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Adam Darski alias Behemoth im Porträt
"Ich will die Leute erschüttern"

Mit ihren religionskritischen Texten und Lust an der Provokation ist die polnische Black-Metal-Band Behemoth in ihrem Heimatland das Lieblingsfeindbild von Kirchenvertretern und Nationalkonservativen. Provokation ist für die Band ein Ansporn - auch wenn sie dafür bereits mehrfach vor Gericht landeten.

Von Jens Mayer | 29.09.2018
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    Nergal und die Band haben laufend Stunk mit der konservativen polnischen Regierung sowie Kirchenvertretern. Er ist beinahe mal im Knast gelandet, weil er auf der Bühne eine Bibel zerrissen hat. Die Situation der Band in Polen wirkt irgendwie fast wie eine Dystopie dessen, was da in Deutschland auf liberale Bands zukommen mag, wenn extrem nationalistische und konservative Parteien die Regierung bilden. Doch auch mit dem neuen Album der Band, das nach einem Jesus-Zitat I Love Your At Your Darkest benannt ist, setzt er weiter auf Provokation.
    Es ist laut und vulgär um Menschen im besten Sinne zu erschüttern
    Freunde habe er sich mit seiner Musik nie machen wollen, meint Adam Darski, Sänger, Gitarrist und Gründer der polnischen Blackmetal-Band Behemoth, bekannt unter seinem Künstlernamen Nergal. Er wolle die Menschen zum Nachdenken bringen und ihren Geist öffnen.
    Darski: "Das ist es, worum es bei radikaler Musik geht. Ich will die Leute erschüttern. Deshalb ist es laut, deshalb ist es lärmig. Deshalb ist es vulgär und abscheulich. Das ist genau das, was es sein sollte."
    Dass an der Gründungsgeschichte von Behemoth, die sich Anfang der 1990er noch Baphomet nannten, neben Adam Darski noch zwei weitere Mitmusiker mit dem Vornamen des ersten Menschen in der Bibel beteiligt waren, ist eine skurrile Anekdote, wenn man die explizit religionskritische und in den Augen vieler polnischer Kirchenvertreter blasphemische Einstellung der Band kennt. Auseinandersetzungen, Proteste und Auftrittsverbote in Polen ziehen sich durch die Bandhistorie, bis zu mehreren Gerichtsverhandlungen wegen Anklage aufgrund "Verletzung religiöser Gefühle".
    Für die Kunstfreiheit vor Gericht
    Darski hatte 2007 bei einem Konzert in seiner Heimatstadt Gdynia eine Bibel zerrissen und die Kirche die "mörderischste Sekte des Planeten" genannt. Der Musiker pochte auf die Kunstfreiheit und beteuerte, er habe keine religiösen Gefühle verletzen wollen. 2010 stand er deshalb vor Gericht, im drohten bis zu zwei Jahre Haft. Die Klage wurde zwar abgewiesen, doch 2012 vom obersten Gericht in Warschau noch einmal aufgenommen. Erst 2015 gab es den endgültigen Freispruch. Seitdem kam es immer wieder zu Anklagen von rechter Seite, zuletzt wegen Verdachts auf "Entweihung des polnischen Wappens", das die Band in verschiedenen Artworks in einer Version mit umgedrehtem Kreuz darstellt. Auch hier folgte im Frühjahr ein weiterer Freispruch.
