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Abschluss mal drei

Ein Hauptziel des Bolognaprozesses war es, das Studium internationaler zu gestalten. Julia Kohlruss könnte ein Musterbeispiel sein: Die Bauingenieurin hat ein trinationales Studium absolviert und trägt nun einen deutschen Bachelor, aus der Schweiz ein Diplom und zwei französische Abschlüsse obendrauf.

Julia Kohlruss im Gespräch mit Kate Maleike | 16.10.2009
    Kate Maleike: Letztmalig sind wir jetzt auch mit einer frischgebackenen Bachelor-Absolventin verabredet. Julia Kohlruss, Sie sind Bauingenieurin, haben aber nicht nur einen Bachelor-Abschluss, sondern noch mehr, weil Sie sich für einen trinationalen Studiengang an der Fachhochschule Karlsruhe entschieden haben. Wie sieht Ihr Abschluss genau aus?

    Julia Kohlruss: Ja, ich habe dadurch, dass ich in drei verschiedenen Ländern studiert habe, auch Abschlüsse aus allen drei Ländern. Das war aus Deutschland der Bachelor, die Schweiz, in der ich auch studiert habe, hatte noch nicht umgestellt, da habe ich noch das Diplom, und aus Frankreich habe ich zwei französische Abschlüsse, zum einen das DUT und zum anderen die Licence professionnelle.

    Maleike: Das heißt, Sie waren in allen drei Ländern mindestens ein Semester?

    Kohlruss: Ich war in allen drei Ländern jeweils ein Jahr, genau.

    Maleike: Sie arbeiten seit Kurzem als Projektleiterin bei Carl Stahl, einem mittelständischen Unternehmen in Stuttgart. Wie war Ihr Weg dorthin?

    Kohlruss: Carl Stahl sitzt in Süßen, also der Firmenhauptsitz, dort sitze ich auch. Der Weg dorthin war gut, also ich wurde mit dem Bachelor und dem Diplom eben fertig, im Februar, habe dann etwas Zeit gebraucht, um eine Stelle zu finden, einfach weil momentan die Lage relativ schwierig ist, und wurde dann aber relativ schnell bei Carl Stahl dann aufgenommen.

    Maleike: Sie haben ja diese trinationale Qualifizierung, und zudem sind Sie auch Halbfranzösin. Sie sind aber erst 23 Jahre alt, also recht jung, und noch dazu als Frau in einer Männerbranche aktiv. Ist das ein Problem für Sie?

    Kohlruss: Nein, es war noch nie ein Problem, und ich denke, es wird auch kein Problem sein. Ich habe bisher nur Vorteile daraus ziehen können. Mir ging es als Frau meiner Ansicht nach immer besser in dieser Männerbranche, wie es vielleicht einem Mann gehen würde, einfach weil man schneller auch bekannt wird. Und wenn mal ein dummer Spruch kommen sollte, dann muss man sich wehren, aber das muss man auch in anderen Branchen. Also gelitten habe ich darunter definitiv nie.

    Maleike: Woran arbeiten Sie gerade, was ist die Aufgabe? Projektleiterin habe ich gesagt, aber für was?

    Kohlruss: Momentan das Hauptprojekt ist eine Brücke in Frankreich, zu der Carl Stahl die Absturzsicherung macht, sprich, da wird ein Stahlnetz in die Bögen der Brücke hineingezogen. Das Ganze befindet sich gerade noch in der Planung. Die Statik ist fertig und im März wird dann auf der Baustelle das Netz angebracht.

    Maleike: Im Moment sind Sie also noch im Büro und machen die ganzen Vorarbeiten.

    Kohlruss: Genau.

    Maleike: Was aus dem Studium können Sie dabei am meisten verwenden?

    Kohlruss: Wahrscheinlich in meinem Fall Baurecht und Projektmanagement. Die Fächer Statik waren oder sind relativ hilfreich, wenn ich jetzt mal eine Statik anschauen muss, aber selber jetzt in meinem Job eine machen, ist nicht der Fall.

    Maleike: Sie haben mir in dem Vorgespräch, was wir geführt haben, schon erzählt, dass Sie auch gerne noch einen Master machen wollen.

    Kohlruss: Ja, das ist definitiv ein Gedankengang. Ich denke, heutzutage ist es immer wichtig, sich weiterzubilden und weiterzuentwickeln. Und ich kann mir durchaus vorstellen zu sagen, vielleicht nicht gleich, aber wenn ich ein bisschen Erfahrung gesammelt habe, auch vor allem, nachdem das mit dem Projektmanagement einfach wichtig ist, so eine Erfahrung gesammelt zu haben, dann noch mal zu schauen, dass ich dann auch noch mal weiterkomme.

    Maleike: Würden Sie denn rückblickend sagen, Sie haben alles richtig gemacht?

    Kohlruss: Tatsächlich bin ich eigentlich wirklich glücklich mit dem, so wie es bisher abgelaufen ist und wie mein Studium war, wie mein Werdegang bisher war. Ich weiß, ich war sehr schnell in meinem Werdegang, aber ich bereue jetzt davon nichts. Also es lief eigentlich wirklich alles sehr gut. Und auch in der Zeit zwischen dem Studium und dem Berufseinstieg habe ich wichtige Erfahrungen gesammelt, von dem her sehe ich da überhaupt keine Reue.

    Maleike: Frau Kohlruss, ich frage das auch deshalb, weil Sie haben vielleicht mitbekommen, dass im Moment sehr viel diskutiert wird über den Bolognaprozess und die Frage, ob Bachelor und Master an den deutschen Hochschulen gut umgesetzt werden. Die Kultusministerkonferenz hat nun beschlossen, stärker darauf zu achten, dass sinnvolle Kompetenzen vermittelt werden, künftig mehr, als es jetzt der Fall ist, und dass nicht zu viel in zu kurzer Zeit von den Studierenden verlangt wird. Wo müsste denn aus Ihrer Sicht zunächst angesetzt werden, was wäre das Wichtigste, was da in Angriff genommen werden müsste?

    Kohlruss: Also was ich ganz ehrlich im Bachelor schrecklich fand, war die Tatsache, dass man innerhalb von einer sehr kurzen Zeit sehr viele Prüfungen an einem Semesterende geschrieben hat. Ich habe zehn Prüfungen innerhalb von sieben Tagen geschrieben, also jeden zweiten Tag zwei Prüfungen. Das war meiner Ansicht nach zu viel. Zum einen lernt man dann als Student einfach bloß auf Kurzzeitgedächtnis, schaut irgendwie, dass man möglichst viel Stoff reinkriegt, den man letztendlich nach der Prüfung gleich wieder vergisst. Damit schneidet man sich als Student selber und auch später einfach, weil das nichts ist, was dann hängen bleibt. Und die Noten werden dann dementsprechend auch nicht unbedingt erstrebenswert. Also das wäre meiner Ansicht nach wirklich ein Punkt, den man umändern sollte. Und dann eben, der Bachelor und der Master sind halt so gemacht, internationaler studieren zu können, und wenn das nicht reibungslos läuft, dann sehe ich einfach den Grund für diese Umstellung nicht gegeben.