Freitag, 19. April 2024

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Abschied vom Spitzensport
"Es ist immer ein neues Werden, wenn man nicht mehr Athlet ist"

Bei einigen fließen die Tränen, andere wirken am Karriereende sichtlich erleichtert: Der Rücktritt sei für viele Spitzensportler auch ein Abschied von der bisherigen Identität, sagte die Sportwissenschaftlerin Natalie Barker-Ruchti im Dlf-Gespräch. Für den Schritt sei sehr viel Energie notwendig.

Natalie Barker-Ruchti im Gespräch mit Astrid Rawohl | 13.01.2019
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    Abschied mit Tränen: Staffel-Olympiasieger Michael Rösch verkündet das Ende seiner Biathlon-Karriere (dpa/Hendrik Schmidt)
    Warum ist der Abschied vom Leistungssport für viele Athleten ein sehr emotionaler Moment? Mit dieser Frage hat sich die Sportwissenschaftlerin Natalie Barker-Ruchti beschäftigt. Ihre Forschungen zeigten, "dass die meisten Athleten von Schwierigkeiten sprechen im Zusammenhang mit Rücktritt", sagte die Schweizerin, die in Schweden an der Universität von Göteborg lehrt: "Es ist immer ein neues Werden, wenn man nicht mehr Athlet ist."
    Die meisten Athleten im Leistungssport hätten jahrelang in einer "relativ geschützten Gemeinschaft einen sehr speziellen Lebensstil geführt". Das präge enorm und gäbe Identität. Der Rücktritt vom Spitzensport sei daher immer mit Abschied verbunden. "Für den Athleten bedeutet das ein Loslassen und große Veränderungen oder sogar einen Neuanfang."
    Ideals Alter für Spitzensportler "sozial konstruiert"
    Um sich auf die Zeit nach der aktiven Laufbahn vorzubereiten, benötigten die Sportler Unterstützung, die sie in vielen Ländern jedoch nicht bekämen. "Die Verbände, Clubs und auch nationale Organisationen konzentrieren sich auf den Aufbau von Athleten und vielleicht später auf die Aufrechterhaltung von Leistung", so Barker-Ruchti. Nur in einigen Ländern gäbe es beispielsweise Dual-Career-Programme, die es Athleten ermöglichen würden Schule und Ausbildung mit dem Sport zu verbinden.
    Barker-Ruchti schlägt vor, dass Athleten auch Pausen machen können, um vielleicht eben eine Ausbildung fertig zu machen oder auch mal etwas anderes zu erleben als nur den Spitzensport". Das ideale Alter für Spitzensportler hält die Wissenschaftlerin für "sozial konstruiert" ist: "Es gibt heute einige Athleten, die vielleicht viel älter sind, als man denkt, dass das überhaupt möglich ist." Als Beispiel nennt sie die Kunstturnerin Oksana Chusovitina, die mit 43 Jahren immer noch auf höchstem Niveau sehr erfolgreich sei.
    Rücktritt braucht viel Zeit und Energie
    Den richtigen Zeitpunkt für den Rücktritt gebe es nicht. Ein Athlet könne aber nicht von einem auf den anderen Tag ein andere sein. Das brauche viel Zeit und viel Energie vom Athleten. Zudem sei ein unterstützendes Umfeld sehr hilfreich in der Veränderung.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.