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Älteste Zeitung Italiens
Zwischen Tradition und Moderne

350 Jahre wird die "Gazzetta die Mantova" und ist damit Italiens älteste Zeitung. Während viele andere lokale Blätter längst aufgeben mussten und die Medien- und Meinungskonzentration immer mehr zunimmt, können die Journalisten der "Gazzetta di Mantova" weitgehend unabhängig weiterschreiben – für Print- und Onlineausgaben. Der spannenden langen Geschichte des Blattes hat die Stadt Mantua, die in der Lombardei im Norden Italiens liegt, eine Ausstellung gewidmet.

Von Thomas Migge | 13.09.2014
    Straßenszene in Mantua, Italien
    Straßenszene in Mantua, Italien (picture-alliance / dpa / Markus C. Hurek)
    "Wir sind die Hauptstadt des italienischen Journalismus, denn immerhin entstand ja hier die älteste Zeitung des Landes. Das sie immer noch existiert und lebendig ist zeigt ja wohl wie sehr bei uns das gedruckte Wort geschätzt wird".
    Nicola Sodano ist Bürgermeister der norditalienischen Kleinstadt Mantua. Eine Stadt voll mit bedeutenden Kunstwerken und mit der Gazzetta di Mantova. Sie entstand als Informationsblatt für Stadt und Landkreis 1664, also vor genau 350 Jahren. Die erste Ausgabe der Gazzetta befindet sich, wie ein Schatz behütet, unter Panzerglas in der Biblioteca Teresiana von Mantua.
    Eine Zeitung, die - bis auf die Jahre des italienischen Faschismus - seit ihrer Gründung Tag für Tag ununterbrochen erscheint. Der Duce ließ die Redaktion schließen, denn dort dachte man anders als er. 1946 begann man wieder mit der Arbeit - als damals offizielles Organ der antifaschistischen Bewegung "Comitato di Liberazione Nazionale". Paolo Boldrini ist Chefredakteur der Gazzetta di Mantova:
    "Die Geschichte dieser Kulturstadt läßt sich dank der Zeitung genau nachverfolgen. Sie entstand mit der Erlaubnis von Karl II. von Gonzaga Nevers, dem damaligen Herrscher bei uns, und wurde anfangs in der Hofdruckerei produziert. Unsere Ausstellung zeigt wie sich das Blatt im Laufe der Zeit verändert hat und sich heute modern präsentiert, aber die Bindungen zwischen Zeitung und Lesern sind nach wie vor sehr eng".
    Das zeigen auch die Zahlen. Die Lokalzeitung verkauft sich mit knapp 42 Tausend Ausgaben pro Tag erstaunlich gut. Von Zeitungskrise oder gar der Gefahr eines Sterbens wie bei zahlreichen anderen italienischen Zeitungen ist bei der Gazzetta keine Rede; erst kürzlich mußte die Ikone der linken Italo-Presse, die l'Unità, wegen Geldmangel dichtmachen.
    Im Gegenteil. Die Eigentümer sind sehr daran interessiert, das Mantovaner Blatt immer attraktiver für seine Leser zu machen. Auch mit viel Geld. Wie viel Geld man in die Zeitung investiert wird nicht verraten. Aber der Eigentümer ist das römische Medienhaus Gruppo Editoriale L'Espresso, zu dem das Wochenmagazin l'Espresso und die auflagenstärkste Tageszeitung Italiens la Repubblica gehören. Ein Medienhaus, das sich auch als kultureller Sponsor versteht und wo man deshalb stolz darauf ist, Italiens älteste Zeitung herauszugeben. Daniela Ferrari, Direktorin des Staatsarchivs von Mantua und Historikerin der Gazzetta:
    "Eine Sache ist die großartige Geschichte dieser Zeitung, eine andere ist die Frage wie sie überleben konnte in einem Land, wo wenig gelesen wird und wo man Tageszeitungen längst nicht den Stellenwert beimisst wie bei Ihnen in Deutschland. Heute präsentiert sich die Gazzetta im Tabloidformat in gedruckter Form und online. Online verfügbar ist das gesamte Archiv").
    Die Gazzetta di Mantova genoss immer einen großen Vorteil: Die meiste Zeit ihrer Existenz hatte sie die Stadt an ihrer Seite. Dazu lokale Geldgeber.Schon früh ging die Zeitung online. Die Print- und die Onlineredaktionen arbeiten eng zusammen. Das zahlt sich aus: Als die Provinz Mantua Ende Juli von verheerenden Hochwassern heimgesucht wurde, versorgte die Zeitung ihre Bürger Minute um Minute mit den aktuellsten Nachrichten. Die gedruckte Auflage stieg während dieser Tage sprunghaft auf 214 Tausend Kopien an.
    Dank des gut betuchten Verlegers konnten Schwesterzeitungen gegründet werden: die Gazzetta in der Stadt Modena, in Carpi, Reggio und Ferrara. Mit Unterstützung des Medienhauses Gruppo Editoriale L'Espresso präsentiert sich Italiens älteste Zeitung mit abwechselnden Beilagen.
    Interessant ist auch, dass sich die Gazzetta di Mantova aktiv für Pressefreiheit und Meinungsvielfalt in Italien einsetzt. Eine Meinungsvielfalt, die durch das Sterben vieler Zeitungen bedroht ist. Konferenzen zum Thema bringen immer wieder Redakteure und Leser zusammen. Es ist wahrscheinlich dieser linksliberale Kurs, der das Blatt bei vielen Lesern so beliebt macht. Es ist nicht links oder rechts oder sonst wie parteigebunden und präsentiert sich gezielt ausgewogen, und auch als Forum, um gegensätzliche Meinungen zu debattieren.