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Abstieg statt Aufstieg

Laut dem jüngsten OECD-Bildungsbericht erreichen 22 Prozent der jungen Menschen in Deutschland nicht das Bildungsniveau ihrer Eltern. In anderen Industrienationen schaffen das deutlich mehr.

Von Claudia van Laak | 11.09.2012
    Gute und schlechte Noten erhält Deutschland von der OECD – der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Pluspunkte gibt es für den Bereich frühkindliche Bildung – im Vergleich besuchen besonders viele Kinder in Deutschland eine Kita. Auch die Personalausstattung ist besser als in vielen anderen OECD-Mitgliedsländern. Barbara Ischinger, Leiterin des OECD Bildungsdirektorats:

    "Betrachtet man die einzelnen Bildungsbereiche, ist festzustellen, dass Deutschland einen überdurchschnittlich hohen Anteil seines Volksvermögens in die frühkindliche Bildung investiert, während der in die Primar-, Sekundar I- und II- und Tertiär-Bildung investierte Anteil unter dem Durchschnitt liegt. "

    Sprich: viel Geld für Kitas, vergleichsweise wenig für Schule und Hochschule.

    Schlechte Noten erhält Deutschland für den geringen Anteil der Bildungsaufsteiger. Die OECD hat in diesem Jahr erstmals erhoben, wie viele Kinder einen höheren Abschluss als ihre Eltern machen, wie viele einen niedrigeren. Im OECD-Durchschnitt gibt es mehr Auf- als Absteiger, erläutert Barbara Ischinger.

    "Der Anteil der jungen Erwachsenen, die ein höheres Bildungsniveau erreichen als ihre Eltern, ist höher als der Anteil der jungen Erwachsenen, die ein geringeres Bildungsniveau erreichen. In Deutschland ist das jedoch nicht der Fall."

    Das Bundesbildungsministerium und die Kultusministerkonferenz zweifeln die Zahlen der OECD allerdings an. Sie kommen zu ganz anderen Ergebnissen – weil sie anders rechnen. Ein Akademikerkind, das nicht studiert, sondern einen Berufsabschluss macht, wird von der OECD als Bildungsabsteiger gewertet, vom Bundesbildungsministerium nicht. Staatssekretärin Cornelia Quennet-Thielen:

    "Ein Kind aus einem Akademikerhaushalt macht eine duale Ausbildung, das ist Abwärtsmobilität, finde ich ein Unding in der Bezeichnung. Wenn wir sehen, dass Hunderttausende Unternehmen in Deutschland Nachfolger suchen. Dann frage ich mich, ist ein Optiker, ist ein Zahntechniker, ist ein Mechatroniker weniger wert als ein Akademiker?"

    Die Bewertung der dualen Ausbildung ist ein langjähriger Streitpunkt zwischen der OECD und der deutschen Bundesregierung. Tatsache ist: Was hierzulande Ausbildung genannt wird, ist in anderen Ländern ein Studium. Deshalb ist die deutsche Akademikerquote nach wie vor unterdurchschnittlich. Hier würden Äpfel mit Birnen verglichen – heißt es aus dem Bundesbildungsministerium. Staatssekretärin Quennet-Thielen:

    "Die Warnung, wir gefährdeten unser Wachstum, wir gefährdeten unseren Wohlstand, weil wir eine unter dem OECD-Durchschnitt liegende Akademikerquote haben, wird durch Wiederholung nicht richtiger."

    Das Bildungsministerium verweist in diesem Zusammenhang auf die weit unter dem OECD-Durchschnitt liegende Jugendarbeitslosigkeit. Außerdem gelte die duale Ausbildung weltweit als Vorbild, viele Länder hätten den Wunsch, das deutsche Berufsbildungssystem zu übernehmen – dies werde von der OECD zu wenig berücksichtigt.