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Abschiebung von Flüchtlingen
Zuwanderung "steuern und begrenzen"

Man könne nicht mehrere hunderttausend abgelehnte Asylbewerber in Deutschland dulden, sagte der CDU-Innenexperte Armin Schuster im DLF. "Wer keine Bleibeberechtigung hat, muss ausreisen." In diesem Jahr würden nur 25.000 Menschen abgeschoben, und das sei "eine bescheidene Zahl", so Schuster.

Armin Schuster im Gespräch mit Christine Heuer | 30.11.2016
    Sie sehen den CDU-Politiker Armin Schuster
    Der CDU-Politiker Armin Schuster stellt klar, dass niemand abgeschoben werde, der bedrohlich erkrankt sei. (dpa / picture-alliance / Maurizio Gambarini)
    Die Zuwanderung müsse aber gesteuert und begrenzt werden, auch wenn dies nicht immer schön sei. Er gehe davon aus, dass der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl "ausschließlich von einer Verschärfung gegenüber Ausländern spricht, die nachvollziehbar ausreisepflichtig sind und die aktiv daran arbeiten, ihre Rückführung zu verhindern." Er betonte: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass man da nicht konsequent durchgreifen darf." Er kenne viele Beispiele, wo die Ausreisepflicht nicht durchgesetzt werde.
    In Deutschland sei in den vergangenen zwei Jahren eine "Willkommenskultur für 1,5 Millionen Menschen praktiziert und auch in Gesetze gegossen" worden, und das sei sehr wichtig gewesen. Schuster betonte, es werde niemand abgeschoben, der bedrohlich erkrankt sei.

    Das Interview in voller Länge:
    Christine Heuer: Die Aufregung über die vielen Flüchtlinge in Deutschland war zuletzt etwas abgeklungen. Aber der Wahlkampf hat faktisch begonnen. Die AfD liegt nach Umfragen weiter gut im Rennen und nächste Woche trifft sich die CDU zu ihrem Bundesparteitag in Essen. Das ist der Zeitpunkt, zu dem Thomas Strobl, Innenminister in Baden-Württemberg, ein Papier vorlegt mit dem Titel "Wer kein Bleiberecht hat, muss gehen". Der CDU-Politiker votiert für konsequentes Abschieben und strengere Regeln für Asylsuchende und er erntet dafür sogar bei einigen Christdemokraten Kritik.
    Am Telefon ist Armin Schuster (CDU), Obmann im Innenausschuss des Bundestages. Er war Polizeidirektor bei der Bundespolizei in seinem Leben vor der Politik. Guten Morgen, Herr Schuster.
    Armin Schuster: Guten Morgen, Frau Heuer.
    Heuer: Fischt Thomas Strobl im Teich der AfD?
    Schuster: Ach, wissen Sie, das ist - - Alle Punkte, die er angesprochen hat, diskutieren wir schon länger. Unabhängig von irgendwelchen Zeitpunkten hat er das jetzt mal zusammengefasst, aus meiner Sicht wichtig, gut. Und wir müssen damit leben, wir Innenpolitiker, dass wir auch die unangenehmen Dinge machen müssen.
    "Das heißt auch Steuern, Begrenzen, Verabschieden"
    Wir haben eine Willkommenskultur für eineinhalb Millionen Menschen in den letzten zwei Jahren praktiziert und auch in Gesetze gegossen. Die war sehr wichtig. Zur Innenpolitik gehört es aber auch, Recht und Ordnung umzusetzen, und dann heißt das auch Steuern, Begrenzen, Verabschieden. Das ist nicht immer schön, aber auch das muss gemacht werden.
    Heuer: Zu Recht und Ordnung, Herr Schuster, gehört aber auch, dass das Recht eingehalten wird. Ihr Parteifreund Bouillon, Innenminister im Saarland, hat gesagt, Strobls Ideen widersprechen zum Teil der Verfassung und dem Asylbewerber-Leistungsgesetz. Geht das nicht ein bisschen weit?
