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Abschreiben gilt nicht!

Hausarbeiten schreiben in den Semesterferien, das ist lästig. Zu lästig, meinen einige und kopieren und schreiben ab, statt selbst ans Werk zu gehen. Verstaubt sowieso in den Regalen, beruhigen sich viele, die ein schlechtes Gewissen beschleicht. Doch in Berlin und Brandenburg will man Plagiatoren jetzt auf die Schliche kommen.

Von Christoph Richter | 14.03.2006
    In der Uni-Bibliothek in Potsdam-Babelsberg wird emsig gearbeitet. Die Einen lesen. Andere haben den Laptop vor sich aufgeklappt und klappern leise auf den Tasten.

    Viele blättern unruhig, fast aufgeregt zwischen den Seiten hin- und her. Immer auf der Suche nach der richtigen Information. Und dann: schreiben sie ab. Fast blind. Darauf angesprochen, werden sie rot im Gesicht.

    Doch zugeben möchten die Potsdamer Studierenden es nicht. Nur einer. Ulf! Jurastudent im 7. Semester. Lächelnd steht er im Vorraum und kopiert.

    "Darf man ja eigentlich nicht, ne...naja…(Lachen)…ab und zu kommt’s mal vor…ja klar!"

    Ulf ist keine Ausnahme. Auch Jan aus Berlin tut es.

    "Ich fälsche nicht original, selbstverständlich nicht. Aber natürlich ist es so schon dass man den einen oder anderen Absatz aus dem Buch rausnimmt, und als den eigenen hinstellt. Ich kenne aber durchaus Leute, die eine Arbeit von mir so genommen haben, wie ich sie geschrieben habe, und zwei drei Semester abgegeben haben. Und damit durchgekommen sind."

    Nach einer im vergangenen Jahr anonym erstellten Studie der US-amerikanischen Health Research Foundation in Minneapolis, gehen Experten mittlerweile davon aus, dass in jeder dritten wissenschaftlichen Arbeit, vom Studierenden bis zum Professor, unredlich gearbeitet wird. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft schätzt die Situation in Deutschland ähnlich ein.

    Nach einer ungewöhnlichen Häufung von studentischen Plagiatsversuchen an der Berliner Humboldt Universität wird dort derzeit hinter den Türen heftig über Sanktionsmaßnahmen gestritten. Dazu Andreas Kohring, Prodekan für Lehre und Studium:

    "Es gibt jetzt eine Arbeitsgruppe, die möchte eine Satzungsänderung, um genau diesen Tatbestand nachhaltig zu begegnen, das geht nur in einem Gesetzgebungsverfahren, das dauert seine Zeit, und solange die Satzung nicht geändert ist, gilt: Nämlich kein Schein."

    Jedoch eine Exmatrikulation, wie sie Kohring fordert, ist vielen seiner Kollegen eine zu harte Strafe. Und so einigte sich man erstmal darauf, bei Vergehen solcher Art zukünftig eine Arbeit lediglich mit 6 zu benoten. Alles Weitere steht in den Sternen.

    Anders sieht es an der Europauniversität in Frankfurt/Oder aus. Dort ist der erste Schritt getan, und hat in der Kulturwissenschaftlichen Fakultät die rechtlichen Vorraussetzungen geschaffen. Das bedeutet, dass Studierende bereits schon beim zweiten Täuschungsversuch einer Seminararbeit von der Uni verbannt werden. Für die berühmteste und berüchtigste Plagiatsjägerin Deutschlands Deborah Weber Wulff der Schritt in die richtige Richtung. Ihre Forderung geht aber noch weiter:

    "Klaut jeder? Dann müssen wir etwas machen dabei. Dann müssen wir sehr genau gucken bei jeder Magisterarbeit. Wir müssten eine Pflichtrecherche machen bei jeder Arbeit, um zu gucken, wo kommt das denn eigentlich her."

    An der Uni Potsdam setzt man unterdessen auf die Kooperation der Studierenden. Seit Ende Februar werden sie explizit aufgefordert, ihre Diplom- oder Magisterarbeiten öffentlich auf dem Dokumentenserver der Unibibliothek abzulegen. Vorausgesetzt natürlich, dass Gutachter und Autor dem zustimmen.

    Für die Potsdamer Bibliotheksdirektorin Ulrike Michalowsky eine einmalige Chance dem Plagiat den Kampf anzusagen.
    Allerdings:

    "Man muss sich im Klaren sein, dass Plagiat und wenn man es darauf anlegt immer möglich ist. Also wer es darauf anlegt, Arbeiten anderer Universitäten einzusehen, und sich daraus zu bedienen, der wird immer dazu die Möglichkeit haben. Ich glaube aber, dass die Vorteile deutlich überwiegen, bei dieser Politik."

    Für Plagiatskämpferin Deborah Weber Wulff eine begeisternde Sache. Als Mittel gegen Fälschung jedoch, so sagt sie selbst, ein zahnloser Tiger:

    "Also da sollten wir erst gar nicht solche Versprechungen machen, dass es was bringen wird. Das tut’s nicht. Der Weg ist nicht alle Arbeiten öffentlich zu machen, der Weg ist erstmal ein Bewusstsein bei den Lehrkräften zu wecken, dass es auch eine wichtige Fragestellung ist. Man muss auch ein Bewusstsein innerhalb der Hochschulen hinkriegen, dass wir jetzt was tun werden."

    So sei es auch hilfreich, dass Studierende von ihren Hochschullehrern vorgelebt bekämen, dass Wissenschaft und die Suche nach Erkenntnis Spaß machen soll, und eben keine Qual ist.

    "Für mich ist der richtige Weg, dass wir uns überlegen was ist Wissenschaft, und dass wir überlegen wie bringen wir das den Leuten bei. Und unsere naive Vorstellung, dass sie das irgendwie in den Schulen lernen ist ja Quatsch. Und wir müssen uns eingestehen sie lernen es nicht. Wir brauchen Propädeutika. In diesen Propädeutika muss man den Leuten beibringen wie arbeitet man richtig, wie arbeitet am, wie schreibt man, wie zitiert man, wie bewertet man. Diese Sachen müssen wir machen, und nicht denken die Leute nehmen es irgendwie mit der Muttermilch auf."