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Abgefackelt
Olympia ist kein Ort für Gesetzlose

Bei Olympischen Spielen gibt es allerhand Regeln. Die können den reinen Sport betreffen und dafür sorgen, dass Tischtennisspieler tropfen müssen. Oder sie umfassen den Verhaltenskodex – bei Nichtbefolgen muss ein Sportler schon mal abreisen. Und auch das IOC ist dafür bekannt, dass es richtig gerne anordnet. Über Sinn und Unsinn einiger Regeln.

Von Victoria Reith | 10.08.2016
    Der deutsche Tischtennisspieler Dimitrij Ovtcharov trocknet sein Gesicht mit einem weißen Handtuch ab.
    Bloß nicht zu viel schwitzen: Handtuchpausen im Tischtennis gibt es immer nur, wenn sich die Anzahl der Punkte durch sechs teilen lässt. (imago sportfotodienst)
    Wenn Tischtennisspieler auf die Platte tropfen, dürfen sie sich nicht einfach so abtrocknen. Nein, nur dann, wenn die Anzahl der bereits gespielten Punkte durch sechs geteilt werden kann, dürfen sie zum Handtuch greifen und den Schweiß wegwischen - so wollen es die Tischtennisregeln. Für Spieler besteht also neben dem Platzieren der Aufschläge, dem Vorhand-Topspin oder Rückhand-Block die zusätzliche Herausforderung, den Schweißdrüsen anzuordnen, noch ein paar Ballwechsel lang abzuwarten, bis sie losproduzieren. Vielleicht ganz gut, dass es diese Regel gibt: Wenn sich plötzlich jeder abtrocknet, wann er will, würde am Ende noch die Anarchie ausbrechen!
    Helfen könnte, dass es eine Klimaanlage in der Halle in Rio gibt. Wenn die zu stark bläst, haben die Spieler allerdings ein ganz anderes Problem - und den 2,7 Gramm leichten Ball nicht unter Kontrolle. Dann vielleicht doch lieber schwitzen und tropfen.
    Wenig überraschend: nächtliche Alkoholtouren verboten
    Eine weitere Regel: Wer für sein Land zu Olympischen Spielen fährt, ist automatisch Repräsentant desselben. Da kommt es bei den nationalen Verbänden gar nicht gut an, wenn man sich fern der Heimat nächtliche Eskapaden erlaubt. Eine Vorgabe des niederländischen Verbandes lautet, dass Sportler, die sich noch im Wettkampf befinden, Alkohol- und Ausgangsverbot haben. Klingt irgendwie logisch, wenn man vier Jahre auf Olympische Spiele hintrainiert. Aber die Freude darüber, dass er sich für das Gerätefinale qualifiziert hatte, veranlasste den niederländischen Turner Yuri van Gelder offenbar zu einer nächtlichen Tour durch Rio, bei der er Alkohol trank und von der er erst am frühen Morgen zurückkehrte.
    Das Niederländische Olympische Komitee schickte ihn noch vor dem Finale zurück nach Hause. "Van Gelder hat die für das Team NL und der Turnmannschaft geltenden Normen und Werte in einer groben Manier überschritten", hieß es in einem Statement des Niederländischen Olympischen Komitees.
    Französischer Tennisspieler: nicht motiviert, nicht anwesend
    Die "Lebensregeln" missachtet hat Benoit Paire nach Angaben des Französischen Tennisverbandes, der den Sportler ebenfalls ausgeschlossen hat. Was genau damit gemeint ist, ließ der Verband offen, stellte aber klar: Man habe den Tennisprofi Paire nicht besonders häufig im Olympischen Dorf zu Gesicht bekommen – und er habe seine schlechten Angewohnheiten nicht mal für zehn Tage unterlassen können.
    Im Gegensatz zu van Gelder war Paire aber bereits vor seinem Ausschluss aus dem Tennisturnier ausgeschieden – und er hatte stets offen betont, dass er die ATP-Tour als vorrangig vor den Olympischen Spielen betrachtet. Vielleicht sollte sich der französische Verband demnächst zur Regel machen, dass man nur Sportler mitnimmt, die auch Lust auf Olympische Spiele haben.
    Gericht erlaubt vom IOC verbotene Proteste
    Auch das Internationale Olympische Komitee regelt ganz gerne. Die Olympische Charta besagt zum Beispiel, dass "politische, religiöse und rassische Propaganda" bei den Spielen nicht erlaubt sind (Artikel 50). Nun waren aber in mehreren Sportstätten Plakate mit "Temer raus" zu sehen gewesen, ein Protest gegen Interimspräsident Michel Temer. Das IOC wollte diese Botschaften nicht in ihren Stadien haben und verbot sie. Doch ein Richter entschied nun, dass Menschen, die friedlich mit Plakaten oder Botschaften auf T-Shirts politische Meinungen kundtun, nicht aus den Stadien geworfen werden dürfen.
    Das Organisationskomitees der Spiele bat den Richter, seinen Spruch noch einmal zu überdenken - und hat jetzt angekündigt, in Berufung zu gehen. Das IOC handelt mal wieder nach dem Selbstverständnis eines Gastgebers, und nicht eines Gastes: Es macht die Regeln im Ausrichterland - anstatt bereits vorhandene zu befolgen.
    Eine Regel wurde schon vor den Olympischen Spielen 2012 in London gelockert, aber erst jetzt richtig sichtbar: Die Vorgabe, dass Beachvolleyballerinnen im Bikini antreten müssen. Ganz gut, dass die Sportlerinnen inzwischen die Wahlfreiheit haben. Sonst wären solche Bilder wie das der Ägypterin Doaa Elghobashy und der Deutschen Kira Walkenhorst sicher nicht möglich gewesen.
    Unter "Abgefackelt" bildet die DLF-Sportredaktion Hintergründiges, Humorvolles, Abseitiges rund um die Olympischen Sommerspiele in Rio ab.