    Schuster: Wenn Sie davon ausgehen, dass Thomas Strobl fast ausschließlich (übrigens auch unser Leitantrag für den Bundesparteitag) von Verschärfungen spricht gegenüber Ausländern, die erstens vollziehbar ausreisepflichtig sind und zweitens aktiv daran arbeiten, diese Rückführung zu verhindern, indem sie täuschen, indem sie beispielsweise untertauchen, Abschiebungen verhindern, dann kann ich mir schlecht vorstellen, dass man da nicht konsequent durchgreifen darf.
    Ich bin der festen Überzeugung: Wenn das Bundesinnenministerium beispielsweise einen Gesetzentwurf vorlegt, wie wir das jetzt gemacht haben, wo eine solche Verschärfung drin ist, sprich wer selbst seine Rückführung verhindert und das auch verschuldet, der muss das eben erdulden, dann können Sie sicher davon ausgehen - das BMI ist das Verfassungsressort -, das haben die sich dreimal überlegt, und ich bin der Überzeugung, es ist richtig so.
    "Für Recht und Ordnung wählen die Deutschen meistens die Union"
    Heuer: Aber was Strobl vorschlägt ist ja zum Beispiel, Asylbewerber ohne Rücksicht auf ihre Gesundheit zurückzuführen in ihre Herkunftsländer, zum Beispiel nach Afghanistan. Herr Schuster, einen afghanischen Dialyse-Patienten zurückschicken nach Masar-e Scharif, geht das?
    Schuster: Ich bin da auch hin und wieder in Masar-e Scharif und …
    Heuer: Da ist es sicher, nehme ich an?
    Schuster: Jedenfalls gibt es Regionen in Afghanistan, da ist es sicher. Und das mit der Krankheit ist natürlich sehr pauschal dargestellt. Erstens würden wir nie und auch nicht Thomas Strobl jemanden abschieben, der bedrohlich erkrankt ist. Worum es ihm geht ist, dass wir jemanden abschieben, auch wenn er eine bestimmte Erkrankung hat, die natürlich nicht bedrohlich ist, die er schon mitbrachte, als er zu uns einreiste.
    Wir wollen einfach verhindern, dass es eine Reihe von Anziehungspunkten in Deutschland gibt, und dazu gehört es auch, Krankheiten auszukurieren und dann wieder abzureisen. Wir haben diese Probleme und wir müssen darauf reagieren, so unangenehm es ist. Steuern, Begrenzen und Ordnen ist nicht immer schön. Wir sind gastfreundlich, aber ich vermisse hier und da auch eine bestimmte Konsequenz. Dass das die linken Parteien nicht schaffen, das ist mir klar, aber für Recht und Ordnung wählen die Deutschen meistens die Union und deshalb haben wir diese Pflicht, es zu tun.
    Heuer: Herr Schuster, ich bleibe noch mal bei dem Beispiel. Der Dialyse-Patient aus Afghanistan, der darf nur dann sofort abgeschoben werden, wenn er schon krank hier herkam?
    Schuster: Nein, Frau Heuer. Das ist jetzt eine Verkürzung.
    "Ich schlage ein nationales Koordinierungszentrum für Rückführung und Abschiebung vor"
    Heuer: Ich versuche, es zu verstehen!
    Schuster: Wir entscheiden erst mal, ob der Asylbewerber ein Bleiberecht hat. Das entscheiden wir aber nicht politisch. Wenn das BAMF, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entscheidet, er hat keine Bleibeberechtigung, dann muss er ausreisen. Und bei dieser Ausreisepflicht ist es bisher so, dass die eine oder andere Krankheit dazu führt, dass wir ihn dulden, und diese Duldungstatbestände und unterschiedlichsten Krankheiten haben eine Dimension angenommen, dass wir da reagieren müssen.
    Wir können nicht 150.000, 200.000 - und man prognostiziert bis Ende 2017 500.000 - Menschen in Deutschland dulden, die eigentlich ausreisen müssten. Das zerstört Akzeptanz in der deutschen Bevölkerung. Recht und Ordnung heißt: Wer ausreisen muss, muss ausreisen, und das muss der Staat in irgendeiner Weise auch durchsetzen.
