Barbara Vinken zum Verkauf des Modelabels Versace an Michael Kors

"Der Geist des Designs ist damit tot"

30.01.2018, Berlin: Models zeigen Kreationen des Designers Gianni Versace auf einer Modenschau zur Eröffnung einer Ausstellung über den Modeschöpfer im Kronprinzenpalais.
Kreationen des Designers Gianni Versace auf einer Modenschau zur Eröffnung einer Ausstellung über den Modeschöpfer im Kronprinzenpalais am 30.01.2018 in Berlin © Foto: Jens Kalaene/dpa
Moderation: Timo Grampes · 24.09.2018
Das Modelabel Versace soll von der Eigentümerfamilie für zwei Milliarden Euro an den Branchenriesen Michael Kors verkauft werden. Die Veränderung werde ein bedeutender Verlust für die Modewelt sein, findet Modeexpertin Barbara Vinken.
Einen "Hauch von Nuttigkeit" habe das Modelabel Versace immer schon gehabt, erklärte Barbara Vinken im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur. Die Professorin für Literaturwissenschaft an der Universität München gilt als Modeexpertin und hat mehrere Bücher über Mode veöffentlicht.
"Und er hat immer den schönen, römischen, sonnigen, durchgestylten Körper – der eher barock, als elegant ist – angezogen und verkauft."

Kontinuität auch nach dem Tod des Gründers

Das Trashige, mit billigem Sexappeal Spielende und auch die dazugehörige merkwürdige Ironie sei schon sehr der typische Stil von Labelgründer Gianni Versace gewesen. Nach dessen Ermordung im Jahr 1997 habe Giannis Schwester Donatella eine hervorragende Arbeit gemacht:
"Sie hat die Kollektion in diesem neobarocken, völlig überdrehten Spirit weitergeführt. Es war eines der wenigen Modeimperien, die noch in Familienbesitz waren. Und das ist vielleicht schon ein bisschen traurig, wenn das jetzt an ein völlig nichtssagendes Desginer-Imperium wie Michael Kors geht."

Das Freche verschwindet

Der riesige Michael-Kors-Konzern verschlucke jeden Stil: "Das heißt natürlich, dass der Versace-Stil weg ist", bedauert Vinken.
Niemals würde sie eine Handtasche von Kors kaufen: "Schlicht, öde, 'you don't want to look at it'. Sie wollen die einfach nicht haben, weil sie viel zu langweilig ist, 'comme il faut'. Irgendwie werden die Stile, die gerade angesagt sind, schlecht nachgemacht."
Versaces neobarocker Stil müsse nicht jedermanns Sache sein, aber etwas Freches hätten die Entwürfe immer gehabt. Obwohl sie kein Versace-Fan sei, habe sie aber auch ein eigenes Versace-Lieblingsstück, verrät Vinken auf Nachfrage:
"Einen ganz klassischen Rock mit Hahnentrittmuster, der aber so raffiniert geschnitten ist, dass die Kurven optimal dabei herauskommen. Ich hänge sehr an dem Rock und es ist ein wunderschöner Rock."

Monopole zerstören die Individualität des Designs

Traurig sei für die gesamte Branche, dass Modelabels immer von riesigen Unternehmen aufgekauft würden und die eigentlichen Designer und ursprünglichen Gründer der Marken dann längst nicht mehr dabei seien. Das Individuelle und Design-Know-how der Marken verschwinde.
"Gut, man kann sagen, die Familie hat das Vermögen herausgeholt. Aber der Geist der Inspiration und der Geist dieses Designs ist damit eben auch tot."
Durch die Zukäufe des Kors-Konzerns nivelliere sich der Markt. Kors biete nichts Interessantes und wage auch nichts.
"Ich hoffe, dass ich mich täusche und da doch was Interessantes passiert."
Auch für Italien sei der Verkauf ein Verlust. Versace stehe nicht nur für eine sehr wichtige Facette des italienischen Stils in der Mode, sondern auch des Designs. Denn Versace habe auch Teppiche, Innendekorationen, Bettwäsche und Porzellan gemacht.
"Ich würde schon sagen, dass ein für Italien sehr spezifisches handwerkliches Können, das familiengebunden war, dass das dann alles auch verloren ist. Und das ist schon auch traurig."
(mle)
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