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ACTA vorm Scheitern

Für die EU-Kommission ist es eine Schlappe, für die Gegner von ACTA dagegen ein Grund zum Jubeln: Nach hitzigen Diskussionen ist das umstrittene Urheberrechtsabkommen im Handelsausschuss des Europäischen Parlaments mit deutlicher Mehrheit durchgefallen.

Von Sina Fröhndrich | 21.06.2012
    Das Ergebnis ist eindeutig: Mit einer klaren Mehrheit hat der federführende Handelsausschuss des Europäischen Parlaments das umstrittene ACTA-Abkommen abgelehnt. 19 Parlamentarier stimmten dagegen, nur zwölf waren dafür. Damit hat sich bereits der fünfte EU-Ausschuss gegen den Handelsvertrag positioniert. Marietje Schaake, liberale EU-Abgeordnete aus den Niederlanden, spricht von einem klaren Signal für die entscheidende Abstimmung im Europäischen Parlament in zwei Wochen:

    "Das ist ein Sieg für die europäische Demokratie und für die Freiheit im Internet. Ich bin froh, dass die Europaabgeordneten auf die Bürger gehört haben und dass der Handelsausschuss dem gesamten Parlament empfiehlt, ACTA abzulehnen."

    Zufriedenheit auf der einen Seite – nämlich bei den Liberalen, Grünen, Sozialdemokraten und Linken. Enttäuschung dagegen auf der anderen - bei den Konservativen. Sie sind ACTA-Befürworter – wenn auch nicht uneingeschränkt. Sie hatten versucht, die Abstimmung über das Handelsabkommen zu verschieben – so lange bis der Europäische Gerichtshof in Luxemburg das Vertragswerk geprüft hat. Die Richter sollen klären, ob ACTA mit den Grundrechten der EU vereinbar ist.

    Zur Erinnerung: ACTA soll unter anderem das geistige Eigentum im Internet regeln. Das betrifft etwa Kinofilme, die illegal hochgeladen wurden. Die ACTA-Gegner kritisieren jedoch: Es gebe zu viele schwammige Formulierungen im Text des internationalen Abkommens. So sei nicht klar, wann welche Handlung kriminalisiert und bestraft werde. Der britische Abgeordnete der Sozialdemokraten, David Martin:

    "Der Text lässt viele Fragen offen – etwa welche Rolle die Internetprovider spielen sollen, ob sie eine Art Internetpolizei werden würden."

    Diese Ängste teilt auch der CDU-Europaabgeordnete Daniel Caspary. Deswegen jedoch ACTA komplett in Frage zu stellen, ist für ihn keine Option. Er hatte Ergänzungen zum Vertragstext gefordert. Europa brauche ein Handelsabkommen – glaubt Caspary, ohne ACTA seien 10.000 Arbeitsplätze in Gefahr:

    "Denn, wenn wir wirklich ACTA in 14 Tagen im Plenum ablehnen, dann müssen wir ganz von vorne anfangen, dann beginnen internationale Verhandlungen ganz von vorne und wir werden viele Jahre verlieren und die Verbraucher, die von gefälschten Produkten betroffen sind, die Arbeitnehmer, die von gefälschten Produkten in ihrem Arbeitsplatz gefährdet sind, die haben weiterhin die Probleme."

    Auch die Europäische Kommission dürfte wenig begeistert sein über das Votum des Handelsausschusse zu ACTA. Erst gestern Abend noch hatte der zuständige Handelskommissar Karel de Gucht an die Abgeordneten appelliert, das internationale Handelsabkommen nicht abzulehnen:

    "Bevor sie nun ihre Entscheidung treffen, sollten sie an das Signal denken, dass sie an die ganze Welt senden."

    Ein Signal ist das Nein des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments allemal: Das umstrittene Handelsabkommen ACTA steht damit wohl vor dem Aus. Kaum ein EU-Abgeordneter rechnet noch damit, dass es in zwei Wochen im Parlament eine Mehrheit für ACTA geben wird.