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Absage aus dem Norden

Die stellvertretende SPD-Parteivorsitzende und Bundestagsabgeordnete Aydan Özoguz hat in ihrer Partei rasch Karriere gemacht. Bei der Bundestagswahl führt sie die Hamburger Landesliste an. Auch im Zusammenhang mit Peer Steinbrücks Schattenkabinett fiel ihr Name: als Ministerin für Integration. Aber die 45-Jährige winkt ab.

Von Verena Herb | 23.05.2013
    Ein netter Ort für ein Interview, den Aydan Özoguz sich da ausgesucht hat: ein türkischer Hamam in der Nähe des Hamburger Hafens. Da wird sich die stellvertretende SPD-Parteivorsitzende wohl vorher eine entspannende Massage gegönnt haben – denkt man sich. Rot-gold gemusterte Kissen auf Sitzmöbeln im Foyer, Orient-Teppiche, der Duft von ätherischen Ölen und Apfeltee schwebt in der Luft.

    Ein paar Schritte weiter, im Restaurant des Hamam, sitzt eine Gruppe dunkelhaariger Männer an einem Tisch: Man kann einzelne Wortfetzen aufschnappen – es geht wohl um Politik, genauer um die anstehende Bundestagswahl. Als eine weibliche Stimme plötzlich heraussticht, wird schnell klar: Nichts mit Entspannungsmassage – Aydan Özoguz hat einen offiziellen Termin. Mit der Arbeitsgemeinschaft Selbständige der SPD Hamburg. 15 Minuten später ist sie fertig, lächelt entschuldigend:

    "Wir treffen uns jetzt hier, weil ich gerade einen Termin hatte und gleich danach wieder loshechte."

    Erklärt die 45-Jährige und setzt sich. Seitdem Aydan Özoguz im Dezember 2011 das Amt der stellvertretenden SPD-Parteivorsitzenden übernommen hat, ist ihre Zeit noch knapper geworden:

    "Na ja, es sind eine ganze Menge Termine noch mehr geworden, was ich vorher kaum für möglich gehalten hätte. Ich war ja schon innerhalb Deutschlands viel unterwegs - ja jetzt bin ich es noch mehr."

    Politik macht ihr Spaß – nicht ohne Grund ist sie seit rund 13 Jahren im Geschäft. 2001 schafft sie als Parteilose den Sprung in die Hamburger Bürgerschaft, ist für zwei Legislaturperioden Abgeordnete im Länderparlament. Wird, was Migranten oft in Parteien sind: Fachsprecherin für Integration und Zuwanderung. Erst drei Jahre später, 2004, tritt sie in die SPD ein. 2009 wird sie von den Genossen an der Elbe für die Bundestagswahl auf Listenplatz 2 gesetzt.

    Bei der kommenden Bundestagswahl führt die Hamburgerin die Landesliste an – ist Direktkandidatin im Wahlkreis Wandsbek.
    Sicherlich: Ihre Herkunft habe auch einen Teil dazu beigetragen, dass sie parteipolitisch Karriere macht. 2010 wird sie Integrationsbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, steigt dann als erste türkischstämmige Frau in die Parteiführung der Sozialdemokraten auf.

    In den letzten Wochen fällt ihr Name auch immer wieder im Zusammenhang mit Spitzenkandidat Steinbrücks Schattenkabinett: als Ministerin für Integration. Darauf angesprochen, blitzen ihre Augen verschmitzt, ihre Mundwinkel heben sich, als sie erklärt:

    "Man muss immer wieder aufpassen, dass diese Balance zwischen Politik und ja, auch Mutter sein, ein Stück weit auch noch gewahrt wird, und dass es auch nicht selbstverständlich ist zu sagen: Ja, an allererster Stelle bist Du Politikerin, und das Kind kommt hinten dran."

    Özoguz Tochter wird bald zehn Jahre alt. Ihr Mann, Michael Neumann, ist Hamburgs Innensenator. Da ist Zeit mit der Familie ein knappes Gut.

    Wurde Aydan Özoguz also schon gefragt, ob sie sich das Ministeramt vorstellen könnte, sollte es zu einem Regierungswechsel im September kommen? Sie streicht ihre mittelbraunen Haare über die Schultern und erklärt erst einmal, dass sie mit dem Wort "Schattenkabinett" gar nichts anfangen kann. In einem Kompetenzteam sollten zudem Leute sein, die der Öffentlichkeit noch nicht so bekannt sind, also auch nicht unbedingt der ersten Parteiführungsriege angehören.

    "Also, es ist ja kein Geheimnis, dass ich in der Vergangenheit schon gefragt wurde. Und teilweise gemerkt habe, dass das nicht vereinbar ist. Und ich irgendwann dann auch deutlich sehen kann, ich möchte nur das machen, was ich wirklich gut machen kann und was sich vereinbaren lässt. Und für alles gibt es auch eine bestimmte Zeit."

    Bestimmt hätte ein Mann anders reagiert. Hätte womöglich das Angebot von Thorsten Albig im letzten Jahr angenommen. Der schleswig-holsteinische SPD-Ministerpräsident wollte Aydan Özoguz als Ministerin für Integration nach Kiel holen. Sie hat die Offerte abgelehnt. Aber Bundesministerin? Klingt das nicht verlockend? Ja, aber nicht im Moment – so kann man ihre Antwort interpretieren.

    "Ich bin mit Herz und Seele stellvertretende Parteivorsitzende und Bundestagsabgeordnete."

    Das soll reichen. Aydan Özoguz reiht sich damit ein in die Liste der Frauen, die zwar Vollzeit arbeiten wollen, aber auf ein absolutes Spitzenamt zugunsten der Familie verzichten. So wie Anne-Marie Slaughter, ehemalige Stabschefin von US-Außenministerin Hillary Clinton. Sie hat nach gut zwei Jahren den Top-Polit-Job aufgegeben und ging als Professorin zurück nach Princeton. Auch ein stressiger Beruf – aber zumindest sehe sie ihre Teenager-Jungs dann häufiger, begründete Slaughter ihren Entschluss.

    Auch Bundesfamilienministerin Kristina Schröder will – so zumindest wird es kolportiert – wegen ihrer Tochter auf ein weiteres Spitzenamt verzichten. Öffentlich will die 35-jährige CDU-Politikerin das jedoch nicht bestätigen.

    Aydan Özoguz steht dazu, dass ihr Beruf nicht unbedingt oberste Priorität hat – und trifft in ihrem gesellschaftlichen Umfeld durchaus auf Zustimmung:

    "Was ich erfreulicherweise öfter mal erlebe, dass Menschen sagen: So, jetzt packen sie mal ein und gehen schnell nach Hause zu ihrem Kind. Wir haben jetzt die Diskussion hier zwei Stunden geführt und wir wissen, dass sie heute schnell wieder nach Hause wollen. Also, dass dieses gesellschaftliche auch diese Rollen mit begreift und auch mit lebt. Und dass das eben auch für Politikerinnen und Politiker gilt."

    Özoguz blickt auf die Uhr und greift nach ihrer Tasche. Sie muss mit ihrer Tochter die letzten Dinge für die Kindergeburtstagsparty am Wochenende erledigen.