 44 Meter hoch ist der Standort des Heiligen. Die Figur bringt immerhin 3,7 Tonnen auf die Waage. Mit der Restaurierung des Heiligen Dominikus vollzog sich ein weiterer Schritt, um den insgesamt 78 Sandsteinfiguren auf der Balustrade und dem Sandsteinwappen den alten Glanz zur
    Statue des Heiligen Dominikus, dem Gründer des Dominikanerordens (Zentralbild)
    Sie sind ein Dorn im Fleisch der Kirche, diese Katharer - die "Reinen", wie sie sich nennen. Als große religiöse Laienbewegung haben sie unter dem Schutz vieler französischer Adliger im Süden Frankreichs eine Gegenkirche errichtet. Sie predigen Askese und radikale Armut und verspotten die römische Kirche als "Hure Babylons" und "Synagoge des Satans". Wichtigstes Element der katharischen Theologie ist der Dualismus: Die materielle Welt wird als böse angesehen, das Gute ist lediglich bei Gott zu finden.
    Der Autor Hans Conrad Zander: "Die Katharer lehrten, dass die ganze Welt - Wirtschaft, Staat und Gesellschaft Satans Werk sie. Und mit diesen radikalen Botschaften zogen nun etwa 5000 Reine, Vollkommene in schwarzen Gewändern nach Südfrankreich… Aber Hunderttausende glaubten an sie."
    Da diese Bewegung von "Ketzern" für die Kirche eine völlig neue und brandgefährliche Bedrohung darstellt, hatte der Papst schon 1206 eine Gruppe von Klerikern nach Südfrankreich geschickt, um die Katharer in den Schoß der Kirche zurückzuführen.
    Das Experiment der religiösen Intelligenz
    Unter den Gesandten der Kurie befindet sich auch der junge spanische Adlige Dominikus de Guzmán, Subprior des Domkapitels an der Kathedrale von El Burgo de Osma:
    "Zwölf Jahre lang hat Dominikus in dieser südfranzösischen Anarchoszene gelebt und alles, was er in diesen Jahren tut, ist geprägt von einer einzigen, zeitlos gültigen Erleuchtung: dass der blinde, radikale Eifer der Sektierer… das spiegelverkehrte Abbild ist für die genauso blinde, genauso radikale Korruption der Mächtigen - in diesem Fall der Kirche."
    Dominikus hält nichts von den hochnäsigen Belehrungen, Ermahnungen und Standpauken, die den Katharern üblicherweise von arroganten päpstlichen Abgesandten erteilt werden. Er beschließt, zu handeln:
    "In einem kleinen Backsteinbau an der Stadtmauer von Toulouse unternimmt der Heilige mit ein paar Freunden das Experiment der religiösen Intelligenz zwischen allen Fronten der Dummheit: Leben wie die Ketzer, aber glauben wie die Kirche."
    Und so ziehen sie durchs Land, barfuß und ohne Geld. Und sie predigen - genauso wie die Wanderprediger der Katharer. Aber was sie predigen, ist nicht der Glaube an den Satan.
    "Der Papst hatte Legaten dort hingeschickt, die vom Pferd herab zu den Leuten predigten und da entsteht genau diese Idee des Dominikus: Nein, wir müssen mit den Menschen sprechen… aber auf Augenhöhe. Nicht vom Pferd herab… Da gibt’s diese Legende, dass eine seiner ersten Bekehrungen in einem Wirtshaus stattgefunden hätte, dass er dort eine ganze Nacht lang mit dem Wirt, der ein solcher Katharer war, gesprochen hätte und dass sich dann am Ende dieser Wirt bekehrt habe."
    Der Orden der Predigerbrüder
    Eine schöne Geschichte, sagt der Düsseldorfer Dominikaner Elias Füllenbach. Und eine, die deutlich macht, wo die Anfänge seines Ordens liegen:
    "Predigtdienst! Diese Idee wird dann auch zu einem Werk, denn Dominikus schart relativ früh Männer um sich und 1216 wird dann diese kleine Gemeinschaft in Toulouse erstmals bestätigt. Und diese päpstliche Bestätigung feiern wir eben in diesem Jahr. Das Interessante ist, dass der Orden bestätigt wird vom Papst als eine Ordensgemeinschaft von Predigern… Das ist etwas ganz Besonderes, denn eigentlich durften damals nur Bischöfe oder von den Bischöfen Beauftragte predigen. Und nun wird der Predigtdienst auf eine ganze Gemeinschaft… übertragen. Unser eigentlicher Name ist nicht Dominikaner, sondern wir heißen "Ordo Fratrum Praedicatorum", also 'Orden der Predigerbrüder'".
    Die neue Ordensgemeinschaft unterscheidet sich deutlich von anderen Bruderschaften des mittelalterlichen Mönchtums: Nicht mehr abgeschieden in einsamen, ehrwürdigen Abteien weit draußen auf dem Land wollen die Dominikaner leben, sondern in kleinen Kommunitäten inmitten der um diese Zeit aufblühenden Städte. Sie wollen keinen Abt über sich haben, sondern alle Ämter in freier Abstimmung besetzen. Ein frühes demokratisches Prinzip, das bis heute gilt. Und eine arme Gemeinschaft wollen sie sein, ein Bettelorden.
