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Abfall als Energiequelle

Umwelt. - Sprit vom Acker darf nicht auf Kosten der Ernährung gewonnen werden. Diese Erkenntnis treibt derzeit viele Wissenschaftler an, nach neuen Biosprit-Konzepten zu suchen, zum Beispiel, indem man den Treibstoff aus wertlosen Pflanzenresten wie Stängel, Blättern oder Holz biotechnologisch gewinnt. Treibstoffe dieser sogenannten dritten Generation werden derzeit in der RWTH Aachen erforscht, an der TU Braunschweig entwickelt man die dazu passenden Motoren.

Von Michael Engel | 21.01.2009
    Es ist eine klare, ölige Flüssigkeit, die Tobias Klement von der RWTH Aachen in ein Reagenzglas einfüllt. Das Besondere daran: Sie besteht zu 100 Prozent aus Ionen, elektrisch geladenen Teilchen, die normalerweise entstehen, wenn zum Beispiel Kochsalz in Wasser gelöst wird. Doch mit Wasser hat die ionische Flüssigkeit überhaupt nichts gemein. Hauptbestandteil sind spezielle organische Substanzen, die mit Chlorid-Salzen angereichert werden. Erst bei Zimmertemperatur wird das Pulver flüssig und kann wundersamerweise Sägespäne auflösen:

    "Diese Stoffklasse ist in den letzten Jahren in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt, weil sie vollkommen neue Eigenschaften bietet, indem wir beispielsweise die Möglichkeit haben, Holz in diesen ionischen Flüssigkeiten zu lösen. Und wer schon mal versucht hat, ein Stück Holz in Wasser zu lösen, das funktioniert ja bekanntlich nicht."

    Tobias Klement gehört zum Excellenz-Cluster "Tailor-Made Fuels from Biomass". Es geht hier um maßgeschneiderte Treibstoffe aus Pflanzenresten, die für die menschliche Ernährung keine Rolle spielen. Vorrangig Holz, aber auch Cellulose.

    "Wenn ich es in einer ionischen Flüssigkeit löse, habe ich vollkommen neue Angriffspunkte, wie ich aus diesen langkettigen Holzstrukturen kleinere Bestandteile machen kann. Beispielsweise Zucker. Und diese Zucker kann man, indem man einfach Wasser hinzu gibt, aus dieser ionischen Flüssigkeit ausfällen, sie sammeln sich dann in der wässrigen Phase, weil sie sich dort besser lösen. Und damit kann ich dann beispielsweise einen Mikroorganismus füttern, der mir mittels einer Fermentation meine Plattformchemikalie macht."

    Tobias Klement denkt hier besonders an die sogenannte Itakonsäure, die von weit verbreiteten Schimmelpilzen wie Aspergillus terreus hergestellt werden. Die Itakonsäure ist ein reaktionsfreudiges Molekül, das sehr leicht zum Beispiel in brennbaren Alkohol umgewandelt werden kann. Das biotechnische Verfahren ist allerdings lange noch nicht ausgereift: Ionische Flüssigkeiten sind sehr teuer. Und außerdem verläuft die chemische Umwandlung von Holz sehr langsam - für eine industrielle Anwendung ist das Verfahren immer noch unwirtschaftlich. Neue Treibstoffe machen darüber hinaus aber auch neue Motoren erforderlich, sagt Professor Peter Eilts vom Institut für Verbrennungskraftmaschinen der TU Braunschweig:

    "Sie können jetzt nicht irgend einen existierenden Motor von 1995 nehmen und da eine andere Mischung zuführen: Der wird das nicht mögen. Aber wenn Sie entsprechend vorhalten und die Motorperipherie, die Motorsteuerung und die Sensorik dafür ausrüsten, entsprechend flexibel gestalten, dann kann man auch mit diversen verschiedenen Kraftstoffen in einem Fahrzeug fahren."

    "Alternative Kraftstoffe" sind ein neuer Forschungsschwerpunkt der TU Braunschweig. Aus der Perspektive des Maschinenbauingenieurs geht es dabei vor allem um die Anpassung im Sinne von "Flex-Fuel" - um Motoren, die mit einer Vielzahl verschiedener Kraftstoffe laufen können. Butanol und Äthanol im Gemisch mit Benzin zum Beispiel. Sensoren im Tank detektieren das Gemisch und stellen den Motor darauf ein. Bei schwer flüchtigen Alkoholen zum Beispiel muss der Sprit im Vergaser erwärmt werden. Auch der Zündzeitpunkt variiert mit unterschiedlichen Kraftstoff-Mischungen.

    "Der Grundmotor sieht wegen des anderen Kraftstoffs nicht anders aus."

    Pleuel, Kurbelwelle, Zylinder - am grundlegenden Motorkonzept wird sich in Zukunft nichts ändern, so Peter Eilts aus Braunschweig. Wie lange wir noch mit Verbrennungsmotoren fahren, wird nach Ansicht des Experten vor allem von der Batterieentwicklung abhängen und weniger vom Erdöl. Ein Stromspeicher für 500 Kilometer Reichweite wäre sicher das Ende der guten alten "Verbrennungskraftmaschine".