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ADAC-Test
VW-Dieselfahrzeuge: "Das Update ist zu empfehlen"

Rund 2,6 Millionen Dieselfahrzeuge sind allein in Deutschland von der Rückrufaktion des Autoherstellers VW betroffen. Der ADAC hat drei Modelle nach der Umrüstung getestet. Bei allen ergebe sich ein Nutzen für die Umwelt, sagte Johannes Boos vom ADAC im DLF. Gleichzeitig habe man beim Verbrauch und bei der Motorleistung kaum Beeinträchtigungen festgestellt.

Johannes Boos im Gespräch mit Stefan Römermann | 24.01.2017
    VW-Fahrzeuge stehen auf einem Autohof in Freiburg.
    Weniger Stickoxide aber trotzdem höher im Verbrauch: Der ADAC hat verschiedene Modelle nach dem Austausch der Schadsoftware getestet. (imago)
    Stefan Römermann: Sie wirken fast schon zynisch, die Werbespots, mit denen VW in den USA seine Fahrzeuge beworben hatte. Nein: Diesel sind nicht schmutzig! Das war früher mal so. Heute seien Diesel sauber. "Clean Diesel" war deshalb ganz selbstbewusst der Slogan. Ziemlich dreist, muss man sagen, denn heute wissen wir: Viele VW-Dieselfahrzeuge haben nur mit einer Betrugssoftware auf dem Prüfstand die zulässigen Grenzwerte eingehalten. Im Alltag wurde die Abgasreinigung dagegen abgeschaltet.
    Inzwischen hat VW eine Rückrufaktion gestartet und tauscht die Software bei den betroffenen Wagen aus. Der ADAC hat getestet, was die Umrüstung für Verbrauch und Schadstoffausstoß bedeutet. Vor der Sendung habe ich dazu Johannes Boos vom ADAC gefragt, ob es VW jetzt tatsächlich schafft, die Grenzwerte einzuhalten.
    Johannes Boos: Ja, nach unseren Tests durchaus, und zwar bei allen drei Motorvarianten, die wir insgesamt untersucht haben. Wir haben ja vom kleinen Polo bis zum VW Golf und dem Audi Avant drei verschiedene Motorvarianten unter die Lupe genommen und bei allen ergibt sich Nutzen für die Umwelt. Die Noxe werden unter realen Fahrbedingungen deutlich reduziert. Das sind die Stickoxid-Emissionen. Gleichzeitig haben wir beim Verbrauch und bei der Motorleistung, also bei dem, was für den Autofahrer direkt wichtig ist, keine Beeinträchtigungen beziehungsweise kaum welche festgestellt.
    "Was VW gemacht hat, müssen Sie tatsächlich VW fragen"
    Römermann: Das klingt jetzt ein bisschen paradox. Wir halten jetzt plötzlich die Grenzwerte ein, es wird nicht mehr Sprit verbraucht. Warum hat VW das denn nicht schon von Anfang an so gemacht?
    Boos: Das ist eine Frage, die Sie an VW zu stellen haben.
    Römermann: Können Sie denn irgendwo anders feststellen, dass Dinge jetzt etwas weniger rund laufen als vorher? Es gab ja durchaus die Befürchtung, dass jetzt die Verbraucher häufiger diesen Harnstoff AdBlue nachfüllen, der die Stickoxide rauswäscht aus den Abgasen.
    Boos: Die drei Motorvarianten, die wir jetzt getestet haben, das sind keine AdBlue-Abgasreinigungsmotoren gewesen. Das waren ganz normale Dieselmotoren. AdBlue ist ja ein Markenname von VW für eine Abgasreinigungstechnik, die in dieser Blue Motion Serie, wie das bei VW heißt, eingesetzt wird. Die Autos, die wir jetzt untersucht haben, alle drei Modellvarianten, waren aber keine AdBlue-Technologie.
    Römermann: Was wurde denn tatsächlich bei den Autos gemacht? Wurde da tatsächlich nur ein Software-Update eingespielt? Können Sie das nachvollziehen?
