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Ägypter Samuel
"Ich werde alles für mein Ziel geben"

Der 19-jährige Ägypter Samuel ist seit Kurzem Auszubildender beim Fahrzeug- und Maschinenbauhersteller MAN in Augsburg. Vor zwei Jahren kam er als minderjähriger unbegleiteter Flüchtling nach Deutschland. Sein Traum: ein Ingenieursstudium.

Von Susanne Lettenbauer | 15.10.2015
    Auszubildender an einer Maschine.
    Drei Jahre dauert die Ausbildung für Samuel beim Fahrzeug- und Maschinenbauhersteller MAN in Augsburg. (Deutschlandradio/Susanne Lettenbauer)
    Hören Sie hier das ganze Interview mit Samuel.
    Morgens um 7 Uhr in der Lehrwerkstatt. Schutzbrillen werden aufgesetzt, Maschinen angeschaltet, Werkstücke eingespannt. An jeder Maschine hängt ein Aufkleber mit dem Namen des Azubis, auch bei einem schwarzhaarigen Jugendlichen. Er stellt sich selbstbewusst vor:
    "Samuel aus Ägypten."
    Seit Kurzem gehört Samuel zu einer Gruppe von 15 Jugendlichen, die bei der Augsburger Firma MAN eine reguläre Ausbildung zum Zerspanungsmechaniker angefangen haben. Vorher hat der 19-Jährige zwei Jahre an der Berufsschule in Augsburg gelernt. Deutschkurs, berufsvorbereitende Kurse, Praktika. Drei unterschiedliche Firmen konnte sich der junge Mann in diesem Zeitraum anschauen. Eigentlich hatte er sich Arbeiten in Deutschland anders vorgestellt:
    "Also mit der Ausbildung dachte ich nicht, dass man das machen muss. In Ägypten braucht man keine Ausbildung machen. Ich hatte es mir so vorgestellt, dass man in die Arbeit geht und lernt, so wird ausgebildet. Aber das System hier in Deutschland find ich schon toll, dass man zur Schule geht und dann praktisch arbeitet."
    Als minderjähriger unbegleiteter Flüchtling kam Samuel vor zwei Jahren nach Deutschland. Als koptischer Christ fühlte er sich wegen seines Glaubens verfolgt in seiner Heimat. An ein Ingenieurstudium, von dem er träumt, war in Ägypten nicht zu denken. Also machte er sich auf den Weg. Sein Ziel will er in Deutschland unbedingt erreichen:
    "Mein Ziel ist es Ingenieur zu werden, dafür möchte ich alles geben, das ich das Ziel erreichen kann."
    Sein Ausbildungsleiter bei MAN, Michael Wojtas, bezeichnet den Azubi aus Ägypten als bestens vorbereitet, hoch motiviert. Er hätte sich gut in die Gruppe integriert, sei anerkannt. Spezielle Kurse oder Rücksicht auf seine Herkunft gäbe es nicht, betont Wojtas:
    "Nein, die werden so behandelt wie alle anderen mit der Ausnahme, wenn sie was nicht verstehen, dann sollen sie nachfragen, aber das ist bei den anderen Azubis auch so, das Berufsleben ist schon was anderes. Die sitzen alle in einem Boot und werden gleich behandelt."
    "Ich werde alles machen"
    Um sofort eventuellen Vorwürfen entgegenzuwirken, die Flüchtlinge würden deutschen Jugendlichen die Lehrstellen wegnehmen, richtete die Firma zwei zusätzliche sogenannte "Überbedarfsstellen" ein.
    "Man muss eins sehen, so eine Ausbildung über drei Jahre kostet regulär 85.000 Euro. Also wir investieren da richtig und wollen hinterher natürlich auch was. Darum wäre es das Allerdümmste, die Leuten wären fertig und würden abgeschoben, ich denke nicht, dass man in Deutschland so dumm sein wird."
    Während die Firmenleitung von einem "Bildungsleuchtturm" spricht, bezeichnet Ausbildungsleiter Huttner die Aufnahme des Flüchtlings als "Pilotprojekt". Von der Handwerkskammer sei ihm versichert worden, dass die sogenannte 3+2-Regelung bald offiziell wird. Heißt: Drei Jahre Ausbildung, zwei Jahre Beschäftigung. In der Zeit darf nicht abgeschoben werden. Doch wer weiß, ob die Firma ihre neue Fachkraft nicht gleich wieder verliert. Vielleicht beteiligen sich deshalb nur 200 der rund 4.500 Firmen der IHK Schwaben an dem Projekt.
    Josefine Staiger betreut den Bereich Ausbildung bei der IHK:
    "In allen Förderprogrammen sind unsere Asylbewerber ausgeschlossen. Die meisten dieser jungen Menschen aus unserem Projekt "Flüchtlinge in Ausbildung" befinden sich noch im Asylverfahren und sind nicht als Flüchtling anerkannt und somit gibt es weder die Förderung mit ausbildungsbegleitenden Hilfen noch die assistierte Ausbildung noch die Förderung des Ausbildungsbetriebes durch den bayerischen Staat."
    Deutschland war das Traumziel des ägyptischen Azubis. Wenn er sich etwas vorgenommen habe, betont Samuel, ziehe er das auch durch. Deshalb sei es für ihn auch keine Frage, ob und wie er die doch recht lange Ausbildung von dreineinhalb Jahren durchhalten wird:
    "Ich werde alles machen. Dreieinhalb Jahre, wenn die Arbeit Spaß macht, das wird nicht lang, das wird schon kurz."