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Abgase von Dieselmotoren
Wie aufwendig und effektiv sind Nachrüstungen?

Der Dieselmotor ist in Verruf geraten. Der Grund: Hoher Stickoxid-Ausstoß. Jetzt sind Fahrverbote für ältere Modelle im Gespräch. Die Alternative dazu: Nachrüstung. Doch die Verfahren sind aufwendig, unterschiedlich effizient und teuer - wer trägt die Kosten?

Von Thomas Wagner | 18.05.2017
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    Auspuffabgase - insbesondere bei älteren Modellen stellt sich die Frage: Update, Upgrade - oder Fahrverbot? (imago stock&people)
    Diesel-Nachrüstung leicht gemacht? Rolf Bulander, Mitglied der Geschäftsleitung beim Autozulieferer Bosch: "Zur Nachrüstung? Ja, Software sehen wir realistisch. Hardware sehen wir als sehr problematisch, einfach aufgrund der Umsetzungsmöglichkeiten"
    Diesel-Nachrüstung leicht gemacht? Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe: "Die Nachrüstung oder besser Nachbesserung von Euro-5- und Euro-6-Dieselfahrzeugen ist aufwendig, aber technisch möglich."
    Je sparsamer der Motor, desto höher die Emissionen
    Und darum geht es hauptsächlich – um ältere Dieselmotoren unterhalb der europäischen Schadstoffnorm Euro 6, die in der Regel ein Vielfaches des erlaubten Grenzwertes von 80 Milligramm Stickoxid pro Kilometer aus dem Auspuff blasen. Und das ist einem paradox anmutenden physikalischen Gesetz geschuldet:
    "Einen hohen Wirkungsgrad hat ein Motor, wenn er mit hohen Verbrennungstemperaturen arbeitet. Und je höher die Temperaturen sind, desto mehr Stickoxide entstehen. Das heißt: Ein sehr sparsam eingestellter Dieselmotor hat immer auch sehr viele Stickoxide", erklärt Klaus Schreiner, Professor für Verbrennungsmotoren an der Hochschule für Wirtschaft, Technik und Gestaltung Konstanz. Das heißt: Je sparsamer der Motor, desto höher die gesundheitsgefährdenden Stickoxid–Emissionen.
    Was tun mit älteren Modellen?
    "Das ist ja auch der Grund, warum die Versuchung groß ist, die Stickoxid-Reinigung im Fahrbetrieb nicht so gut zu machen, wie es vielleicht ginge. Denn wenn man nicht so viele Stickoxide beseitigt, ist der Kraftstoff-Verbrauch des Fahrzeuges besser."
    Und mit geringerem Verbrauch ließen sich in der Vergangenheit Neuwagen allemal besser bewerben als mit geringen Stickoxid-Emissionen. Das allerdings hat sich seit Dieselgate und seit den drohenden Diesel-Fahrverboten aber geändert. Was aber tun vor allem mit den älteren Fahrzeugen?
    Die Nachrüstung muss individuell zugeschnitten werden
    "Es gibt verschiedene Methoden, mit denen man die Stickoxide reduzieren kann. Und jede Methode ist aufwendig", so Experte Klaus Schreiner. Methode Nummer eins: Die Abgas-Rückführung. Dabei werden Teile der Abgase nicht in die Luft geblasen, sondern wieder in den Verbrennungsprozess zurückgeführt. "Und es entsteht weniger Stickoxid. Und das wichtigste Verdünnungsmittel für Luft ist eben Abgas."
    Zwar sei eine Optimierung durch Nachrüstung prinzipiell denkbar. Aber: "Die Abgasrückführung ist nicht so von der Stange irgendwo herzuholen. Die Entwicklung muss für jedes Fahrzeug separat gemacht werden."
    Dasselbe trifft auf auch das Verfahren Nummer zwei zu, das sogenannte "AD Blue"- oder Harnstoff-Verfahren. Dabei werden in einem komplexen chemischen Prozess die Stickoxide durch mitgeführten Harnstoff ausgefiltert. So ein System ließe sich durch Nachrüstung grundsätzlich optimieren.
    "Dann kann man versuchen, mit mehr Harnstoff und besserer Elektronik auch die Stickoxide geringer zu halten."
    Wer trägt die Kosten?
    Doch auch hier müsste für jedes Modell ein eigener Nachrüstsatz entwickelt werden. Das heißt aber: hohe Kosten. Die allerdings wären der Automobilindustrie zuzumuten, glaubt Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe:
    "Wenn die Industrie einen industriellen Rückruf wie bei einer kaputten Bremse unternimmt und entsprechende Stückzahlen kalkulieren kann, dann belaufen sich die Kosten für die Industrie auf 1000 bis 1500 Euro, um eben ein schmutziges Auto sauber zu machen."
    Für Jürgen Resch ist auch klar, wer solche Nachrüstkosten bezahlen müsste: "Wir sehen ganz eindeutig die Automobilindustrie in der Verantwortung, sowohl diese Nachbesserung zu entwickeln als auch entsprechend einzubauen."
    Die Industrie wehrt sich
    Die allerdings wird sich beim Autogipfel in Stuttgart mit Händen und Füßen gegen die geforderte Kostenübernahme wehren. Um die drohenden Diesel-Fahrverbote dennoch abzuwehren, werden die Autohersteller dem Vernehmen nach kostengünstige Software-Updates für die bereits eingebauten Abgasreinigungsanlagen anbieten. Allerdings:
    "Durch Software-Updates wird man die notwendige Nachbesserung nicht erreichen", so Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe. Mit allen rechtlichen und politischen Mitteln will er deshalb Nachrüstregeln für ältere Diesel-Pkw durchsetzen, die über solche Software-Updates hinausgehen.