    Boos: Was VW gemacht hat, müssen Sie tatsächlich VW fragen. Wir haben das Auto vor der Umrüstung unter die Lupe genommen, haben es nach dem aktuellen Fahrzyklus, der für die Typgenehmigung verbindlich ist, getestet, und dann noch mal nach den strengeren Zyklen, die dem ADAC-Ecotest zugrunde liegen, und haben da festgestellt, dass es durchaus einen Nutzen für die Umwelt ergibt und Verbrauch und Motorleistung kaum beeinträchtigt werden.
    Messung im Labor, nicht auf der Straße
    Römermann: Sie haben das auch auf der Straße getestet, oder nur im Labor? Das war ja immer ein großer Kritikpunkt, dass die Werte eigentlich nur im Labor erreicht worden sind.
    Boos: Das ist eine Messung, die wir im Labor gemacht haben. Die Fahrzeuge wurden wie gesagt nach dem Zyklus, der für die Typgenehmigung relevant ist, getestet. Und was wir da gesehen haben, ist schon erstaunlich, dass der Verbrauch vor und nach dem Update bei allen drei Fahrzeugen schon über dem lag, was der Hersteller angegeben hat. Das hat jetzt nichts mit der Umrüstung zu tun, sondern das war schon von vornherein so. Schon vor der Umrüstung ist die Abweichung bei den Verbrauchsangaben höher, was wir gemessen haben, als das, was der Hersteller kommuniziert.
    Römermann: Im Verbrauchsprospekt stand drin, der verbraucht auf 100 Kilometer, ich sage mal, dreieinhalb Liter, und tatsächlich war es höher.
    Boos: Genau.
    Römermann: Das hat sich aber nicht wirklich jetzt verändert durch dieses Update?
    Boos: Genau. Das war nicht vom Update betroffen. Das war schon vorher so. Am deutlichsten ist die Abweichung beim VW Polo mit dem 1.2 Liter Motor. Da ist der Verbrauch 9,6 Prozent über den offiziellen Angaben. Die anderen beiden Modelle, der Golf in der 2.0 Liter Variante und in der 1.6 Liter Variante, waren etwas darunter, bei 6,6 beziehungsweise 2,5 Prozent. Aber auch da liegen die Angaben im Verbrauch, die wir gemessen haben, deutlich über dem, was der Hersteller kommuniziert.
    Keine signifikanten Verschlechterungen bei Verbrauch und Motorleistung
    Römermann: Was empfehlen Sie denn jetzt Ihren Mitgliedern? Sollen die alle dieses Update, diese Nachbesserung machen lassen, oder sollte man da erst noch ein bisschen abwarten? Was empfehlen Sie denen?
    Boos: Nein, das Update ist zu empfehlen. Wir haben ja wie gesagt durch das Update keine signifikanten Verschlechterungen bei Verbrauch und Motorleistung herausgefunden.
    Römermann: Fazit: Alles gut bei VW? Oder ist noch was nachzuholen?
    Boos: Wie gesagt, uns ist aufgefallen, dass die Herstellerangaben tatsächlich nicht mit dem übereinstimmen, was wir gemessen haben, und wir haben ja auch das Fahrzeug getestet nach dem Fahrzyklus, der für die Typgenehmigung zulässig ist. Wenn wir jetzt gucken, dass im September aller Voraussicht nach bei uns in Deutschland ja auch der DLTC, der etwas realitätsnähere Zyklus, der mit höheren Geschwindigkeiten und anderen Schaltpunkten gefahren wird, die Grundlage für die Typgenehmigung bildet, dann ist es aus unserer Sicht wichtig, dass die Schlupflöcher, die die Hersteller jetzt im Augenblick noch haben, das Auto auf dem Prüfstand möglichst schnittig aussehen zu lassen - sie können beispielsweise die Reifen extrem aufpumpen oder Lüftungsschlitze abkleben, um da den Rollwiderstand zu reduzieren und das Fahrzeug verbrauchsärmer auf dem Rollenprüfstand zu machen -, dass diese Schlupflöcher letztendlich gestopft werden.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.