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Abwasser düngt Bäume

China hat ein großes Umweltproblem mit Abwasser. Vor allem in ländlichen Regionen gibt es kaum Kläranlagen, das Siedlungsabwasser wird häufig noch ungeklärt in die Flüsse geleitet. In einem Pilotprojekt testen Forscher des ttz Bremerhaven eine beispielhafte Lösung: Sie nutzen Abwasser zur Bewässerung von Energieholz-Plantagen, die damit gleichzeitig gedüngt werden.

Von Lucian Haas | 24.08.2011
    Chongzhou zählt zwar 650.000 Einwohner, doch für chinesische Verhältnisse handelt es sich nur um ein kleineres Städtchen in der Provinz Sichuan. Obwohl die Umgebung ländlich geprägt ist, besitzt die Chongzhou ein Kanalsystem samt einer Kläranlage. Dort fällt genug Abwasser an, um versuchsweise einen Teil davon für die Landwirtschaft abzuzweigen.

    "Das sind Abwässer von der regionalen Kläranlage vom Ort. Also keine Industrieabwässer, sondern ganz normale vom Haushalt."

    Barbara Wildegger leitet am ttz Bremerhaven das Projekt Bioware. Ziel ist es, ein System zu entwickeln, mit dem sich kommunales Abwasser zur Bewässerung in der Landwirtschaft einsetzen lässt. Es geht um sinnvolles Recycling. Denn in dem nur grob gefilterten Abwasser sind viele Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor enthalten, die als Dünger nutzbar sind.

    Bei Bioware wird nicht einfach nur das Abwasser auf die Felder geleitet. Pflanzen haben je nach Wuchsstadium und Witterung einen wechselnden Wasser- und Nährstoffbedarf. Das ttz Bremerhaven hat deshalb mit Partnern in Deutschland und China eine innovative Bewässerungstechnik entwickelt, die in diesem Jahr in einem Pilotprojekt bei Chongzhou erstmals erprobt wird.

    "Wir haben jetzt Sensoren auf dem Feld selber, die dann genau bestimmen, wie viel Wasser und wie viel Nährstoffe die Pflanzen zu dem Zeitpunkt brauchen. Der Regler mixt dann genau die richtige Menge zwischen Abwasser und Klärwasser."

    Der Regler - das ist eine Hightech-Mischbatterie, die die Forscher sogar von Deutschland aus über das Internet fernsteuern können. Auf Grundlage der Daten, welche die Feuchte- und Nährstofffühler aus dem Boden liefern, wird dem Abwasser noch ein definierter Anteil Frischwasser zugemischt, um die ideale Nährstoffkonzentration zu erreichen.

    Das so gewonnene Düngerwasser wird dann per Tröpfchenbewässerung sparsam auf die Felder geleitet. Aus hygienischen Gründen werden beim Bioware-Projekt keine Nahrungspflanzen bewässert. Auf den Versuchsflächen bei Chongzhou wachsen Bäume, deren Holz später CO2-neutral in Heizkraftwerken verbrannt werden kann.

    "Allgemein sollten es Bäume sein, die schnell wachsen. In Deutschland spricht man von Kurzumtriebsplantagen. Hierzulande sind es meistens Pappeln oder Weiden. Aber in China haben wir uns für Eukalyptus entschieden, weil der Baum dort heimischer ist, die gleichen guten Qualitäten hat und auch schnell wächst."

    20 Jahre lang besteht so eine Kurzumtriebsplantage. Alle drei bis fünf Jahre wird ein Teil des Holzes geerntet und verwertet. Die geschnittenen Baumstümpfe schlagen wieder aus. So lässt sich ohne großen Aufwand der Flächenertrag an Biomasse maximieren. In Kombination mit der Abwasserbewässerung sieht Barbara Wildegger gleich einen dreifachen Nutzen.

    "Einmal, weil das Abwasser nicht einfach nur geklärt wird und die Nährstoffe, die drin enthalten sind, verschwunden gehen, sondern die kann man wirklich nutzen. Gleichzeitig ist es eine ländliche Entwicklung in der Region, da weniger Dünger verwendet wird und es für die Landwirte günstiger kommt, die Plantagen zu betreiben. Und dann natürlich noch der Energiezuwachs, der auf der Fläche ja stattfindet."

    Wenn das Pilotprojekt von Bioware erfolgreich verläuft, hoffen die Forscher auf viele Nachahmer.

    "Wir haben auf jeden Fall schon mehrere Anfragen von anderen Gebieten in China. Vor allem wollen wir das an viele kleinere Orte anbringen, dass einfach gerade die ländlichen Regionen weiter entwickelt werden können."

    Das Ziel heißt Bioenergieregionen. Dort sollen jeweils einfache Kläranlagen neu gebaut und technologisch mit der Energieholzproduktion verknüpft werden. So könnten die Chinesen nicht nur ihre Abwasserprobleme in den Griff bekommen, sondern aus der Biomasse auch umweltfreundlich Strom und Wärme gewinnen. Denn der Energiehunger der aufstrebenden Nation ist immens. Und es ist erklärter Wille der chinesischen Regierung, verstärkt in den Markt der erneuerbaren Energien zu investieren.

    Zur Übersichtsseite der Serie "Wege aus der Wassernot"