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Abgabe für Kohlekraftwerke
"Der Strompreis darf nicht weiter steigen"

Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2020 den CO2-Ausstoß um 40 Prozent gegenüber 1990 zu mindern. "Wir erreichen dieses Ziel", sagte Unionsfraktionsvize Michael Fuchs im Deutschlandfunk. Erneuerbare Energien bekomme man nicht umsonst, allerdings dürfe der Strompreis nicht weiter steige. Deshalb dürfe man effiziente Kraftwerke nicht abschalten.

Michael Fuchs im Gespräch mit Dirk Müller | 20.05.2015
    Dr. Michael Fuchs, stellv. Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
    Dr. Michael Fuchs, stellv. Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion (imago stock&people)
    Fuchs betonte, man könne nicht parallel aus Kern- und Kohlekraft aussteigen. Immer noch gebe es erhebliche Defizite bei den Speichermöglichkeiten von Strom aus erneuerbaren Energien. Deshalb sei man auf Kohlekraftwerke angewiesen, wenn man Versorgungssicherheit gewährleisten wolle.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk Müller: Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs ist auf der anderen Leitung, hat unser Gespräch angehört. Guten Morgen, Herr Fuchs!
    Michael Fuchs: Guten Morgen, Herr Müller.
    Müller: Sie sind extra aus einer Sitzung herausgekommen für uns, dafür auch noch mal vielen Dank. - Wir haben beide jetzt Herrn Remmel gehört. Er sagt, um das noch mal kurz zusammenzufassen: Wenn das so weitergeht und wenn diese Marschrichtung, die wir ursprünglich eingeschlagen haben, nicht eingehalten wird, dann verfehlen wir das Klimaziel 2020. Ist das gut für Deutschland?
    Fuchs: Nein. Erstens einmal werden wir das gar nicht verfehlen. Da ist Herr Remmel vielleicht nur nicht richtig informiert. Wir haben bereits klare Linie ausgegeben, dass wir dieses 40-Prozent-Ziel erreichen wollen. Das werden wir auch tun. Dafür müssen aber Lösungen gefunden werden, die erstens die kostengünstigsten sind. Wir wollen den Strompreis nicht weiter nach oben treiben. Der ist sowieso schon zu hoch und viele Verbraucher haben schon genug Probleme damit, vor allen Dingen aber auch die energieintensiven Unternehmen.
    "Die Preise dürfen nicht aus dem Ufer laufen"
    Müller: Aber das haben Sie ja gemacht!
    Fuchs: Ja, und das liegt daran, dass wir auf die erneuerbaren Energien umgestiegen sind. Die erneuerbaren Energien kriegen wir nicht umsonst. Wir haben mittlerweile 24 Milliarden Subventionen für erneuerbare Energien im Jahr, die über den Strompreis umgelegt werden. Da zahlt jeder Bürger beziehungsweise jedes Unternehmen gute sechs Cent pro Kilowattstunde, und das muss man halt wissen. Das haben wir gewollt, das war Absicht, das ist beabsichtigt. Aber das darf jetzt nicht noch weiter nach oben gehen.
    Und wenn man jetzt sehr effiziente Kraftwerke auch noch rausschmeißt, dann haben wir zwei Probleme zu lösen. Erstens: Wir müssen darauf achten, dass die Preise uns nicht total aus dem Ufer laufen. Und zweitens: Wir müssen Versorgungssicherheit haben, denn es ist ja schön, wenn wir viele erneuerbare Energien haben. Wir haben an manchen Tagen zu viel erneuerbare Energie. Wenn die Sonne strahlt und der wind heftig weht, dann haben wir das mit Sicherheit. Aber wir haben auch genügend Tage, wo wir gar nichts haben, die sogenannte Dunkelflaute. Das ist ja schon fast ein neues Wort, was da entstanden ist, also Tage, an denen kein Wind da ist und auch keine Sonne, die ja sowieso üblicherweise Nachts nicht scheint.
    Müller: Und mit den Speichern haben wir ja Probleme.
    Fuchs: Leider gibt es keine technischen Speichermöglichkeiten im großen Stil. Wir brauchen ja wenn Speicher, dass ein ganzes Automobilwerk davon laufen kann. Das können Sie nicht mit ein paar Batterien machen. Da brauchen Sie riesige Speicherkapazitäten, die haben wir nicht, und es gibt auch momentan noch keine Technologie, auf der ganzen Welt nicht, mit der man im großen Stil Strom speichern kann. Das sind physikalische Probleme, die so schnell nicht lösbar sind.
    Gott sei Dank hat die Bundesregierung beschlossen, daran zu forschen. Es werden 500 Millionen im Jahr eingesetzt, nur um in der Grundlage nach neuen Speichertechnologien zu forschen. Aber da sind wir noch lange nicht durch.
    "Ich gehe davon aus, dass wir das Klimaziel erreichen"
    Müller: Deswegen brauchen wir ja auch diese Leitungen, groß in der Diskussion, Stromleitungen von Norden nach Süden, nach Bayern oder über Baden-Württemberg. Darüber haben wir in dieser Woche auch ausführlich berichtet, Interviews geführt. Auch in der Union vor allen Dingen durch die CSU äußerst umstritten, wie das vonstattengehen soll. Lassen wir das aber bitte, Michael Fuchs, jetzt einmal offen. Sie sagen, es ist gar kein Problem, das Ganze zu erreichen. Das heißt, wir haben ganz viele Wissenschaftler und ganz viele Grünen-Politiker vor allem, aber auch einen Bundeswirtschaftsminister, der sich da komplett irrt, das heißt, der falsche Zahlen als Grundlage nimmt? Ihre sind besser?
