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Abgelehnte afghanische Asylbewerber
Abgeschoben in eine ungewisse Zukunft

34 abgelehnte Asylbewerber aus Afghanistan wurden gestern von Frankfurt am Main aus in ihre Heimat abgeschoben. Einige sind freiwillig gegangen, mit 700 Euro vom deutschen Staat in der Tasche. Andere wurden zur Ausreise gezwungen - und sind bei ihrer Ankunft in Kabul verzweifelt. Die EU will Afghanistan bei der Wiedereingliederung solcher Menschen künftig besser unterstützen.

Von Jürgen Webermann | 15.12.2016
    Eine Gruppe aus Deutschland abgeschobener Asylbewerber steht am 15.12.2016 im Ankunftsbereich des Kabuler Flughafens. Sie gehören zur ersten Gruppe abgelehnter Asylbewerber, die Deutschland nach Afghanistan zurückgeschickt hat.
    Erste abgeschobene Asylbewerber kommen in Kabul, Afghanistan am 15.12.2016 an. (picture alliance / dpa / Mohammad Jawad)
    Das Flugzeug landete im Morgengrauen. Wenig später kommen die jungen Männer aus dem Flughafenterminal in Kabul. Mit ihren Habseligkeiten, mit denen sie nun in Afghanistan neu anfangen sollen. Samir Narang hat vier Jahre lang in Hamburg gelebt. Er ist einer der wenigen afghanischen Hindus, er gehört also einer religiösen Minderheit an. Samir hat Tränen in den Augen.
    "Angst. Ich habe Angst. Richtig Angst. Ich kenne niemanden. Ich bin allein hier. Ich will hier nicht sterben."
    "Ich bin zur Ausländerbehörde gegangen, für meine Aufenthaltsgenehmigung. Er hat mich dort festgenommen. Ich habe gar keinen Brief bekommen, gar nichts. Ohne Anwalt festgenommen. Und dann hierher."
    "Ich weiß nicht, was ich hier machen soll. Ich habe Angst."
    Abgeführt in Handschellen
    Mithilfe der IOM, der Internationalen Organisation für Migration, sollen Menschen wie Samir in Gästehäusern oder Hotels untergebracht werden. Für den Anfang. Unter den jungen Männern sind auch einige, die freiwillig nach Afghanistan zurückkommen, die genug hatten vom Leben in den deutschen Asylbewerberunterkünften. Freiwillige Rückkehrer erhalten vom deutschen Staat etwa 700 Euro. Aber die meisten Geschichten ähneln der von Samir. Festnahme, meist im Morgengrauen, abgeführt in Handschellen, Abschiebung gegen ihren Willen. Matiullah wurde, wie er sagt, aus seinem ganz normalen deutschen Leben gerissen:
    "Afghanistan ist nicht sicher. Was passiert morgen, übermorgen, das weiß man nie. Keine Arbeit, man weiß nicht, ob man morgen noch lebt hier. Afghanistan ist Krieg. Immer noch Krieg. Ich hab doch in Deutschland Schule gemacht, Ausbildung gemacht als Fachkraft in der Gastronomie. Ich habe keine Hilfe vom Staat bekommen, ich habe meine Miete bezahlt, ich hatte einen unbefristeten Arbeitsvertrag."
    Die EU will Afghanistan bei der Wiedereingliederung helfen
    Babur, ein anderer junger Mann, berichtet, dass Helfer der IOM ihm nach der Landung 50 Dollar in die Hand gedrückt hätten. Er kommt aus Kabul und kennt sich noch aus hier. Ali Hussaini lebte fünf Jahre lang in Deutschland. Nachdem die Syrer und Iraker gekommen seien, sei klar gewesen, dass die Afghanen als Erstes gehen müssten, sagt er. Ali kommt nach eigenen Angaben aus der Provinz Uruzgan. Uruzgan ist eine jener Provinzen, die in den vergangenen Wochen kurz vor dem Fall standen. Die afghanische Armee konnte die Taliban nur mit amerikanischer Hilfe zurückdrängen. Anfang Dezember gab es dort erneut heftige Kämpfe. Wohin er soll, weiß Ali nicht. Auch Matiullah kann es immer noch kaum fassen, in Kabul zu sein. Eine Anlaufstelle gebe es für ihn nicht, sagt er:
    "Ich habe keine Ahnung. Ich weiß nicht, wo ich hingehen soll. Ich kenne gar keinen hier in Afghanistan. Ich bitte euch, bitte, unsere anderen afghanischen Geschwister, schicken Sie die bitte nicht hierhin."
    Ein Polizist weist Matiullah den Weg über den Parkplatz, von dort aus geht es Richtung Ausgang. Die Europäische Union will Afghanistan dabei helfen, Programme zur Wiedereingliederung von Menschen wie Matiullah durchzuführen. Aber wie diese Programme konkret aussehen sollen, ist bislang unklar. Sicher ist nur, dass die meisten Abgeschobenen eine ungewisse Zukunft vor sich haben.