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Nitratbelastung durch Düngen
"Fokus auf die Grundwasserqualität war lange nicht stark genug"

Deutschland habe die immer weiter absinkende Qualität des Grundwasser zu lange ignoriert, sagte der Umweltminister von Niedersachsen, Olaf Lies (SPD), im Dlf. Nun sei der Druck aus Brüssel hoch, die Nitratbelastung zu senken. Beim Thema Düngen sei ein intensives Monitoring nötig.

Olaf Lies im Gespräch mit Jörg Münchenberg | 28.08.2019
Olaf Lies (SPD), Minister für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz in Niedersachsen, spricht bei einer Pressekonferenz zum Wohnungsmarktbericht 2018/2019
Olaf Lies (SPD), Minister für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz in Niedersachsen, spricht bei einer Pressekonferenz zum Wohnungsmarktbericht 2018/2019 (picture alliance/Christophe Gateau/dpa)
Jörg Münchenberg: Nitratverordnung – das klingt zunächst sehr technisch. Aber es geht dabei in letzter Konsequenz auch um sauberes Trinkwasser und um das Ökogleichgewicht von Bächen und Flüssen. Die EU pocht deshalb auf die Einhaltung der zulässigen Grenzwerte und droht mit hohen Strafzahlungen. Die Bundesregierung hat die geltenden Düngeregeln jetzt noch einmal überarbeitet. Aber ob diese auch Brüssel überzeugen werden, das bleibt abzuwarten.
Am Telefon ist jetzt der Umweltminister von Niedersachsen, Olaf Lies von der SPD. Herr Lies, einen schönen guten Morgen!
Olaf Lies: Guten Morgen, Herr Münchenberg.
Münchenberg: Herr Lies, ist das ein guter Vorschlag, mit dem die beiden Ministerinnen heute im Gepäck nach Brüssel reisen?
Lies: Ich hoffe, er reicht für eine Einigung. Im Grunde stellen wir doch das fest, was wir leider oft feststellen müssen: Vieles von dem, was wir heute Brüssel zugestehen, was wir ändern wollen, hätte natürlich schon viel länger passieren müssen. Und ich will das auch noch mal sagen: Mir geht es nicht darum, dass wir in Zukunft keine Strafen zahlen müssen. Mir geht es darum, dass wir das Grundwasser und das Trinkwasser schützen, und das muss die oberste Priorität haben. Ich glaube, dass das inzwischen allen Beteiligten klar ist, und insofern hoffe ich zumindest, dass wir eine Lösung haben, dass wir intensiv monitoren, aber dass wir auch sehr genau prüfen müssen, ob wir eigentlich die Verbesserung der Grundwasserqualität mit den jetzt vorliegenden Regelungen auch erreichen.
"Man wartet immer, bis es zu spät ist"
Münchenberg: Heißt das im Klartext, das ist eine deutliche Kritik an Landwirtschaftsministerin Klöckner?
Lies: Es ist erst mal eine deutliche Kritik daran, dass man immer wartet, bis es zu spät ist. Da will ich mich jetzt gar nicht auf eine Ministerin beziehen. Es geht gar nicht nur um Kritik, sondern es geht darum, dass der Eindruck entsteht, wenn wir nichts machen, dann wird das schon an uns vorbeigehen. Dieses Thema, nämlich gerade das Thema Qualität des Grundwassers, das immer schlechter geworden ist, geht nicht an uns vorbei, und ich finde, wir müssen daraus lernen, dass wir viel früher handeln, konsequenter handeln, und dann können wir übrigens auch Maßnahmen ergreifen, die man schrittweise vollziehen kann. Wenn man erst wartet, bis wir wie jetzt quasi in dem Moment vor die Wand gefahren sind, kommen natürlich dramatische Maßnahmen. Es ist eher eine Kritik, die sich an der Stelle auch an den Bauernverband richtet, der glaubt, nun lasst uns doch erst mal noch ein paar Jahre so weitermachen, das wird schon von selber gut. Das wird es eben nicht.
Münchenberg: Trotzdem, Herr Lies, ist erst einmal die Politik hier in der Verantwortung, weniger die Verbände, die natürlich ihre Interessen hier verteidigen. Hat die Politik am Ende eher die Interessen der Landwirte im Blick gehabt als zum Beispiel die Verbraucherinteressen, wenn es um eine intakte Umwelt oder sauberes Trinkwasser geht?
Lies: Ja, das muss man letztendlich so sagen. Sonst wäre der Druck, den wir aus Brüssel bekommen, jetzt nicht so hoch. Ich glaube, das kann man daran feststellen, in der Abwägung, die Grundwasserqualität gerade bei dem Thema der Nitratbelastung im Blick zu behalten und natürlich die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft, da ist der notwendige Druck und der notwendige Fokus auf die Grundwasserqualität lange nicht hoch genug gewesen. Und das ist ja jetzt die Folge, dass jetzt konsequente Maßnahmen ergriffen werden müssen.
