Dienstag, 23. April 2024

Archiv

Abgas-Skandal
VW will nicht gegen europäisches Gesetz verstoßen haben

Kurz nach Bekanntwerden des Abgasskandals zeigte sich der VW-Konzern aufklärungswillig. Doch nun hat sich die Haltung des Automobilherstellers geändert: VW behauptet, keine Manipulation an Diesel-Fahrzeugen vorgenommen und nicht gegen Vorschriften der EU verstoßen zu haben. Will VW dadurch Schadensersatzansprüche von europäischen Kunden abwehren?

Von Katja Riedel und Peter Hornung | 04.11.2016
    Ein beschädigtes VW Logo hängt am zerkratzten Kofferraum eines Volkswagen in Wolfsburg.
    "Keine unzulässige Abschalteinrichtung nach europäischem Recht" ließ der VW-Konzern inzwischen verlauten. (picture alliance / dpa - Julian Stratenschulte)
    Die Botschaft von Volkswagen schien klar und sie kam in der Öffentlichkeit auch so an.
    "Wir klären das auf."
    So der damalige Konzernchef Martin Winterkorn nur vier Tage nach Beginn des Dieselskandals: "Volkswagen dulde keine Regel- oder Gesetzesverstöße."
    "Wir stehen zu unserer Verantwortung," so sein Nachfolger Matthias Müller.
    Im krassen Gegensatz dazu steht nun eine Äußerung von Volkswagen gegenüber NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung": Man habe den Schadstoff-Ausstoß von Diesel-Fahrzeugen gar nicht manipuliert und nicht gegen Vorschriften der EU verstoßen. Die in den betreffenden Fahrzeugen eingebaute Software stelle nach Ansicht des Konzerns:
    "Keine unzulässige Abschalteinrichtung nach europäischem Recht dar."
    In den USA hat VW Manipulationen zugegeben
    Abschalteinrichtung bedeutet: Die Abgas-Reinigung wird nach den offiziellen Messungen auf dem Prüfstand weitgehend ausgeschaltet. Auf der Straße steigt der Schadstoffausstoß. In den USA hat VW Manipulationen zugegeben, in Deutschland streitet man sie nun offenbar ab - eine erstaunliche Wende. Das umso mehr, weil das Kraftfahrbundesamt ja gegen Volkswagen vorgeht, weil es die Software für illegal hält. Rechtsanwalt Tobias Ulbrich, er vertritt geschädigte VW-Besitzer.
    "VW behauptet, eine Abschalteinrichtung sei gar nicht verbaut. Man hätte lediglich einen Bescheid des Kraftfahrtbundesamts bekommen, wo das KBA behauptet hätte, dass eine Abschalteinrichtung besteht und dass diese zu beseitigen sei. Und man habe diesen Bescheid nur aufgrund des guten Einvernehmens mit dem KBA rechtskräftig werden lassen."
    Der Hintergrund: Volkswagen will ganz offenbar Schadensersatzansprüche von europäischen Kunden abwehren. In einem von Ulbrichs Kanzlei geführten Prozess in Paderborn gehen VW-Anwälte noch weiter. Unter der Überschrift: "Keine Gesundheitsschädlichkeit" erklärt VW, dass es keine hinreichenden Informationen gebe, dass Stickoxide für "bestimmte medizinische Symptome" verantwortlich seien. Der Arzt Wolfgang Straff, Experte des Umweltbundesamtes, widerspricht. Stickoxide, wie Stickstoffdioxid, reizten die Atemwege.
    "Letztendlich können daraus Beeinträchtigungen der Lungenfunktion entstehen. Aber auch chronische Herz-Kreislauf-Erkrankungen, auch Lungenkrebs."
    Verharmolsung und Bagatellisierung?
    Es gehe darum, zu verharmlosen und zu bagatellisieren, so Rechtsanwalt Ulbrich.
    "Denn dort, wo nämlich keine Körperverletzungen verursacht werden können, wo es keine giftige Wirkung von Nox gibt, da kann auch die Verfehlung nicht schlimm sein. Das ist das typische Verhalten eines Straftäters, der zunächst einmal sagt: Ich war’s nicht. Und dann kommt: Es ist nicht so schlimm."