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Abschiebung und Integration
Widmann-Mauz: Zugang zu Integrationsmaßnahmen öffnen

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), begrüßt die Gesetzesentwürfe zu Abschiebung und Integration - sieht aber auch Nachbesserungsbedarf. Sie sagte im Dlf, man dürfe bei der Integration die schon lange Geduldeten nicht aus dem Blick verlieren.

Annette Widmann-Mauz im Gespräch mit Christine Heuer | 17.04.2019
Annette Widmann-Mauz (CDU), Integrationsbeauftragte der Bundesregierung
Annette Widmann-Mauz (CDU), Integrationsbeauftragte der Bundesregierung (Andreas Arnold/dpa)
Christine Heuer: Mittwochs trifft sich das Bundeskabinett im Kanzleramt; auch heute wieder. Auf der Tagesordnung der Minister dann unter anderem Gesetze, die Migranten betreffen. Besonders wichtig sind zwei davon. Das eine kommt aus Horst Seehofers Innenministerium und heißt - in Berlin erfinden sie neuerdings ja Gesetze in ganz einfacher Sprache - das "Geordnete Rückkehr Gesetz".
Das andere vertritt der Arbeitsminister von der SPD. Hubertus Heils heißt "Ausländerbeschäftigungs-Fördergesetz". Ein Zungenbrecher, aber auch irgendwie klar, worum es geht. Oder etwa nicht?
Am Telefon ist Annette Widmann-Mauz, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung im Kanzleramt. Sie ist Christdemokratin, und ich sage mal vorab: Auch in der Union sind die Gesetze, vor allen Dingen die von Horst Seehofer nicht ganz unumstritten. Guten Morgen, Frau Widmann-Mauz.
Annette Widmann-Mauz: Guten Morgen, Frau Heuer.
Heuer: Als Migrationsbeauftragte haben Sie ja die Integration im Blick. Verbessern die beiden neuen Gesetze das Ankommen und Einleben von Zuwanderern bei uns, oder verschlechtern sie es?
Widmann-Mauz: Ich begrüße diesen richtigen und wichtigen Schritt, dass wir die Integrations- und die Berufssprachkurse jetzt für Geduldete, also Menschen, die hier sind, und insbesondere für Gestattete, diejenigen, die noch im Asylverfahren sind, unabhängig von der Bleibeperspektive öffnen und dass wir auch Fehlanreize bei der Ausbildungsförderung beseitigen.
Das ist wichtig, denn wir tragen damit bei, dass Menschen Zugang zu Arbeit, zu Sprache und zu unseren Werten erhalten können, und das befördert das gute Zusammenleben.
Heuer: Frau Widmann-Mauz, da fällt mir jetzt auf: Sie loben das Gesetz vom Sozialdemokraten Hubertus Heil.
Widmann-Mauz: Nein, ich bin auch absolut einig damit, dass unser Asylsystem ja davon lebt, dass diejenigen, die Schutz brauchen, auch den Schutz erhalten. Deshalb ist es auch richtig, dass wir alles dafür tun, dass diejenigen, die keinen Schutzanspruch haben, unser Land auch wieder zügig verlassen. Dazu gehört auch - und das regelt jetzt das Gesetz von Horst Seehofer -, dass wir sehr klarmachen, was wir an Mitwirkung von denen, die hier sind, erwarten und einfordern.
Auf der anderen Seite gehört auch das Fördern dazu. Das liegt in unserem eigenen Interesse. Deshalb ist es ein guter Ausgleich, den wir mit den Gesetzen, die heute im Kabinett zur Beratung und Verabschiedung anliegen, vorgelegt haben.
"Müssen aufpassen, dass wir die Geduldeten nicht aus dem Blick verlieren"
Heuer: Darf ich das mal sehr flapsig ausdrücken? Horst Seehofer ist dafür zuständig, die Unerwünschten rauszuschmeißen, und Hubertus Heil soll dafür sorgen, dass es denen nicht zu schlecht geht, die bleiben dürfen?
