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Ab ins Ausland

"Studis raus!" So heißt der provokante Titel einer Veranstaltung der Universität Duisburg-Essen. Allerdings will die Universität ihre Studierenden nicht rauswerfen, sondern nur ermutigen, eine Zeit lang im Ausland zu verbringen. Die Veranstaltung richtete sich vor allem an angehende Ingenieure.

Von Britta Mersch | 05.11.2010
    "Die Rolle der Frau ist anders, das Essen ist ganz anders, die Mentalität ist anders, aber auch die Lehre ist anders. Ist viel verschulter als in Deutschland, das ganze System."

    Die Augen von Wibke Abbas leuchten, wenn sie von ihrem Auslandsaufenthalt berichtet. Sieben Monate hat die Studentin des Studiengangs Wirtschaftsingenieurwesen in Chennai verbracht. Dass es gerade Indien geworden ist, war eigentlich Zufall:

    "Wir haben in unserem Newsletter von den Wirtschaftsingenieuren neue Partneruniversitäten gehabt, zwei in Spanien, eine in Indien. Spanien klang so nach, das machen alle, und ich habe mir überlegt, ok, frag mal, wie es in Indien so ist. Dann hat sich das so nach und nach ergeben."

    Bei der Informationsveranstaltung für angehende Ingenieure an der Universität Duisburg-Essen wollen Professoren, Wirtschaftsvertreter und Auslandsexperten den Studierenden Mut machen, eine Zeit lang im Ausland zu verbringen. Denn viele verzichten auf ein Auslandsstudium oder gehen vor allem in europäische Länder - oft, weil sie sich Sorgen darüber machen, was sie auf einem anderen Kontinent erwartet. Eine Denkweise, von der Rainer Leisten, Professor für Betriebswirtschaft, abrät:

    "Es ist sicher sehr interessant, wenn man aus Deutschland in die Schweiz oder nach Österreich geht, da gibt es auch Top-Universitäten, aber die Kulturunterschiede, die es sicherlich gibt, sind sicherlich nicht so groß, als wenn man von Deutschland nach Indien geht oder nach Malaysia oder nach Brasilien."

    Länder in Asien oder Südamerika sind auch deshalb interessant, weil viele deutsche Unternehmen schon jetzt mit Partnern auf anderen Kontinenten zusammenarbeiten. Kurt Lehmann von ThyssenKrupp Steel hat schon in China, Korea und Brasilien gearbeitet - und er beobachtet, was weltweit im Bereich der Stahlproduktion passiert.

    "Es gibt Unternehmen weltweit, in Brasilien beispielsweise, die produzieren das Roheisen auf der Basis von Eukalyptus statt auf der Basis von Steinkohle, müssen allerdings gewaltige Regionen mit Eukalyptus bepflanzen. Hier ist natürlich die große Frage: Rechtfertigt diese Monokultur den Einsatz von Eukalyptus und ist das nicht letztendlich ein nachhaltiger Rohstoff gegenüber der Steinkohle? All das ist eine Gemengelage, die man auch verstehen muss, die den Standort Deutschland ein Stück weit infrage stellt und natürlich auch mit neuen Technologien an diese Frage, wie stelle ich Stahl her, heranführt."

    Bei der Veranstaltung in Duisburg erkennen viele der angehenden Ingenieure, welchen Gewinn sie durch einen Auslandsaufenthalt haben können. Doch sie fragen sich auch, ob sie im Bachelor-Studium überhaupt Zeit dafür finden. So wie Henning, der Wirtschaftsingenieurwesen im siebten Semester studiert:

    "Ich würde gerne gehen, aber der Zeitpunkt ist noch unklar. Ohne da jetzt was Konkretes zu sagen, vielleicht erst im Master, vielleicht erst im Übergang, was er ja vorgestellt hatte, die verschiedenen Möglichkeiten. Mal schauen."

    "Im Bachelor-Master-System empfehlen wir den Studierenden eigentlich, dass das so um das vierte, fünfte, sechste Semester sein soll beziehungsweise dann gegen Ende des Bachelors im Übergang zum Master-Studium. Manchmal gehen die Studierenden auch gerade, wenn sie inhaltlich attraktive Angebote haben, im Master-Studium für ein Semester nochmal ins Ausland."

    Sagt Rainer Leisten von der Universität Duisburg-Essen. Die Entscheidung, ob, wann und wohin Studierende ins Ausland gehen möchte, können sie natürlich nur selbst treffen. Nur sollten sie sich nicht im Weg stehen, weil sie sich schlicht nicht trauen. Studentin Wibke Abbas, die in Indien war, hatte diese Sorgen auch.

    "Jetzt kann ich nur noch sagen: Geht ins Ausland. Macht so viele Erfahrungen, wie ihr könnt, weil es einen persönlich so viel weiterbringt und weil die Ängste unbegründet sind."