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9.3.1924 - Vor 80 Jahren

Fauchender Wüstenwind und Schlachtenlärm im ersten Golfkrieg. Einer der Krisenorte auf diesem Globus, von dem er als Reporter berichtet hat. Ob Vietnam, Afghanistan, Kosovo, Nord- und Zentralafrika und vor allem der Nahe Osten, Israel und die arabische Welt, - überall ist er gewesen. Nur wo noch nicht? In Grönland, antwortet Peter Scholl-Latour.

Von Ariane Thomalla | 09.03.2004
    Wer kennt ihn nicht, den mittelgroßen Mann mit dem rundlich langen Gesicht, um den Hals das schmückende Tuch, vor wechselnden Landschaften; in der Hand das Mikrofon, in das er seinen Text sagt, unaufgeregt, mit Feldherrenblick über die Dinge, durchaus autoritär. Journalismus der alten Schule? "Gnadenlos populistisch", sagen die einen; ein kostbarer "Solitär", schwärmen die anderen und weisen auf sein enzyklopädisches Wissen und frappierendes Erzähltalent. Auch dass seine Bestseller vergessene Regionen der Dritten Welt ans Licht gehoben hätten. Mehr freilich in Anekdotenform als in gründlicher politischer Recherche und Analyse. Und auch das ist er: der erfolgreichste Sachbuchautor der deutschen Nachkriegszeit. Allein "Der Tod im Reisfeld. Dreißig Jahre Krieg in Indochina" hat eine Weltauflage von 1,3 Millionen. Kein Wunder, dass der alte Herr, der vom Elternhaus her zugleich Deutscher und Franzose ist, sich an zwei großen Stadtwohnungen in Berlin und Paris freuen kann, und an einem Anwesen in Südfrankreich.

    Die oft schon "geflügelten" Titel seiner siebenundzwanzig Bücher zeigen, was sie auch sind – Abenteuererzählungen: "Blut für die Freiheit", "Acht Tage beim Vietkong", "Die sieben Gesichter Chinas", "Allah ist mit den Standhaften" oder - zuletzt, 2001 – "Afrikanische Totenklage. Der Ausverkauf des Schwarzen Kontinents", ein Buch, dass freilich Empörung auslöste. Es sei oberflächlich, wurde geschrieben, vom Reisezufall diktiert und ohne humane Anteilnahme. Der Autor sehe auf diesen Reisen nur, was er sehen wolle und reite alte, oft auch rassistische Klischees. Auch kehre er immer wieder seinen Antiamerikanismus heraus - Amerika sei an allem schuld in der Welt.

    Die größten Gegner des forschen Journalisten sitzen jedoch auf den deutschen Lehrstühlen der Orientalistik. Sie verübeln ihm, Feindbilder zu beklagen, die er doch selbst produziert habe.

    Mit dem Feindbild – das ist völliger Quatsch. Ich habe ein Diplom in Beirut gemacht. Ich habe Hocharabisch studiert und Islamkunde. Insofern habe ich eine viel intensivere Kenntnis als all die Leute, die im allgemeinen in ihrem Elfenbeinturm sitzen. Wenn also Orientalisten eine Art Herz-Jesu-Islam da erfinden, das ist völlig blödsinnig. Das ist eine streitbare Religion. Der Heilige Krieg ist erlaubt zur Verteidigung und zur Wiederherstellung in gerechten Zustand.

    Eine Meinung, von der ihn die dreihundert Seiten starke Streitschrift der Professoren mit dem Titel: "Das Schwert des 'Experten'. Peter Scholl-Latours verzerrtes Araber- und Islambild" - nicht abbringen konnte. Verzerrt? Mohammed sei immerhin "Heerführer" gewesen:

    Und in dem Moment, wo der perfekte Mensch Mohammed ist und Krieg geführt hat, ist es natürlich die Pflicht eines frommen Moslem, Krieg zu führen. Da kann mir auch keiner widersprechen.

    Woher solche Deutung der Konflikte der Welt aus dem Kampf der Religionen bei ihm rühren, dafür gab er selbst eine Erklärung: Vom 12. bis 14. Lebensjahr sei er in der Schweiz "jesuitisch-kämpferisch" erzogen worden, sozusagen – so wörtlich – "im Geist der Gegenreformation".

    Dann habe ich mich eben in den Boden reingekrallt. Neben mir ist ein Soldat getötet worden. Da bin ich zum Hubschrauber gerannt. Ich war 70 Jahre alt.

    Und noch immer im Schlachtenlärm? Was suchte er dort?

    Das, was die Franzosen l'emotion forte nennen.

    Den Kick. Bereits mit einundzwanzig. Gleich l945 hatte sich der Sohn eines Bochumer Arztes freiwillig für zwei Jahre als Fallschirmjäger nach Indochina verpflichtet. Danach studierte er Geisteswissenschaften und Politik in Mainz und in Paris, von wo aus er nach der Promotion noch das erwähnte Islam- und Arabisch-Studium im Libanon anschloss. Aus dem Reisekorrespondenten wurde ein Auslandskorrespondent, dann Kriegskorrespondent in Vietnam, schließlich Sonderkorrespondent allüberall. Zuletzt Chefkorrespondent der ARD, unter anderem in Paris. Auch in den Chefredakteurs- und Vorstandsetagen der deutschen Medien mischte Peter Scholl-Latour lebhaft mit. Eines vor allem fasziniert: Seine bis in hohe Alter erstaunlich ungebrochene Aktivität.