Donnerstag, 18. April 2024

Archiv


Abkommen light?

Der Freihandel ist der Kern des von EU und Mercosur angestrebten Assoziierungs-Abkommens, in dem außerdem eine politische, kulturelle und wissenschaftliche Zusammenarbeit vereinbart werden soll. Doch die meisten Beobachter gehen davon aus, dass am Ende der laufenden Verhandlungen über eine Handelsliberalisierung ein "Abkommen light" stehen wird. Zu groß sind die Differenzen zwischen der Europäischen Union und der südamerikanischen Freihandelszone, und zwar in erster Linie bei den Agrarfragen. Alfredo Valladao, der sich am Pariser Institut für Politische Wissenschaften mit dem Thema Mercosur beschäftigt:

Von Victoria Eglau | 06.05.2004

    Das Hauptproblem ist die Landwirtschaft. Die EU will an ihrer gemeinsamen Agrarpolitik, so weit es geht, festhalten, ihre Märkte schützen und sie so wenig wie möglich für die Produkte des Mercosur öffnen. Die Mercosur-Staaten wiederum wollen einen besseren Marktzugang für ihre wichtigsten Agrarprodukte, die in Europa die am stärksten subventionierten sind.


    Zum Beispiel Zucker. Brasilien, führender Mitgliedsstaat des Mercosur, ist der größte Zuckerrohr-Produzent der Welt. Die Europäische Union, in der die Zuckerproduktion hoch subventioniert wird, ist für das Land ein attraktiver Absatzmarkt. Wolfgang Hees, Referent für Brasilien bei Caritas International:

    Die Tonne Zucker zu produzieren in Deutschland kostet um die 800 Euro, und in Brasilien sinkt dieser Preis auf bis zu 160 US-Dollar. Also hat man einen Riesenunterschied, und dadurch bedingt gibt es diese Subventionen für die deutschen Bauern, und Brasilien wäre in der Lage, ohne größere Schwierigkeiten den gesamten europäischen Markt zu übernehmen und Zucker einzuführen. Und da gibt es natürlich starke Interessensgegensätze zwischen europäischen und brasilianischen Bauern.

    Wolfgang Hees rechnet aber mit schrittweisen Erleichterungen für die brasilianischen Zucker-Exporteure. Die Europäische Union hat bei den Verhandlungen mit dem Mercosur eine Öffnung ihrer Agrarmärkte unter anderem auch für Zucker in Aussicht gestellt. Im Gegenzug verlangt sie verbesserte Investitionsmöglichkeiten in den Mercosur-Staaten, bei Dienstleistungen und öffentlichen Aufträgen. Jan Dunckhorst, Mitorganisator der Berliner Konferenz über die EU-Mercosur-Verhandlungen, sieht die versprochenen Zugeständnisse der Europäer kritisch:

    Nach Cancún hat man sich strategisch-taktisch ein bisschen besonnen auf Seiten der EU und hat gesagt: Nun gut, im Agrarbereich machen wir Zugeständisse. Aber wie wir heute auf der Konferenz schon gehört haben, sind die Kernprodukte, die den Löwenanteil der erhofften Exportgewinne ausmachen, nach wie vor mit drastischen Zöllen versehen, mit verschiedensten Handelsbarrieren. Und von daher ist diese Politik nicht glaubwürdig, ist ein Widerspruch, der kaum auflösbar ist.

    Der brasilianische Wissenschaftler Alfredo Valladao vom Pariser Institut für Politische Wissenschaften hält das geplante Abkommen zwischen EU und Mercosur für wichtig, vorausgesetzt, die marktverzerrenden Agrarsubventionen in Europa würden tatsächlich abgebaut. Eine Handelsliberalisierung bringe mehr Chancen als Gefahren mit sich. Brasilianische Kleinbauern etwa, die das Exportprodukt Soja an große Konzerne verkaufen, könnten von der Marktöffnung indirekt profitieren.


    Verschiedene Analysen haben ergeben, dass für die kleinen und mittleren Agrarproduzenten in Brasilien, Argentinien oder Uruguay die negativen Auswirkungen gering sein werden.


    Auch Wolfgang Hees meint, ein massiver Export von EU-Agrarprodukten in den Mercosur sei schließlich nicht zu erwarten. Und doch glaubt er, dass Kleinbauern unter einem Freihandelsabkommen mit der EU leiden könnten.

    Es wird positiv sein für den exportorientierten Sektor. Und diese exportorientierten Sektoren sind ja auch die, die derzeit von den Regierungen in Argentinien und Brasilien schon stark gefördert werden und diese werden profitieren. Die kleinbäuerliche Landwirtschaft wird erst mal nichts davon haben, die wird eher intern, in Brasilien in einem Konkurrenzkampf sein gegen den Großgrundbesitz und gegen das Agro-Business, weil die mit den Erträgen aus dem Export eventuell neue Ländereien aufkaufen, Bodenpreise steigen, Kleinbauern verdrängt werden. Das ist die Gefahr für die bäuerliche Landwirtschaft in den Ländern des Mercosur.