    Das Armutsideal
    "Für Dominikus ist die Armut Mittel zum Zweck. Um nicht an Besitztümer gebunden, um für die Menschen da zu sein."
    Mit diesem Armutsideal reagieren die Dominikaner ebenso wie auch die Franziskaner auf die politischen und sozialen Stürme ihrer Zeit:
    "Die Kirche war Anfang des 13. Jahrhunderts in einer Krise und sowohl Franziskus als auch Dominikus merken, dass die Glaubwürdigkeit der Kirche auch daran hängt, wie sie mit Reichtum und Besitz umgeht. Und ein großer Kritikpunkt der Katharer war: die Kirche ist reich, die Kirche kümmert sich nur um den Adel… und das einfache Volk wird im Stich gelassen."
    Doch noch eine andere Aufgabe bekommt der neue Orden zugewiesen: Den Kampf gegen die Ketzer! Nach dem Mord an Pierre de Castelnau haben die Päpste mit einem Kreuzzug gegen die Katharer reagiert; allerdings ohne den Siegeszug der Sekte aufhalten zu können. Nun schlägt Rom mit einer anderen Waffe zurück. Mit der Inquisition: Der Kampf gegen Häretiker entspricht durchaus den Zielen des Dominikus, ist doch die Ordensgründung eine direkte Folge seiner Begegnung mit den Katharern. Der Philosophiehistoriker Kurt Flasch:
    "Die Dominikaner wandeln sich von einem einfachen Bettelorden zur wichtigsten Instanz der Epoche."
    Das "studium generale"
    "Sie bekamen ihr intellektuelles Gewicht dadurch, dass sie zunächst für die Ketzerjagd bestimmt wurden."
    Sie nehmen die Witterung der Ketzer auf, stellen sie und überantworten sie der Heiligen Inquisition. Was ihnen den Spottnamen "domini canes" - "Spürhunde des Herrn" einbringt. Name und Taten werden viele Jahrhunderte lang ihr Trauma bleiben. Es ist die schwarze Seite ihrer Ordensgeschichte. Und doch entwickelt sich daraus eine neue, eine weiße Seite. Denn um die Lehren der Häretiker intellektuell entkräften zu können, verlangt Dominikus von seinen Brüdern ein gründliches Studium, vorzugsweise in den geistigen und geistlichen Zentren der damaligen Welt. Pater Elias Füllenbach:
    "So kommt man auf die Idee: Wir gründen in den einzelnen Ländern, in einzelnen Ordensprovinzen Generalstudien, wo Ausbildung auf höchstem Niveau stattfindet. So werden dann 1248 in Oxford, aber auch in Köln solche Generalstudien errichtet…"
    Und es werden die hellsten Köpfe der Zeit aus vielen Ländern Europas versammelt. Unter ihnen der Leiter des "studium generale" in Köln, ein Mann, der europäische Geistesgeschichte schreibt: Albertus Magnus. Pater Füllenbach: "Ein wirklicher Universalgelehrter, der in Köln einen regen Lehrbetrieb aufbaut."
    Sie ist eine Hochschule mit dem klassischen Fächerspektrum einer Volluniversität. Am 15. Juni 2012 erhielt sie im Rahmen der dritten Hochschul-Exzellenzinitiative von Bund und Ländern den Exzellenzstatus. Die 1388 gegründete Alte Universität zählt zu den ältesten Universitäten in Europa.
    Albertus Magnus Statue vor der Universität zu Köln (imago / Manngold)
    Mit ihrem "studium generale" rufen die Dominikaner eine Art "Europäische Bildungsunion" ins Leben, ebnen den Weg für eine länderübergreifende, abendländische Gelehrsamkeit. Schon die ersten Vorlesungen des Albertus Magnus in Köln sorgen für Furore. Sie gelten nämlich nicht dem Studium der Bibel, sondern der Ethik des Aristoteles. Der Philosoph Ludger Honnefelder.
    "Er hat die große Formel dafür gefunden, wie sich christlicher Glaube und Theologie auf der einen Seite und die ganze Welt der Wissenschaften - von der Physik über die Biologie bis zur Astronomie - miteinander verbinden können…”
    Alberts berühmtester Schüler ist der Italiener Thomas von Aquin. Thomas von Aquin und sein Lehrer Albertus Magnus sind die Lichtgestalten do-minikanischer Ordensgeschichte. Bis in unsere Tage. Und - das Besondere an Dominikanern heute? In einer weitgehend säkularisierten Gesellschaft? Eine Offenheit, eine Weite im Denken, meint etwa Christoph Wekenborg. Er leitet das Dominikanerkloster an St. Andreas in Köln. Die Hauptaufgabe der heute rund 6000 Brüder und 3000 Schwestern weltweit sieht er in der Seelsorge und in der Arbeit in den Gemeinden.
    Die Dominikaner haben Geschichte geschrieben, das Gesicht des Abendlandes verändert. Vier Päpste und 60 Kardinäle haben sie hervorgebracht, Künstler wie Fra Angelico und Fra Bartolomeo stammen aus ihren Reihen, der Philosophie und der Wissenschaft haben sie ihren Stempel aufgedrückt.