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Abdullah Kenan Karaca
"Romeo und Julia" in Oberammergau

Der frisch gekürte zweite Festspielleiter von Oberammergau, Abdullah Kenan Karaca, lässt seine "Romeo und Julia"-Inszenierung zeitlich unverortet zwischen einem Damals und einem Heute. Er setzt die Laiendarsteller gut in Szene und beweist sich als richtige Wahl für seinen neuen Posten.

Von Sven Ricklefs | 17.07.2015
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    Der zweite Spielleiter der Oberammergauer Passionsspiele 2020, Abdullah Kenan Karaca. (picture alliance / dpa / Sven Hoppe )
    "Willst Du schon gehen? Noch wird es ja nicht Tag. Es war die Nachtigall und nicht die Lerche, Sie war's, die rief in dein erschrockenes Ohr. Nachts singt sie dort im Apfelbaum"
    Natürlich darf auch sie in Oberammergau nicht fehlen, die Nachtigall, deren Gesang die Liebesnacht von Romeo und Julia verlängern soll, die erste und letzte Liebesnacht, wie man weiß, denn Shakespeare, dieser kluge Geist, wusste nur zu gut: Gute Ehen dauern niemals lang. In guten Ehen stirbt man jung. So wahr wie nüchtern klingt das dann in der rau und nah am Heute daherkommenden Übersetzung von Thomas Brasch. Ansonsten lässt Abdullah Kenan Karaca die wohl berühmteste Liebesgeschichte der Welt unverortet zwischen einem Damals und einem Heute spielen, nur der oftmals etwas zu eindeutig eingesetzte Soundtrack für emotionale Szenen klingt dann doch eher nach Gegenwart.
    "Die Fackeln brennen heller, wenn sie lacht, als leg sie an der Wange dieser Nacht wie ein Diamant. Auf schwarzer Haut. Wie ein Stern am nachtschwarzen Himmel."
    Streng hat sich Abdullah Kenan Karaca an die Oberammergauer Vorgabe gehalten, dass alle Spieler aus eben diesem Oberammergau stammen müssen, was als Grundregel natürlich eigentlich für die alle 10 Jahre stattfindenden Passionsspiele gedacht ist. Und so besteht das Romeo und Julia-Ensemble fast ausschließlich aus Laien und die primäre Leistung dieser Inszenierung ist sicherlich, diese Laien professionell in Szene gesetzt zu haben. Was Karaca durchaus gelungen ist. Zugleich hat der Regisseur das Stück auf zwei kurze Stunden gestrafft und sich dabei einige Akzentuierungen erlaubt: so hat er etwa die Eltern von Julia in die Mutterfigur zusammengezogen, die damit zugleich zu einem ziemlichen Muttermonster mutiert. Und der Liebesversteher und Sprücheklopfer Pater Lorenzo, der Romeo und Julia heimlich traut und ihnen die rettend gemeinten aber so verheerend wirkenden Tränkchen mischt, ist im Oberammergauer Theaterzelt weniger ein aufmüpfiger Klosterbruder als vielmehr ein struppiger Althippie.
    "Sprecht nur vom Tod, wenn ihr auf Liebe trinkt. Nie wieder gibt es so voll Weh und Oh, ein Stück wie 'Julia und Romeo'"
    Und genau diese Geschichte hat Abdullah Kenan Karaca dann auch in einer Art Baugerüstszenerie in Szene gesetzt, ohne dass er jetzt dabei die Geschichte selbst, die Liebe oder etwa das Theater neu erfunden hätte. Worum es aber auch bei dem Phänomen Oberammergau definitiv nicht geht. Denn dieser oberbayerische Herrgottswinkel, dieses theaterversessene Holzschnitzerdorf mit seinen rund 5600 Seelen stemmt ja nun schon seit Längerem nicht mehr nur alle 10 Jahre das weltberühmte Passionsspiel, sondern Sommer für Sommer auch mehr oder minder heilige Stücke auf seine riesige Passionsbühne, was man vor allem dem passionierten Oberammergauer Christian Stückl verdankt, der im Hauptberuf Intendant des Münchner Volkstheaters ist.
    Dass Oberammergau inzwischen auch reif ist für Shakespeare hat Stückl selbst mit seiner Inszenierung vom Sommernachtstraum im letzten Jahr gezeigt. Und nun hat der Oberammergauer Abdullah Kenan Karaca seine theatrale Visitenkarte abgegeben, immerhin hat ihn der Gemeinderat ja gerade als stellvertretenden Spielleiter von Christian Stückl für die Passionsspiele 2020 gewählt. Es ist nur offensichtlich, dass Stückl langfristig daran denkt, Karaca als professionellen Nachfolger aufzubauen. Und da war diese Inszenierung von "Romeo und Julia" sicherlich der erste Baustein.