Widmann-Mauz: Nein. Das ist im Grundsatz ein Fördern und Fordern. Beides gehört zu einem gelingenden und in sich stimmigen Asylsystem. Beides ist notwendig, dass die Akzeptanz für die Schutzsuchenden in unserem Land auch erhalten bleibt, dass der Zusammenhalt möglich wird.
Deshalb braucht es auch Augenmerk und Sorgfalt für die Durchsetzung dieser Regeln, sowohl beim Fördern wie auch beim Fordern.
Heuer: Eigentlich sind Sie mit beiden Gesetzen sehr zufrieden?
Widmann-Mauz: Ich begrüße beide Gesetze. Aber ich will auch ganz deutlich sagen, dass wir aufpassen müssen, dass wir diejenigen nicht aus dem Blick verlieren, die schon seit längerem hier als Geduldete leben und für die es wichtig ist, dass wir ihnen Sprache und unsere Werte vermitteln und ihnen deshalb auch Zugang zu den Integrationskursen verschaffen.
Denken Sie insbesondere auch bei denjenigen, die noch im Asylverfahren sind, an die Mütter mit kleinen Kindern. Sie stehen dem Arbeitsmarkt noch nicht zur Verfügung und sie sind trotzdem so elementar wichtig für die Integration - nicht nur, weil sie selbst Vorbild in der Familie sind, sondern weil sie auch ihre Kinder, die ja zur Schule gehen, kompetent begleiten müssen. Dazu gehört Sprache und es ist gut, wenn sie von Anfang an auch Werte in unseren Integrations- und Sprachkursen vermittelt bekommen.
Heuer: Wenn Sie als Integrationsbeauftragte sagen, es sei wichtig, Geduldete nicht aus dem Auge zu verlieren, heißt das dann, dass Sie genau das befürchten durch die neuen Gesetze?
Widmann-Mauz: Ich glaube, wir müssen das Gesetz an einigen Stellen noch verbessern. Da gehen mir die Regelungen noch nicht weit genug. Aber es ist jetzt ein erster, ein sehr, sehr wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Und deshalb: Wir müssen die ersten Schritte tun. Aber kein Gesetz ist so gut, dass man es nicht noch besser machen kann.
Eine Sitzbank steht vor vergitterten Fenstern in der Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige (UfA) der Bezirksregierung Detmold in Büren in Nordrhein-Westfalen
Eine Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige in Nordrhein-Westfalen (picture alliance/ dpa/ Friso Gentsch)
Heuer: Gut! Dann werden wir konkret. Frau Widmann-Mauz, was soll geändert werden an dem Gesetz von Hubertus Heil? Was wünschen Sie sich?
Widmann-Mauz: Ich wünsche mir, dass wir bei den Gestatteten, also denjenigen, die noch im Verfahren sind, dass wir hier auch Frauen, die keinen direkten Arbeitsmarktzugang haben, dass wir ihnen auch die entsprechenden Kurse öffnen. Das sind Berufssprachkurse und Integrationskurse. Und, dass wir für Geduldete insgesamt von Anfang an diese Sprachkurse, die auch Werte vermitteln, öffnen.
Ich glaube, das wäre ein wirklich wichtiger Integrationserfolg. Er liegt in unserem eigenen Interesse. Wir sollten die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen.
Heuer: Da ist jetzt die Christdemokratin Widmann-Mauz großzügiger als der Sozialdemokrat Hubertus Heil. Das ist ein bisschen verkehrte Welt, oder?
Widmann-Mauz: Ich glaube, es ist ein Diskussionsprozess, den wir in der Koalition noch weiterführen müssen, und da gibt es ein Geben und ein Nehmen auf jeder Seite. Aber mir liegen die Menschen am Herzen, und zwar nicht nur diejenigen, die zu uns gekommen sind und die absehbar auf längere Zeit bei uns bleiben wollen.