    Heuer: Herr Schuster, aber das tut der Staat ja offenbar nicht. Die Große Koalition hat seit dem September 2015 gefühlt zwanzig Asylpakete verabschiedet, um eben das genau zu tun, aussichtslose Asylbewerber wieder loszuwerden. Warum wird denn das nicht umgesetzt?
    Schuster: Da gibt es eine Reihe von praktischen Problemen. Deswegen schlage ich ja auch schon seit ein paar Monaten vor - und ich glaube, da sind wir auf einem ganz guten Weg - ein nationales Koordinierungszentrum für Rückführung und Abschiebung, besetzt aus Bund und Ländern, um viele Alltags- und praktische Probleme zu lösen. Da geht es manchmal um fehlende Ausweispapiere, da geht es um Erkrankungen, da geht es um Untertauchen etc.
    Die Abschiebezahlen steigen ja. Das darf man ja nicht vergessen. Wir haben ja jetzt schon mehr abgeschoben als in 2015. Von daher sind wir auf einem positiven Trend. Eins möchte ich aber ganz klar sagen: Was die SPD, die Grünen und die Linken in einigen Bundesländern tun, wenn ich jetzt an Thüringen, an das neue Berlin, die neue Regierung denke, das geht nicht, dass die offiziell behaupten, wir versuchen, die Bundesregelung wo es nur geht zu unterlaufen, um Menschen zu dulden, die eigentlich raus müssen. Das können wir nicht akzeptieren.
    "Ich kriege zu viele Beispiele, wo Ausreisepflicht nicht durchgesetzt wird"
    Heuer: Herr Schuster! Sie sagen selber, die Abschiebezahlen, die steigen.
    Schuster: Ja.
    Heuer: Warum dann nicht weiter auf dem Weg gehen, den Sie schon eingeschlagen haben? Warum müssen da immer noch mal striktere Forderungen, streitbarere Forderungen oben drauf? Das ist doch Wahlkampf.
    Schuster: Nein, ist kein Wahlkampf. 20.000, oder sagen wir mal 25.000 werden wir dieses Jahr abschieben. Das ist angesichts einer Zahl von weit über 200.000 einfach bescheiden und deswegen müssen wir mehr tun. Und, Frau Heuer, ich orientiere mich an den Ehrenamtlern, zum Beispiel an den Sozialarbeitern, an den Agenturen für Arbeit und deren Feedback. Und die sagen mir fortwährend: Herr Schuster, sorgen Sie bitte politisch dafür, dass wir unsere ganze Kraft auf die Menschen konzentrieren können, die hier bleiben.
    Die Abschiebung und die Dauer derer, die nicht hier bleiben dürfen, aber da sind, ist zu lang. Wenn wir unsere Kraft auch noch dafür verwenden, uns um Menschen zu kümmern, von denen jeder weiß, dass sie wieder ausreisen müssen, dann verlieren sie Akzeptanz vor allem bei den ehrenamtlich Tätigen, und das wollen wir nicht. Ich kriege zu viele Beispiele, wo Ausreisepflicht nicht durchgesetzt wird und wo es auch um Abschiebehindernisse geht, die selbst konstruiert sind, und da müssen wir eingreifen.
    "Das sind im Prinzip Entscheidungszentren in Grenznähe"
    Heuer: Herr Schuster, Sie wollen ja auch wiederbeleben die Debatte über die Transitzonen für Bewerber aus, wenn ich es richtig verstanden habe, sicheren Herkunftsländern, also nicht unbedingt nur sicheren Drittstaaten. Wer soll da rein aus Ihrer Sicht?
    Schuster: Das sind im Prinzip Entscheidungszentren in Grenznähe, mit denen ich verhindern will, dass wir genau dieses Problem kriegen, was wir jetzt haben. Ich möchte gerne, dass in diese Zentren alle die Menschen von der Grenzpolizei gebracht werden, bei denen erkennbar keine Bleibeperspektive ist. Das sind in der Regel die aus sicheren Herkunftsstaaten. Das sind aber auch die, die keine Pässe dabei haben, die ihre Identität täuschen, die eventuell schon wegen Dublin in ein anderes Land sowieso zurück müssten, …
    Heuer: Also auch die Drittstaaten.
    Schuster: Genau.