Ein Landwirt düngt auf dem 1055 Meter hohen Auerberg vor dem Panorama der Alpen eine Wiese mit Gülle.
Nitrat kommt durch Dünger ins Grundwasser (dpa-Bildfunk / Karl-Josef Hildenbrand)
Münchenberg: Nun haben sich die beiden Ministerinnen jetzt auf viele technische Details geeinigt, mit denen man die Nitratbelastung senken will. Aber es stellt sich eher auch eine Grundfrage: Geht das überhaupt, sauberes Trinkwasser, Reduzierung der Nitratwerte, wenn man andererseits weiterhin auf eine Massentierhaltung setzt? Das ist zum Beispiel ein wichtiger Industriezweig letztlich auch in Niedersachsen.
Lies: Was auf keinen Fall geht ist, dass wir einen höheren Eintrag von Dünger – und da ist der natürliche Wirtschaftsdünger genauso wie Kunstdünger im Fokus – auf das Land aufbringen, auf die Flächen ausbringen, die von den Pflanzen nicht aufgenommen werden und das ins Grundwasser gelangt. Das ist ja die Ursache zunächst mal und deswegen werden wir zwei Dinge machen müssen.
Wir werden natürlich über die Frage von Tierhaltung und von Tierzahl weiterdiskutieren müssen. Wir brauchen aber jetzt auch Lösungen, die bedeuten, dass wir darauf achten müssen, dass an keiner Stelle mehr ausgebracht wird, als ausgebracht werden darf, und dass es andere Verwertungsmöglichkeiten für die heute noch vorhandene Gülle, den Wirtschaftsdünger gibt. Das bedeutet zum Beispiel, wir brauchen auch technische Lösungen der Aufbereitung, um gezielter und besser dann am Ende auch düngen zu können. Wir brauchen aber auch die Möglichkeit, den Wirtschaftsdünger, die Gülle, die wir haben, stärker noch in die Vergärung der Biogasanlage zu bringen. Die Lösung, es aufs Land zu bringen, die darf nicht die einfachste Lösung sein, die man wählt, sondern da gilt der Grundwasserschutz und Trinkwasserschutz.
"Düngung deutlich reduzieren, um Trinkwasser zu schützen"
Münchenberg: Aber noch mal im Klartext: Es gibt Ihrer Meinung nach jetzt nicht unbedingt einen Zielkonflikt mit der Massentierhaltung?
Lies: Das ist ja die Wirkung, die wir haben. Man muss sich das noch mal ansehen. Das eine ist das Thema der Tierhaltung, der Tierzahl insgesamt, der Frage, was ist der Verbraucher bereit, für ein Produkt zu zahlen. Das ist ein Grundproblem. Ich denke, wir müssen bei dem Thema Nitratbelastung auch noch mal sehen, wo ist die Ursache, und das ist die Aufbringung des Wirtschaftsdüngers auf die Flächen. Das müssen wir in den Griff kriegen. Das darf nicht in dieser Form passieren, wie es jetzt passiert. Das müssen wir deutlich reduzieren, um das Trinkwasser zu schützen.
Der andere Punkt, den wir machen müssen, nämlich zu sagen, muss sich eigentlich nicht auch in der Frage der Tierhaltung was ändern, ist weniger eine Frage, die sich direkt aus der Nitratbelastung ergibt, sondern ist vielmehr eine Frage, was ist am Ende auch der Kunde bereit. Und wir dürfen nicht unterschätzen: Wir befinden uns in einem globalen Markt. Das heißt: Lösungen, die wir nur für die deutsche Landwirtschaft finden, die wird der Kunde oft nicht berücksichtigen, sondern dann finden wir in den Regalen genauso die Produkte aus den Nachbarländern.
Münchenberg: Lassen Sie uns auf das schauen, was jetzt in Brüssel vorgelegt wird. Die Wasserversorger sind auch bei diesen neuen Regeln eher ziemlich skeptisch. Da heißt es, am Ende hilft das alles nicht gegen Überdüngung. Ist die Politik nicht trotzdem zu kurz gesprungen, weil auch Umweltministerin Schulze, Ihre Parteikollegin, trägt das letztlich alles mit?
Lies: Ja. Ich denke, dass alle Beteiligten da einen Kompromiss gefunden haben, der deutlich, deutlich über das hinausgeht, was man sich, glaube ich, hätte in der Vergangenheit vorstellen können. Wieder leider zu spät; ein paar Jahre früher und wir hätten das eine oder andere Problem in der Form gar nicht vorliegen. Aber das, was man dort gefunden hat, muss einhergehen – und das ist, glaube ich, ganz entscheidend – mit einem intensiven Monitoring, mit einer intensiven Überprüfung. Das heißt, es hilft ja nicht zu sagen, auf bestimmte Flächen darf weniger ausgebracht werden, wenn ich die Gesamtbilanz des Wirtschaftsdüngers oder des Kunstdüngers gar nicht nachverfolgen kann.