Wir haben zirka 180.000 Geduldete in unserem Land, davon ein Viertel, die schon länger als fünf Jahre bei uns sind. Und es geht mir um alle Menschen in unserem Land, denn am Ende haben wir nichts davon, wenn wir die Bemühungen und Anstrengungen jetzt nicht unternehmen. Die Fehlentwicklungen aus der Vergangenheit kennen wir. Wir sollten sie nicht wiederholen.
Heuer: Liegen Horst Seehofer die Menschen auch so am Herzen wie Ihnen?
Widmann-Mauz: Der gesamten Bundesregierung liegen die Menschen am Herzen. Deshalb ist Integration Fördern und Fordern. Unser Asylsystem lebt davon, wie gesagt, dass wir denjenigen den Schutz gewähren, die ihn brauchen, und dazu ist es auch notwendig, dass die, die ihn nicht benötigen, die abgelehnt sind, bei denen keine Ausreisehindernisse im Wege stehen, dass sie auch unser Land verlassen. Sonst geht die Akzeptanz für dieses System verloren und deshalb müssen wir beides mit sehr viel Sorgfalt, aber auch mit dem Blick auf die Notwendigkeiten und die Realitäten verfolgen.
"Die Mehrheit der Union steht zu dem Grundsatz Fördern und Fordern"
Heuer: Ich habe ja gesagt, die Gesetze, auch die von Horst Seehofer sind auch in der Union nicht ganz unumstritten. Den Konservativen geht nicht weit genug, was Horst Seehofer da vorlegt. Thomas Mathias Middelberg von der CDU sagt zum Beispiel, Integration soll es nur für anerkannte Flüchtlinge geben, für alle anderen soll es eine Rückkehrberatung geben.
Widmann-Mauz: Das eine schließt ja das andere nicht aus. Beides ist wichtig, Rückkehrberatung und Integration von Anfang an, dass wir Menschen an Werten beteiligen, die in unserem Land mit dem Grundgesetz vorgegeben sind, aber auch gelebt werden. Das sind Werte wie Gleichberechtigung von Mann und Frau, Menschenrechte, Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit. Das sind doch Werte, die überall auf der Welt Gültigkeit haben, und deshalb ist es gut, wenn wir sie von Anfang an vermitteln, auch wenn Menschen wieder in ihre Heimatländer zurückkehren.
Heuer: Alexander Mitsch von der Werteunion sagt: Das eigentlich richtige und wichtige Gesetz zur geordneten Ausreise - von Horst Seehofer, sage ich dazu - wurde in vorauseilendem Gehorsam gegenüber dem Widerstand der SPD weichgespült." Frau Widmann-Mauz, mit wem gehen Sie denn da? Ich meine, Alexander Mitsch findet, dass Horst Seehofer einfach zu zahm geworden ist.
Widmann-Mauz: Ich gehe auf Einzelmeinungen, die formuliert werden, nicht ein. Die Mehrheit der Union steht zu dem Grundsatz Fördern und Fordern. Und deshalb: Darauf müssen wir uns konzentrieren. Das ist unsere Aufgabe und das tut die Bundesregierung am heutigen Tag.
Heuer: Horst Seehofer erstaunlich zahm; Sie als Vorreiterin der Integration. Haben Sie die Kanzlerin an Ihrer Seite mit Ihren Vorschlägen auch für eine Gesetzesänderung?
Widmann-Mauz: Wir diskutieren darüber auch im weiteren Verfahren. Jetzt haben wir einen guten und ausgewogenen Kompromiss für die Kabinettssitzung heute und für die Gesetzentwürfe, die wir einbringen. Aber das parlamentarische Verfahren gibt die Möglichkeit, auch weiter darüber zu diskutieren. Diese Chance sollten wir nutzen, im Interesse aller und um Fehler aus der Vergangenheit zu vermeiden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.