Freitag, 19. April 2024

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Doku "The War On My Phone"
Zwischen Idylle und Bombenkrieg

Syrische Flüchtlinge sind hierzulande in Sicherheit, aber dem Krieg entkommen sie nicht: Ein Dokumentarfilm zeigt, wie die Gewalt sie jeden Tag auf ihrem Handy erreicht - in den Nachrichten von Freunden und Verwandten. "Dieser Spagat ist sehr schwer auszuhalten", sagte Regisseurin Elke Sasse im Dlf.

Elke Sasse im Corsogespräch mit Sigrid Fischer | 27.11.2018
    Szene aus "Nachrichten aus Syrien – The war on my phone": Ein syrischer Häftling erzählt einem geflohenen Bekannten in Deutschland mit Hilfe eines eingeschmuggelten Smartphones aus dem Gefängnis über seine Lebensumstände
    Ein syrischer Häftling meldet sich über ein eingeschmuggeltes Smartphone bei seinem geflohenen Freund in Deutschland (WDR/Berlin Producers)
    Der Krieg in Syrien dauert und dauert, mehr als 400.000 Menschen sind bereits ums Leben gekommen. Laut einem neuen Uno-Bericht werden zunehmend Kinder Opfer von massiver Gewalt. Dennoch wird in Deutschland seit einem Jahr diskutiert, ob beziehungsweise wann der Abschiebestopp nach Syrien aufgehoben werden kann. Innenminister Seehofer lehnt das aktuell noch ab. Dass die hierher Geflohenen zwar der unmittelbaren Lebensgefahr entkommen sind, nicht aber dem Geschehen in ihrer Heimat, zeigt die WDR-Dokumentation "Nachrichten aus Syrien - The War On My Phone" von Elke Sasse. Sie portraitiert vier Menschen in ihrer Zerrissenheit zwischen der Sicherheit, die ihnen ihre Zufluchtsorte in Europa bieten, und den Nachrichten und Videos von Freunden und Verwandten in Syrien, die sie täglich über die sozialen Medien erreichen.
    Dem Krieg entkommen
    "Ich glaube, das ist eine sehr schwierige Situation", sagte Elke Sasse im Dlf, denn einerseits lebten die Geflüchteten in dieser Idylle, seien dem Krieg entkommen, lernten Deutsch und machten ihre ersten Schritte in unserem Land, aber gleichzeitig seien Freunde und Verwandte noch im Kriegsgebiet, die ständig Nachrichten schickten. So pendelten sie hin und her zwischen der neuen Realität und der Sorge um die Leute, die sie zurückgelassen hätten - zum Beispiel um den Freund, der sich über ein eingeschmuggeltes Smartphone aus dem Gefängnis meldet, wo er seit fünf Jahren ohne Anklage saß, inzwischen aber in Sicherheit ist.
    Wir haben noch länger mit Elke Sasse gesprochen - hören Sie die Langfassung des Corsogesprächs
    Unter diesen Umständen gelinge es mal mehr, mal weniger, im Zielland anzukommen, so Sasse. Das Gefühl, nichts tun zu können, versuchten einige zu überwinden, indem sie etwa Geld sammeln oder eine Ausstellung organisieren über die Situation in ihrer Heimat Syrien. Auch lebten die Geflohenen in Europa mit Schuldgefühlen, dass sie es geschafft hätten, die anderen aber in Syrien festsäßen.
    Eine Frage der Perspektive
    Filmisch habe sie ganz bewusst mit Kontrasten gearbeitet, der Zuschauer solle den Spagat zwischen Idylle und der syrischen Realität, den die Protagonisten vollziehen, miterleben. Als Filmemacherin war Elke Sasse auf das Bildmaterial angewiesen, das die Freunde aus Syrien geschickt haben. Damit habe sie Gestaltungsmöglichkeiten aufgegeben, für sie habe dieses Material aber eine unglaubliche Kraft und Nähe, die professionelles Material nicht haben könne. Deshalb funktioniere es für sie in besonderer Weise. Die syrischen Mitarbeiter, die die Situation vor Ort kennen, hätten die Bilder allerdings nicht so schlimm gefunden wie sie selbst. Das sei eben eine Frage der Perspektive.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Die Dokumentation "Nachrichten aus Syrien - The War On My Phone" läuft morgen abend, 23.45 Uhr, im WDR-Fernsehen und steht ab sofort online auf wdr.de.