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Abstimmung in Straßburg
EU-Parlament fordert klare Kante bei Brexit-Verhandlungen

Das Europaparlament hat für die anstehenden Brexit-Verhandlungen eine harte Position der Europäischen Union gefordert. Die Interessen ihrer Bürger müssten "in vollem Umfang" berücksichtigt werden, verlangte das Straßburger Parlament. Nigel Farage, der Kopf der Brexit-Kampagne, lehnte die Resolution grundlegend ab.

Von Thomas Otto | 05.04.2017
    Die Weitwinkel-Aufnahme zeigt Mitglieder des Europäischen Parlaments bei der Abstimmung.
    Das Europäische Parlament in Straßburg hat über eine Resolution zu den Brexit-Verhandlungen abgestimmt. (AFP / Sebastien Bozon)
    Es ist ein ganzer Forderungskatalog, den das EU-Parlament heute verabschiedet hat. Angefangen dabei, dass Großbritannien bis zum endgültigen Austritt EU-Mitglied bleibt und so lange keine Verhandlungen über Handelsabkommen führen kann, über gleiche Rechte für EU-Bürger, die im Vereinigten Königreich leben und britische Staatsbürger, die in der EU leben, bis zur Feststellung, dass ein Staat außerhalb der EU keine Bevorzugung gegenüber einem EU-Mitglied erfahren könne. Rosinenpickerei werde es nicht geben, formulierte es EVP-Fraktionschef und CSU-Mann Manfred Weber und fragte rhetorisch:
    "Liebe Kolleginnen und Kollegen, was machen wir hier eigentlich? Was machen wir hier eigentlich? Gibraltar: Da kann man drüber lachen, dass es die letzten Tage Diskussionen über einen möglichen Krieg gab. Aber tatsächlich hat die Premierministerin eines großen Landes, nämlich Großbritanniens die Notwendigkeit gesehen, klarzustellen, dass es keine militärischen Aktivitäten gab. Wo sind wir denn gelandet, über was reden wir eigentlich? Ich muss mal sagen: Sind wir eigentlich noch ganz bei Trost?"
    Keine Bevorzugung für Londoner City
    Binnenmarkt, Europol, Forschungskooperation – all diese Formen der Zusammenarbeit seien Teil der EU, ergänzt Webers sozialdemokratischer Kollege Gianni Pittella. Großbritannien müsse sich auf eine harte Verhandlungsposition der EU vorbereiten.
    "Erst wenn wir substanzielle Fortschritte im Scheidungsverfahren gemacht haben, werden wir über die zukünftigen Beziehungen reden können. Jede Drohung und jedes Ultimatum werden wir zurückweisen, zum Beispiel wenn das UK unsere gemeinsame Sicherheit als Spielmasse in den Verhandlungen nutzt."
    Man werde nicht einfach zusehen, wie Großbritannien zum Steuerparadies werde. Die Londoner City werde keinerlei Bevorzugung erhalten, so Pittella.
    Guy Verhofstadt, Fraktionschef der Liberalen und Beauftragter des Parlaments für die Verhandlungen, stellt fest: Vielleicht habe es einfach nicht sein sollen, dass Großbritannien und der europäische Kontinent sich vereinten. Man solle aber die Politiker der Vergangenheit nicht dafür verdammen, es versucht zu haben. Die EU müsse sich nun reformieren zu einer Union auf der Basis von Werten und dem Willen der Bevölkerung.
    "Eine Union, die gegen Autokraten aufsteht. Autokraten, die Universitäten schließen. Autokraten, die Journalisten ins Gefängnis werfen. Autokraten, deren Markenzeichen Korruption ist und die unschuldige Frauen und Kinder in Syrien mit chemischen Waffen bombardieren."
    Besonderes Augenmerk auf Nordirland
    In ihrer Resolution verlangen die Abgeordneten auch besonderes Augenmerk auf die Situation in Nordirland und die Gefahr für den dortigen Friedensprozess. Die linke Fraktionschefin Gabi Zimmer fordert:
    "Und schon aus diesem Grund sollten wir uns hier in die Pflicht nehmen, dass wir zu jedem Zeitpunkt die Interessen der Menschen auf der irischen Insel insgesamt betrachten und dort nicht zulassen, dass dort im 21. Jahrhundert in der Europäischen Union eine neue Grenze entsteht. Ich möchte auch keine Grenze in meinem Land wieder haben. Niemals mehr. Niemals mehr eine Grenze und eine Mauer, die undurchlässig ist."
    Nigel Farage, Chef der rechtspopulistischen EFDD-Fraktion und Kopf der Brexit-Kampagne, lehnt die Resolution hingegen grundlegend ab.
    "Sie verhalten sich wie die Mafia. Sie glauben, wir seien eine Geisel. Das sind wir nicht, wir können einfach gehen. "
    Ermahnung an Nigel Farage
    Spätestens an dieser Stelle wurde die Debatte emotional. Der italienische Parlamentspräsident ermahnte Farage für seine Verwendung des Begriffes "Mafia", was Farage als eine "nationale Empfindlichkeit" abtat.
    Die heute verabschiedete Resolution ist für Kommission und Rat, die die Verhandlungen mit Großbritannien führen, zwar nicht bindend. Seine Zustimmung zu einer Einigung über den Austritt und die zukünftigen Beziehungen will das Parlament aber davon abhängig machen, ob seine Forderungen im Verhandlungsprozess Beachtung finden.