    Ärger mit Behörden sind ein Ansporn
    Der Ärger mit den polnischen Behörden und die öffentlichen Anfeindungen scheinen den 41-Jährigen eher anzuspornen. Auch mit dem neuen Behemoth-Album triggert er wieder einmal zu erwartende Reaktionen, wie mit dem Titel des vorab veröffentlichten Stückes "God = Dog". Ein Palindrom, bei dem das englische Wort für Gott mit dem Wort gleichgesetzt das sich ergibt, wenn man es rückwärts liest: Hund. Der Proteststurm ließ nicht lange auf sich warten, Darski freut sich über die Aufmerksamkeit: "Sehr extrem. Aber ich liebe es. Glaub es oder nicht, aber als wir es online gepostet haben, habe ich mir eine riesige Tüte Popcorn besorgt habe und einfach nur beobachtet. Ich hatte die Zeit meines Lebens. Aber im Ernst: Das ist cool. Das Schlimmste für Künstler ist Gleichgültigkeit. Je mehr gegensätzliche Reaktionen, desto besser für dich. Das ist fantastisch. Es bedeutet, dass du etwas sehr Aufrichtiges getan hast."
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    Behemoth 2018 (Grzegorz Gołębiowski)
    In Polen ist Nergal trotz seiner kontroversen Haltung ein Star. 2011 gehörte er sogar zu den Jurymitgliedern der TV-Castingshow "The Voice Of Poland" im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Sein Nebenprojekt Me And That Man, eine Zusammenarbeit mit dem britisch-polnischen Musiker John Porter schaffte es mit seiner Mischung aus Folk, Country und Blues 2017 auf Platz drei der polnischen Charts. Er erlebe aber auch viel Zuspruch von Menschen, die nichts mit seiner Musik anfangen könnten, so der Musiker. Er selbst will ebenfalls keine Scheuklappen tragen, wenn es um die Beurteilung Anderer geht.
    Darski: " Ich interessiere mich sehr für Menschen. Ich kann mich für jemanden interessieren, unabhängig davon, wofür er bekannt ist. Es kann ein Pornostar, ein Papst, ein Schauspieler oder ein Obdachloser sein. Vielleicht gibt es einen Teil seiner Geschichte, bei dem ich sage: "Wow – das würde ich mir gerne anhören! Ich bin ein Fan von dir, weil du dieses oder jenes getan hast."
    Auch mit der zugänglichen Musik von Me And That Man verfolgt er weiter seine dunklen Themen. Der Ansatz dabei sei aber weniger metaphorisch und symbolisch zu verstehen als bei Behemoth, so Darski. Mit denen muss er sich von katholischer Seite auch immer wieder fragen lassen, warum er sich das Christentum als Feindbild ausgesucht habe, aber kein böses Wort über den Islam verliere.
    Hinter meinem Rücken liegt ein Regenbogen
    Adam Darski: "Sie werfen mir das mit folgenden Worten vor: "Du weißt, dass das Christentum eine Religion des Friedens ist." Und ich so: "Wirklich? Du solltest besser ein paar Geschichtsstunden nehmen, weil du Scheiße redest." Aber, um es kurz zu machen, sage ich im Gegenzug nur: "Ich bin in einem katholischen Land aufgewachsen, ich kümmere mich um meinen Scheiß. Lasst die Muslime sich um ihren Scheiß kümmern!"
    Trotz solch markiger Worte, trotz aller Provokation und Anfeindungen, gibt sich der ausgebildete Museumskurator mit abgeschlossenem Geschichtsstudium versöhnlich. Eigentlich wolle er mit seiner Musik lediglich simples und engstirniges Schwarz-Weiß-Denken bekämpfen.
    Darski: "Das ist es, was ich an Kunst und Musik liebe. Selbst wenn sie sehr radikal sind, geht es mir nur darum, dass die Leute etwas davon haben, ihrer freien Interpretation zu folgen. Ich heiße alle willkommen und sage: "Bring mir etwas bei, denn ich kann etwas aus deinen Interpretationen lernen." Deshalb hasse ich es, Musik zu kreieren, die nur auf Schwarz-Weiß-Optionen ausgerichtet ist. Wir sind schwarz für Blinde, wie Aleister Crowley zu sagen pflegte. Aber vertraue mir, hinter meinem Rücken liegt ein ganzer Regenbogen."
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    Behemoth 2018 (Grzegorz Gołębiowski)