Da sind wir in Niedersachsen sehr weit, weil wir gesagt haben, wir haben ein eigenes System, wo ich glaube, dass wir auch in den anderen Ländern Nachfolger finden oder Nachahmer finden, wenn die das genauso machen. Wir brauchen sowohl in den abgebenden Betrieben wie in den aufnehmenden Betrieben ein qualifiziertes Monitoring und wir brauchen losgelöst davon Prüfungen, die auch sicherstellen, dass das, was dort angegeben wird, und das, was Vorgabe ist, eingehalten wird.
Münchenberg: Aber da sagen, um Sie zu unterbrechen, die Stadtwerke ja, es gibt kein transparentes Kontrollsystem, und das sei auch ein großer Mangel an diesen neuen Regeln.
Lies: Das war ein großer Mangel. In Niedersachsen wird das mit dem Programm ein wesentlicher Beitrag sein. Das alleine hilft auch nicht, das weiß ich, aber es wird ein ganz wesentlicher Beitrag sein. Und ich denke, dass wir, gerade weil Niedersachsen auch in besonderer Form natürlich betroffen ist, weil wir auch eine starke Tierhaltung haben und weil wir starkes Agrarland sind, dass wir das auch als Vorreiter voranbringen. Es führt kein Weg an einem echten Monitoring vorbei, um sicherzustellen, dass die Regeln eingehalten werden. Es hilft aber auch nicht ohne Kontrollen, ob dieses Monitoring auch anständig erfolgt. Das muss verstärkt werden und das wird ein ganz wesentlicher Bestandteil sein, weil sonst würde jede Verordnung, egal wie scharf sie ist, ins Leere laufen.
"Ich glaube, man ist nicht zufrieden mit dem, was wir liefern"
Münchenberg: Herr Lies, nun loben Sie ja Niedersachsen ausführlich. Auf der anderen Seite hat die Landwirtschaftsministerin Klöckner Niedersachsen doch deutlich kritisiert, weil es mit der Ausweitung dieser roten Gebiete, wo ja spezielle Schutzmaßnahmen noch mal greifen, sehr lange gedauert hat. Warum hat es dann so lange gedauert, wenn Niedersachsen angeblich hier Vorreiter sein will?
Lies: Ich habe es ja bisher vermieden, dieses Schwarze-Peter-Spiel, wir schieben den Ball immer zwischen Bund und Land zurück. Das können wir natürlich aufnehmen. Wenn die Bundesministerin meint, sie müsste den Ball nach Niedersachsen schieben, geben wir den gerne zurück. Wir werden zeitgerecht – wir sind ja auch durch mit den roten Gebieten – eine Verordnung haben, die selbstverständlich auch frühzeitig und rechtzeitig die roten Gebiete ausweist. Wir haben das nur hier sehr sauber und sorgfältig geprüft, weil wir haben natürlich dafür gesorgt – es sind inzwischen 38 Prozent der Fläche -, dass diese roten Gebiete auch rechtlich verlässlich rote Gebiete sind, weil natürlich wir auch keine Auflagen machen dürfen, wenn keine Begründung dafür da ist. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Dann muss man sich die Botschaft wirklich mal ernsthaft stellen, welche Hausaufgaben Frau Klöckner eigentlich gemacht hätte, wenn der Druck nicht aus Brüssel gekommen wäre, und welche Aufgaben sie gemacht hat, wenn ich mir die Verzögerung der letzten Monate ansehe.
Münchenberg: Ganz kurz noch, Herr Lies, zum Schluss. Ihre Prognose: Wird Brüssel die deutschen neuen Nitratregeln absegnen? Oder wird man noch weitere Nachbesserungen fordern?
Lies: Ich glaube, man ist nicht zufrieden mit dem, was wir liefern, weil wir viel zu lange gewartet haben, um konsequente Maßnahmen zu ergreifen. Ich glaube aber, dass es uns gelingt, aus der Menge der Vorschläge, die sehr detailliert sind, und aus der Tatsache, dass das Ganze nur mit einer intensiven Kontrolle begleitet auch wirklich wirksam ist, dass wir da eine Chance haben, das umzusetzen. Aber wir kommen gar nicht daran vorbei, regelmäßig Jahr für Jahr zu monitoren, erreichen wir unsere Ziele? Trinkwasser und Grundwasser muss für uns die höchste Priorität haben und wir sollten uns nicht darauf verlassen, dass das automatisch mit den Regeln dann gelöst ist.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.