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Acht Monate nach Journalistenmord auf Malta
Attacken auf Regierungskritiker nehmen zu

Acht Monate nach der Ermordung der Journalistin Daphne Caruana Galizia hat sich auf Malta kaum etwas verändert. Keine Täter wurden verurteilt[*] und auch die vielen Recherchen über staatliche Korruption hatten keinerlei Auswirkungen. Stattdessen werden Journalisten als Verräter beschimpft.

Von Iris Rohmann | 12.06.2018
    Journalisten auf Malta demonstrieren vor dem Parlament. Sie gedenken ihrer ermordeten Kollegin Daphne Caruana Galizia.
    Journalisten auf Malta demonstrieren vor dem Parlament. Sie gedenken ihrer ermordeten Kollegin Daphne Caruana Galizia. (AFP)
    Trotz internationaler Beobachtung nehmen Attacken auf Kritiker der maltesischen Regierung zu. Desinformation und Spins über Anti-Korruptions-Aktivisten sind an der Tagesordnung. Ein Beispiel: Mitte Mai geriet ein 17-Jähriger in eine Verkehrskontrolle in Luqa im Süden von Malta. Weil er keinen Führerschein hatte, ergriff er die Flucht, überfuhr einen Polizisten und verletzte ihn schwer. Ein schrecklicher Fall, der aber nichts mit den Protesten zu tun hat. Dennoch wird Regierungskritikern jetzt eine Mitschuld dafür gegeben, erklärt Clemence Dujardin von der Gruppe "Occupy Justice Malta".
    "Sie verhafteten den Jungen ein paar Stunden später und schon bald danach sagten Regierungsmitglieder, es wäre die Schuld der Zivilgesellschaft, dass solche Angriffe gegen Polizisten erfolgen. Weil wir zur Gewalt gegen die Polizei aufgerufen hätten, was völliger Quatsch ist."
    Polizei ermittelt nicht gegen Politiker
    Der Polizeichef in Malta ermittelt bisher gegen keinen einzigen Politiker wegen Korruption - trotz schwerer Verdachtsmomente. Demonstranten fordern daher immer wieder seinen Rücktritt. Das schwächt die Autorität des Staates und der Polizei, twittert die Labour-Abgeordnete Marlene Mizzi nach dem Vorfall. Der schwer verletzte Polizist sei ein "Kollateralschaden". Aber, sagt Dujardin:
    "Wir haben den Rücktritt des Polizeichefs gefordert, nicht seine Hinrichtung. Wir sind der Polizei dankbar dafür, dass sie uns während unserer Proteste beschützt und immer an unserer Seite war. Das hat uns verletzt. Und das hat uns persönlich geschadet, weil es falsch ist, ein solches Bild von uns zu verbreiten."
    Regierungsanhänger beschimpfen Demonstranten
    "Occupy Justice" ist eine Protestgruppe, die nach der Ermordung der wichtigsten Journalistin des Landes gegründet wurde: Daphne Caruana Galizia. Clemence Dujardin war von Anfang an dabei. Gemeinsam mit Freundinnen schlug sie ein Zeltlager auf - direkt vor dem Palast der Regierung. Sie forderten, den Mord lückenlos aufzuklären und die vielen Korruptions-Skandale zu untersuchen, die Daphne Caruana Galizia enthüllt hatte. Von Anfang an wurden die Frauen von Regierungsanhängern als Huren und Verräterinnen beschimpft. Jetzt geraten auch ihre Unterstützer immer mehr ins Kreuzfeuer. Clemence Dujardin:
    "Vor kurzem haben sie sich einen Restaurantbesitzer rausgepickt, und auf einer unserer Mahnwachen ein Foto von ihm gemacht. Dann haben sie zum Boykott des Restaurants aufgerufen. Da haben wir gemerkt, dass eine große Veränderung im Land passiert. Dass Menschen Angst bekamen. Angst ihre Meinung zu sagen. Und wenn die Bürger eines Landes Angst davor haben zu sprechen, dann ist irgendwo etwas gehörig schiefgelaufen."
    Labour-Partei attackiert Kritiker
    Boykottaufrufe wie dieser werden in geschlossenen Facebook-Gruppen der Labour-Partei geplant und koordiniert. Das fand "The Shift News" heraus - ein investigatives Online-Portal in Malta. Die Journalisten lasen monatelang heimlich mit, und sie erfuhren schockierende Dinge. Der Tod von Daphne Caruana Galizia wurde bejubelt und gefeiert. Nachdem eine Anti-Korruptions-Aktivistin im April eine kleine Demo veranstaltete, wurde Jagd auf sie gemacht, so Caroline Muscat von "The Shift News".
    "Es gab in einer der Gruppen sofort einen Post von einem der Administratoren, da hieß es: Diese Frau steckt hinter dem Protest. Innerhalb weniger Stunden hatte sich die Attacke in den sozialen Netzwerken verbreitet, und ihre Privatadresse wurde veröffentlicht. Sie reichte zwei Anzeigen bei der Polizei ein, es wurde nichts unternommen. Dies ist ein Beispiel für die Botschaft, die verbreitet werden soll: Ihr tut dies, und dafür bekommt ihr das."
    Seit der Veröffentlichung dieser Recherchen sind auch Caroline Muscat und "The Shift News" im Regierungsfernsehen angegriffen worden. Sie sei unglaubwürdig, hieß es, und ihre Recherchen würden wahrscheinlich von der Oppositionspartei finanziert. Die nächste Mahnwache für die ermordete Journalistin soll am 16. Juni in Valletta stattfinden. Wie viele Menschen sich dann noch trauen, daran teilzunehmen, weiß niemand.

    [*] Anmerkung der Redaktion: Im Vorspann des Beitrags haben wir eine Korrektur vorgenommen: In dem Mordfall wurden Täter angeklagt, aber bislang niemand verurteilt.