    Fuchs: Ja ich gehe mal davon aus, dass wir dieses 40-Prozent-Ziel erreichen. Das haben wir auch mit der Kanzlerin noch mal besprochen, Unions-intern, und außerdem haben wir eine ganze Reihe von Vorschlägen auf dem Tisch liegen, mit denen wir das 40-Prozent-Ziel erreichen, ohne dass wir die Braunkohlekraftwerke, die Arbeitsplätze sichern, und zwar nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern natürlich auch in der Lausitz, in Brandenburg, in Sachsen, in Sachsen-Anhalt, indem wir die behalten und weiter am Netz behalten.
    Einmal aus Gründen der Versorgungssicherheit, denn wenn die Kernkraftwerke weg sind, die ja Grundlast produzieren, dann wird die Situation schwierig. Und wenn wir dann auch noch die Braunkohle abschalten, dann wird es erst recht schwierig. Der Bundeswirtschaftsminister hat völlig zurecht gesagt, man kann nicht gleichzeitig aus Kernkraft und Kohle aussteigen. Das funktioniert nicht. Gas ist keine Alternative, um das auch kurz noch zu erwähnen, weil Gasstrom etwa dreimal so viel kostet wie Strom aus Kohle oder Braunkohle.
    Müller: Kann ich das so notieren? Aus diesen genannten Gründen - Sie haben die beiden Hauptgründe genannt - hält die Union an den Dreckschleudern nach wie vor fest?
    Fuchs: Halt mal! Das sind keine Dreckschleudern. Die sind auch mittlerweile relativ effizient.
    Müller: Belasten aber das Klima. Belasten das Klima mehr als alle anderen.
    Fuchs: Wir werden trotzdem das 40-Prozent-Ziel erreichen, indem wir beispielsweise in KWK noch etwas mehr tun. Wir werden in anderen Bereichen Chancen nutzen, die wir haben, und dann werden wir die 40 Prozent erreichen. Die 22 Millionen Tonnen sind einsparbar. Aber einen Satz darf ich dazu auch sagen: Wissen Sie, wie viel in der Welt an CO2 ausgestoßen wird? - Rund 44 Milliarden Tonnen. Die 22 Millionen Tonnen retten das Weltklima nicht.
    Müller: Aber wir haben ja die Versprechungen gemacht. Wir haben uns ja auch vertraglich darauf festgelegt.
    Fuchs: Deswegen halten wir das auch ein.
    "Wir haben mit Zahlen gearbeitet, die nicht gestimmt haben"
    Müller: Noch eine Frage. Ist Sigmar Gabriel in Wirklichkeit grün infiltriert, weil er mit völlig anderen Zahlen operiert?
    Fuchs: Er hat einen grünen Staatssekretär in seinem Ministerium, der ein Eigenleben führt, wie ich das im Gefühl habe, was mir nicht so richtig gefällt und was ich jetzt nicht ganz nachvollziehen kann. Wir haben mit Zahlen operiert, die nicht gestimmt haben. Wir haben erleben müssen, dass in Brüssel - das Ganze muss ja notifiziert werden, wie Sie wissen; das heißt, Brüssel muss das genehmigen. Wenn wir in den Emissionshandel einseitig einschreiten oder eingreifen, dann muss Brüssel das genehmigen. In Brüssel weiß kein Mensch über dieses Thema Bescheid. Ich habe letzte Woche mit dem Vizepräsidenten Sefcovic gesprochen, der kannte es nicht. Das finde ich zum Beispiel nicht richtig.
    Müller: Was meinen Sie mit Eigenleben? Der Staatssekretär bestimmt die Politik und nicht der Minister?
    Fuchs: Ich würde nicht sagen, dass er das bestimmt, aber ich habe das Gefühl, dass er seine eigenen Ideen im großen Stile durchgesetzt hat bis jetzt, mit denen wir als Unions-Politiker nicht einverstanden sind. Wir werden dieses Klimainstrument, wie er es nennt, so nicht mitmachen.
    Müller: Wir reden von Rainer Baake, der grüne Staatssekretär im Ministerium von Sigmar Gabriel.
    Fuchs: Ja.
    Müller: Jetzt sind Sie im Moment sowieso ein bisschen schlecht zu sprechen auf Sigmar Gabriel. Sie haben gestern gesagt, wenn das bei der BND/NSA-Affäre so weitergeht, dann müssen wir mit Neuwahlen rechnen. Ganz ernst gemeint, wenn wir Sie jetzt schon am Telefon haben?
    Fuchs: Ich habe nicht gesagt, dass ich mit Neuwahlen rechne, sondern ich habe nur gesagt, wenn die SPD Neuwahlen haben will, dann soll sie sich die Umfrageergebnisse angucken. Das habe ich gesagt. Wir wollen keine Neuwahlen. Wir wollen eine saubere, anständige Arbeit machen. Wir wollen, in den zwei Jahren noch vor uns liegend, noch vernünftige Gesetze machen, mit den Sozialdemokraten. Daran arbeiten wir. Aber dazu gehört auch, dass man sich nicht gegenseitig ständig Steine überwirft. Das halte ich nicht für sehr sinnvoll und das ist auch keine vernünftige Politik. Die ständigen Anschuldigungen an die Kanzlerin, die mit nichts begründet sind, wo wirklich nichts dahinter ist, das halte ich für sehr unklug.
    Müller: Danke an Michael Fuchs, Unions-Fraktionsvize im Bundestag. Ihnen noch einen schönen Tag.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.