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9.7.1879 - Vor 125 Jahren

Von manchen Komponisten kennt ein größeres Publikum nur noch ein einziges Stück. Max Bruch und sein epidemisches Violinkonzert, Leoncavallo und Mascagni mit "Bajazzo" und "Cavalleria rusticana" sind solche Gegenstände selektiver Wahrnehmung. Auch der Geiger, Pianist und Komponist Ottorino Respighi, der heute vor 125 Jahren in Bologna geboren wurde, ist so ein Fall. Obwohl ihn Arthur Nikisch förderte und Toscanini häufig dirigierte, kennt man selbst in Italien fast nur noch sein Orchestertriptychon "Fontane di Roma", "I Pini di Roma" und "Feste Romane", zwischen 1913 und 1928 komponiert.

Von Dietmar Polaczek | 09.07.2004
    Was aus der Nähe wie ein unüberbrückbarer Gegensatz wirkt, kann aus der Ferne besehen nur noch eine winzige Nuance sein. Wenn Sie, wie jetzt eben, den Anfang der "Pini di Roma" hören, die "Pinien der Villa Borghese", wird Sie wundern, dass Respighi 1932, im siebten Jahr der faschistischen Ära, ein reaktionäres Musikmanifest unterschrieb, das sich gegen Strawinskys Neoklassizismus und gegen alle "zerebralen Spitzfindigkeiten" wandte. Denn Respighis musikalische Dichtungen stehen frühen Werken des drei Jahre jüngeren Strawinsky wie "Feuervogel", "Petruschka" und sogar "Sacre de printemps" verblüffend nahe. Doch er war kein Epigone - schon in seiner dritten Oper, dem Revolutionsstück "Marie Victoire" von 1911, erst kürzlich, am 28. Januar dieses Jahres in Rom posthum mit einigem Erfolg uraufgeführt, gibt es Polyrhythmik und Polytonalität ganz wie bei Strawinsky. Das ist nicht so sehr erstaunlich, denn die beiden hatten denselben Lehrer. 1900 begann Respighi bei Rimsky-Korssakow Unterricht zu nehmen.

    Allerdings war Respighi nie ein Musikdenker, Reflexion nicht seine Stärke, und die Grenze zum Kitsch überschritt er bisweilen.

    Im dritten Satz der "Pinien Roms", den Pinien auf dem Gianicolo, erlauben die naturalistischen, wenn man will kitschigen Vogelstimmen aus dem Lautsprecher einen Blick auf Respighis naive Begabung als Beobachter und Erfinder musikalischer Bilder - und auch einen Blick auf seine ebenso große politische Naivität. Er war kein Faschist, noch nicht einmal ein Mitläufer, genoss aber, dass der nationalistische Schwung ihn und seine römischen Stücke auf den Schild hob. Um nicht schuldig zu werden, gibt es nicht nur eine Gnade der späten Geburt, sondern auch des frühen Todes. Ottorino Respighi starb, bevor der Faschismus seine dunkelsten Seiten offenbarte, im Jahr 1936. Sein Frau Elsa Olivieri, einst seine Schülerin am römischen Konservatorium, war in der Lage, sein Werk zu betreuen, sein Archiv zu verwalten und sogar unvollendete Stücke fertig zustellen. Sie starb erst sechzig Jahre nach ihm, 101 Jahre alt. Respighi hinterließ Werke, die sehr wohl die Wiederaufführung lohnen könnten, wie seine Dornröschen-Oper "La bella adormentata". Nicht immer begeisterte seine Musik unfreiwillig die Machthaber, wie der pathetische Schluss der "Pini di Roma", der an einstige römische Größe erinnern will.