    Heuer: Dann kommen alle Flüchtlinge, die in Deutschland ankommen, in diese Transitzonen.
    Schuster: Nein!
    Heuer: Doch, die kommen ja alle aus sicheren Drittstaaten.
    Schuster: Nein, nein, nein, nein! Herkunftsländern! Ich spreche jetzt nicht von sicheren Drittstaaten, Schweiz oder Österreich, sondern von den Herkunftsländern. Das dürften ungefähr 30, 40 Prozent sein. Was ist der Gewinn? - Wir würden dort in einem Schnellverfahren entscheiden, dass bei denen, wo offenkundig keine Bleibeperspektive ist, schon in Grenznähe die Einreise gar nicht vollzogen wird, in einem Zwei-, Drei-Tage-Verfahren die Entscheidung fällt, dann die Rechtsmittel möglich sind - das Verfahren wenden wir exakt so seit Jahrzehnten an Flughäfen an. Dann ist derjenige in zwei bis drei Wochen entschieden und wird dann direkt zurückgeführt mit dem Erfolg, …
    Islamist beim Verfassungsschutz: "Versucht der IS, den Staat direkt anzugreifen?"
    Heuer: Herr Schuster, weil uns die Zeit wegrennt. Ich habe dazu aber wirklich eine Frage. Im November 2015 wurden zentrale Aufnahmelager beschlossen für Asylbewerber ohne Chance. Die sollten in Bamberg und Manching in Bayern gebaut werden. Die gibt es aber immer noch nicht. Warum setzen Sie das denn nicht erst einmal um?
    Schuster: Das haben wir schon und da wird auch schnell entschieden. Aber die Menschen sind dann in Deutschland und sie sind dann Monate in Deutschland mit der Unsicherheit, dass sie spät abgeschoben werden, oder in einigen Bundesländern überhaupt nicht, und das möchte ich verhindern. Ich glaube, dass diese Sondereinrichtungen gut sind, aber dass wir einen Schritt weitergehen müssen, es vorverlagern in Grenznähe.
    Heuer: Auf deutscher Seite?
    Schuster: Ja natürlich! Natürlich auf deutscher Seite. Es ist so, dass wir erst gar nicht in die Lage kommen, mit diesen Menschen ein monatelanges Verfahren zu machen mit unsicherer Abschiebung, wenn ich an Thüringen denke oder Berlin, wo gesagt wird, wir schieben überhaupt nicht ab, oder wo Winterlasten sind. Das kann man dann alles verhindern. Wenn dann die SPD und die Grünen endlich ihre Blockade bei Nordafrika aufgeben würden und die als sichere Herkunftsstaaten noch einstufen würden im Bundesrat, dann hätten wir eine Menge gewonnen.
    Heuer: Herr Schuster, wir haben noch ungefähr knapp eine Minute. Ich möchte noch ein ganz anderes Thema ganz kurz mit Ihnen besprechen, denn wir haben gestern Abend erfahren, dass ein Islamist beim Verfassungsschutz enttarnt wurde, der sich dort eingeschleust hat. Wie kann so etwas passieren? Wer hat da Fehler gemacht?
    Schuster: Ich will jetzt mal gar nicht von einem Fehler sprechen erst mal. Wenn ein Innentäter gezielt angesetzt wird, bei der Sicherheitsüberprüfung, bei der Einstellung, dass der unter Umständen da durchschlüpft, das müssen wir uns genau anschauen: Wie legendiert, wie konspirativ ist das gelaufen, wie professionell, und warum greift da unsere Sicherheitsüberprüfung nicht.
    Aber was ich für wichtig finde: Wir haben ihn, und das nach sehr kurzer Zeit, die er erst im Verfassungsschutz gearbeitet hat. Was ich für bedrohlicher finde oder für wichtiger ist die Frage: War das schon länger? Versucht der IS, jetzt langsam Macht zu demonstrieren, indem er den Staat direkt angreift.
    Heuer: Armin Schuster, der CDU-Innenpolitiker im Interview mit dem Deutschlandfunk. Herr Schuster, vielen Dank.
    Schuster: Ich danke Ihnen, Frau Heuer.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.