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Abschreiben auf Rumänisch

Regierungschef Victor Ponta ist erst seit Anfang letzten Monats im Amt. Jetzt werden Plagiatsvorwürfe gegen ihn erhoben. Das könnte mit politischen Intrigen zu tun haben.

Von Karla Engelhard | 20.06.2012
    Der junge rumänische Ministerpräsident Victor Ponta soll in seiner Doktorarbeit von den insgesamt 400 Seiten – mehr als die Hälfte nahezu wortwörtlich aus rumänischer Fachliteratur abgeschrieben haben – ohne Quellenangabe. Das Fachmagazin "Natur" bekam einen anonymen Tipp und berichtete jüngst in seiner Onlineausgabe über diesen Verdacht. Premier Ponta reagierte prompt:

    "Ich weiß gar nicht, wo diese Zeitung erscheint und die Tatsache, dass meine Doktorarbeit über den Internationalen Strafgerichtshof in einer Zeitung mit dem Titel "Natur" erscheint, erscheint mir recht komisch. Ich hoffe nur, dass ich durch meine Doktorarbeit nicht etwa die Umwelt und die Natur beschädigt habe"."

    Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete über den Plagiatsvorwurf, bezog sich dabei jedoch direkt auf die Dissertation, die der Zeitung in Kopie vorläge. Der Sozialdemokrat Ponta vermutet ein Manöver des konservativen Staatspräsidenten Traian Basescu hinter der Affäre - von einem Erpressungsversuch ist die Rede. Der Präsident und der Premier kommen nicht nur aus unterschiedlichen politischen Lagern, sondern gehen auch einem öffentlichen Machtkampf nicht aus dem Weg. Seit Tagen streiten sie sich darüber, wer Rumänien auf der nächsten Tagung des Europäischen Rates der Staats- und Regierungschefs, Ende Juni, vertreten soll.
    Dabei geht es weniger um die Reise, als vielmehr ums Prinzip. Bisher ist stets der seit 2004 amtierende Präsident Basescu zu den Brüsseler Gipfeltreffen gefahren. Laut Verfassung steht ihm das Recht auch zu – Rumänien bei internationalen Zusammenkünften zu vertreten. Premier Ponta will ihm das streitig machen und die Amtsbefugnisse des Präsidenten generell einschränken. Basescu und seine bürgerliche Partei PDL laufen dagegen Sturm. Doch sie sind geschwächt. Ende April haben sie im Parlament durch eine Misstrauensabstimmung die Regierungsmacht zugunsten Pontas verloren und auch bei den jüngsten Kommunalwahlen schnitten sie denkbar schlecht ab. Pontas Sozial-Liberale-Regierung kann nun mit satter politischer Mehrheit in die Offensive. Der konservative Ex-Premier und Ex-PDL Parteichef Emil Boc - warnt:

    ""Die aktuelle Regierungsmehrheit nähert sich immer mehr den autoritären Formen einer Staatspartei – so wie wir sie von den Sozialdemokraten aus den Jahren 2000 bis 2004 kennen. Wir müssen alles tun, um Demokratie und Rechtsstaat gegen die Willkürakte dieser Machthabe zu verteidigen."

    Dem sozialdemokratischen Premier ficht diese Kritik nicht an. Er gibt sich kämpferisch und sehr selbstbewusst. Plagiatsaffäre hin oder her, den Titel gäbe er zurück, wenn es sein muss, aber zurücktreten und nachgeben werde er nicht – erklärte er vor Journalisten:

    "Ich werde trotz aller Hindernisse nach Brüssel fahren, das sollte Präsident Basescu klar sein, auch wenn er böse auf mich sein sollte und sogar meine Doktorarbeit durchgeackert hat. Mir macht das nichts aus, ich mache so weiter."

    Wobei Viktor Ponta zumindest bei der Bildung seiner Regierung in den vorangegangenen Wochen keine glückliche Hand hatte: Noch immer fehlt ihm ein Unterrichts- bzw. Bildungsminister. Seine erste Besetzung schlug fehl, weil die Kandidatin ihren Lebenslauf gefälscht hatte und es aufflog. Kandidat Nummer Zwei musste gehen, weil er aus dem Japanisch übersetzte, wissenschaftliche Arbeiten als seine eigenen ausgegeben hatte. Premier Ponta ist bereits der dritte Premier Rumäniens in nur sieben Monaten. Im Herbst muss er sich den Parlamentswahlen stellen – ob mit oder ohne Doktortitel.