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"Adieu François"
Abgesang auf Frankreichs Präsidenten

Macron war bis 2012 erfolgreicher Investmentbanker als ihn Präsident François Hollande als Berater in den Élysée-Palast holte: Nur zwei Jahre später wurde Macron Wirtschaftsminister, nun könnte er sogar dessen Nachfolger werden. François Hollande machte als erster amtierender Präsident nicht vom Recht der Wiederwahl Gebrauch.

Von Ursula Welter | 24.04.2017
    Frankreichs Präsident Francois Hollande hört einer Rede bei Ethypharm zu, einem Labor in Grand-Quevilly, Nordwest-Frankreich ( 17. Mai 2017).
    Frankreichs Präsident Francois Hollande machte als erster Amtsträger nicht vom Recht auf Wiederwahl Gebrauch. Mit seinen Interviews und persönlichen Affären hat er sich selbst das Regieren erschwert. Als Mann des Volkes kam er nicht an. (AFP/Charly Triballeau)
    Zunächst war François Hollande der Mann auf der Ersatzbank.
    2011, als Frankreich auf den Präsidentschaftswahlkampf zusteuerte, galt eigentlich ein anderer als der gemachte Mann bei den französischen Sozialisten: Dominique Strauss-Kahn.
    Der damalige IWF-Chef stolperte aber über einen Vergewaltigungsvorwurf. So konnte Francois Hollande die Urwahl der Sozialisten gewinnen - der langjährige Parteichef, der Regionalfürst aus der zentralfranzösischen Corrèze, der niemals ein Ministeramt in Paris innehatte, wurde Präsidentschaftskandidat seiner Partei. Und Hollande gewann im Mai 2012 knapp und auch, weil eine Mehrzahl der Franzosen Sarkozy nicht mehr im Amt sehen wollte.
    Mann ohne Regierungserfahrung
    Im Wahlkampf hatte Hollande Hoffnungen der Linken geweckt, seine vermutlich wichtigste Rede hielt er in "Le Bourget": "Sein Feind die Finanzwelt, die Europaverträge neu verhandeln, und das Diktat aus Brüssel abschütteln" - viele Hoffnungen ruhten damit auf Hollande, dem ersten sozialistischen Präsidenten Frankreichs seit Francois Mitterrand. Hollande trat an, als die europäische Finanzkrise Europa voll erfasst hatte und Frankreich selbst im Reform- und Schuldenstau steckte. Und ihm sollte es nicht gelingen, das Blatt zu wenden. Der Mann ohne Regierungserfahrung war ein glückloser Präsident.
    Nicht nur, dass er häufig im Regen stand – schon bei seiner Amtseinführung und der symbolträchtigen Fahrt im offenen Wagen über die Champs-Élysées sah der Sozialist aus wie ein begossener Pudel.
    Desinteresse der Bevölkerung
    Ein "normaler Präsident" wollte Hollande sein, einer, der wie das Volk auch ohne Schirm im Regen stehe, einer der Zug fahre, wie seine Landsleute. Für viele Franzosen, die ihren Präsidenten in der Tradition von Monarchie und de Gaulle lieber " präsidiabel" sehen möchten, war diese Parole vom "normalen" Präsidenten eine frühe Zumutung seiner Amtszeit.

    "Ab Sommer 2012 beginnen die Umfragewerte von François Hollande zu sinken", so Jérôme Fourquet vom Meinungsforschungsinstitut Ifop in Paris.
    Das Desinteresse der eigenen Bevölkerung, die frühe Enttäuschung war das eine. Die interne Opposition das andere.
    Die äußere Linke der sozialistischen Partei rebellierte, als klar wurde, dass auch Hollande die Regeln des europäischen Stabilitätspaktes nicht aushebeln konnte – wenngleich Brüssel in seiner Amtszeit eine Überschreitung des französischen Defizits mehrfach akzeptierte.
    Die Linke rebellierte dennoch gegen den eigenen Präsidenten, sie rief "Verrat" und als die interne Opposition zu laut wurde, war Hollande im Frühjahr 2014 gezwungen, seine Linie klar zu stellen: Er warf die schärfsten Kritiker im Kabinett raus und setzte der äußersten Linken mit Manuel Valls einen sozialdemokratischen Premierminister vor die Nase.
    "Frankreichs Linke war nicht auf das Regieren vorbereitet"
    Seine Amtszeit wurde zudem von privaten Affären erschüttert. François Hollande, dem seine Kritiker vorwarfen, er habe den Charakter eines Puddings und höre nicht auf seine Berater, François Hollande war mit seiner Lebensgefährtin Valerie Trierweiler in den Élysée-Palast eingezogen.
    Die unterhielt öffentlich eine herzliche Rivalität zur Mutter der vier Hollande-Kinder, Ségolène Royal, einer Vollblutpolitikerin. Und dann tauchte noch der Name July Gayet in der Klatschpresse auf. Monsieur le Président war photographiert worden, auf dem Motorroller unterwegs zum vermeintlichen oder tatsächlichen Stelldichein mit der Schauspielerinn.
    Madame Trierweiler, die Lebensgefährtin im Palast, stürzte in eine Nervenkrise und als sie sich davon erholte, veröffentlichte die gelernte Journalistin ein deftiges Buch mit intimen Details über das Leben mit Francois Hollande.
    Und so, wie ein Buch am Anfang des Niedergangs stand, so stand ein Buch am Ende.
    Öffentliche Abrechnung eines Präsidenten
    Eines, zu dem der Präsident selbst maßgeblich beigetragen hatte.
    "Ein Präsident dürfte so etwas nicht sagen", war der Titel des Wälzers, der vielen Franzosen den Rest an Respekt vor ihrem Präsident raubte. Zwischen Frühjahr 2012 und Sommer 2016 hatte François Hollande zwei "Le-Monde"-Redakteuren Interviews gegeben. Auf fast 700 Seiten gewährte der Sozialist damit tiefen Einblick in seine Denkweise.
    Verächtliche Äußerungen über andere Politiker, Naserümpfen über Parteifreunde und die Frauen in seinem Leben, politische Äußerungen, die irritierten – am Ende war klar: mit diesem Buch waren Hollandes Chancen gänzlich dahin.
    Und als ihn auch sein Premierminister öffentlich zum Verzicht auf eine erneute Kandidatur drängte, war fast schon klar, was Hollande am erklären würde, er werde nicht noch einmal antreten.
    Seine Chancen seien zu schlecht, sagte Hollande. Dessen Schatten allerdings lang ist, wie das glücklose Abschneiden der Sozialisten beim gestrigen ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen in Frankreich gezeigt hat.