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Adlergebirge in Tschechien
Manöver der Hobby-Soldaten

Das Prager Gardekorps zieht am Wochenende ins Manöver. Die Schlachten der Vergangenheit sind das Steckenpferd der Freizeittruppe. In historischen Uniformen marschieren die Kameraden tagelang durchs Gelände, campieren unter freien Himmel und kämpfen auch mit der deutschen Wehrmacht. Eine Leidenschaft, die nicht wenige Tschechen teilen.

Von Stefan Heinlein | 23.07.2015
    Tschechische Militärfans
    Sieht gefährlicher aus, als es ist - das Prager Gardekorps stellt Schlachten nach. (Stefan Heinlein, Deutschlandfunk)
    Exerzieren in praller Sonne. In einer schnurgeraden Reihe präsentieren die Infanteriesoldaten ihr Gewehr. Der Schweiß tropft auf die olivgrünen Wolluniformen. Nach dem Drill kommt der Befehl zum Sturmangriff auf den Gegner im Kiefernwald.
    Das Militär als Leidenschaft
    Jan Gallas ist Offizier des Prager Gardekorps. 35 Soldaten hören auf sein Kommando. Jeder hat im Schrank die Uniformen aus unterschiedlichen Epochen. Originalgetreue Nachbildungen von der Kaiserzeit bis zum Zweiten Weltkrieg. Im Zivilberuf ist Jan Gallas ein städtischer Beamter. Doch die Leidenschaft des 33-Jährigen ist das Militär:
    "Ich liebe historische Romane und hatte immer den Traum diese Dinge selbst zu erleben. Wir tragen nicht nur die Uniformen sondern erfahren den Alltag der Soldaten an den Originalschauplätzen. Jeder von uns will seine Vorfahren ehren, die soviel geschafft haben."
    Akademiker und Handwerker, Schüler und Rentner. Das Prager Gardekorps ist eine bunte Truppe. Fast jedes Wochenende marschieren die Kameraden viele Kilometer durchs Gelände, kämpfen und campieren unter freiem Himmel. Erika ist eine der wenigen Frauen im Regiment und am Ende des Manövers stolz auf ihre Leistung:
    "Man muss es probieren. Es einfach machen und am Ende können wir dann sagen: Wir sind gut. Wir haben es geschafft."
    Tschechische Militärfans
    Freizeitsoldaten marschieren im tschechischen Adlergebirge. (Deutschlandradio / Stefan Heinlein)
    Im Hintergrund steht ein Trauma
    Im einsamen Adlergebirge nur wenige Kilometer von der polnischen Grenze entfernt lagert das Prager Gardekorps in einer Bunkeranlage. Nach dem Münchner Abkommen 1938 wurde der Verteidigungswall von der deutschen Wehrmacht eingenommen, ohne dass ein Schuss fiel. Für viele Tschechen ist die Besatzung noch immer ein Trauma. Wenn das Prager Gardekorps heute mit der Wehrmacht kämpft ist das Ende offen – so Soldat Jan Kara:
    "Erst müssen wir immer unsere Gebiete an die deutschen Soldaten abgeben. Dann können die Zuschauer abstimmen wie es weiter geht. Meistens wollen sie dass die tschechoslowakische Armee gewinnt. Wir vertreiben dann die deutsche Armee wieder zurück hinter die Grenze."
    Ende der Wehrpflicht löste Kriegsspiel-Boom aus
    Erst nach der demokratischen Revolution 89 wurden die Kriegsspiele in Tschechien möglich. Doch erst mit Abschaffung der Wehrpflicht 2004 beginnt der Boom der Freizeitsoldaten. Seither wurden über 100 Steckenpferd-Regimenter gegründet. Mittlerweile fast ein Volkssport, so Hobby-Offizier Jan Gallas.
    "Es ist ein Spiel und auch eine spannende Unterhaltung. Wir sind aber keine Militärfanatiker. Der Alltag eines Soldaten war hart und absurd. Sein Leben war nicht viel wert und es wurde viel gelitten."
    Doch wenn am Abend im Biwak das Lagerfeuer prasselt, feiert die Truppe bei Bier und Würstchen den heldenhaften Kampf der tschechoslowakischen Armee. Am nächsten Wochenende trifft man sich wieder. Dann zieht das Prager Gardekorps in die Schlacht von Austerlitz.