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Ärger an der Humboldt-Uni
Vorerst kein Zentrum für Diktaturforschung

Die geplante Gründung des Interdisziplinären Zentrums für Diktaturforschung an der Humboldt-Universität sorgt für Streit. Beim Antragsteller seien Antidiskriminierung und Diversität nicht gewährleistet, so studentische Mitglieder des Akademischen Senats.

Von Sebastian Engelbrecht | 19.08.2019
Statue von Alexander von Humboldt vor dem Hauptgebäude der Humboldt-Universität in Berlin
An der Humboldt-Universität wird über die Einrichtung eines Zentrums für Diktaturforschung gestritten (Bildagentur-online / picture alliance)
Der Streit um das Interdisziplinäre Zentrum für vergleichende Diktaturforschung schwelt weiter. Aber Sabine Kunst, die Präsidentin der Humboldt-Universität, sieht den Ruf ihrer Hochschule dadurch nicht gefährdet.
"Als Exzellenz-Universität weisen wir uns ja aus über gerade das Wagnis gegenüber Fragen, die nicht in einem mainstream sind, sondern die wissenschaftliches Terrain auch neu ausschreiten."
Der auf Russland spezialisierte Geschichtswissenschaftler Jörg Baberowski wollte ein Zentrum gründen, gemeinsam mit acht Historikern und fünf Juristen. Experten für die Geschichte des Nationalsozialismus, für Diktaturen in Italien, Spanien, Südosteuropa, Lateinamerika und China wollten zusammen mit Staatsrechtlern erforschen, warum und wie Diktaturen entstehen. Die Fakultätsräte der Philosophie und der Rechtswissenschaften stimmten dafür. Es fehlte noch die Zustimmung des Akademischen Senats.
Auszüge aus externem Gutachten veröffentlicht
Anfang Januar twitterte einer von vier studentischen Mitgliedern des Akademischen Senats Passagen aus externen Gutachten der Historiker Ulrich Herbert und Thomas Lindenberger. Beide sahen das geplante Zentrum kritisch. Es sei nicht genügend interdisziplinär und mit zu wenig Kapazitäten für die Forschung ausgestattet.
Kunst: "Es ist zu einer Indiskretion im Umgang von Gutachten gekommen, die über dieses Zentrum für Diktaturforschung vorlagen. Das war etwas, was zu klären war durch die Universitätsleitung und durch den Vorsitz des Senates – und somit auch der Grund überhaupt, das Verfahren auszusetzen."
Die vier Studentinnen und Studenten im Akademischen Senat positionierten sich gegen das Zentrum für Diktaturforschung. Damit war klar, dass der Antrag des federführenden Historikers Baberowski in dem Gremium keine Chance hatte. Die Juristische Fakultät zog ihre Unterstützung für das Projekt zurück. Im Juni wurde im Akademischen Senat lediglich noch festgestellt, der ursprüngliche Antrag sei zurückgezogen worden. Zu den Studentinnen, die das Zentrum nicht unterstützen wollen, gehört Bafta Sarbo. Sie studiert Sozialwissenschaften.
"Es geht natürlich auch um die Person Baberowski, der in der Vergangenheit durch sehr konkret politische Aussagen auch schon aufgefallen ist, zum Beispiel durch Aussagen, die wir als flüchtlingsfeindlich bezeichnen würden. Und in diesem Zusammenhang sehen wir einfach nicht, dass ein Institut, das von Herrn Baberowski maßgeblich politisch gestaltet wird, vereinbar ist mit den Prinzipien, die diese Universität für sich formuliert hat, also Antidiskriminierung und Diversität."
Uni wolle kein negative Schlagzeilen wegen Exzellenzinitiative
Jörg Baberowski dagegen sagt, die Universität müsse ein Ort des "wilden und ungebundenen, unbeschränkten Denkens" sein. Er sieht sein Projekt als gescheitert an - wegen des Widerstands der Studentinnen und Studenten.
"Sie setzen die Universität medial unter Druck, und die Universität ist eingeknickt, weil sie in der Exzellenzinitiative keine Öffentlichkeit brauchte, keine negative Öffentlichkeit - und weil das Projekt und die Wissenschaftsfreiheit für die Universität nicht so wichtig sind wie die Ruhe, die sie gerne haben möchte."
Der Historiker Jörg Baberowski
Historiker Baberowski: Widerstand von Studierenden und Universität (dpa / picture alliance / Carstensen)
Der Historiker vermisst die klare Unterstützung der Leitung der Humboldt-Universität für sein Projekt. Und er bedauert, dass es im Entscheidungsgremium nie zu einer inhaltlichen Diskussion über das Zentrum für Diktaturforschung gekommen ist.
"Es ist eigentlich nur noch das große Gebrüll und das Geschrei, vor dem alle in die Knie gehen. Es braucht nur jemand irgend etwas hinauszurufen in die Welt, was als anstößig gelten kann - sofort knicken alle ein und versuchen, der Sache aus dem Weg zu gehen."
Dagegen betont Gabriele Metzler, die Dekanin der Philosophischen Fakultät, sie habe Baberowskis Vorhaben immer befürwortet.
"Ich habe dieses Institut von Anfang an unterstützt. Ich habe im Fakultätsrat dafür gestimmt, und ich hätte auch im Akademischen Senat sehr dezidiert dafür Stellung bezogen, weil ich das Unternehmen für sinnvoll halte, für wissenschaftlich seriös und obendrein für politisch notwendig."
Keine inhaltliche, sondern eine Verfahrensdebatte
Die Debatte um die Diktaturforschung an der Humboldt-Universität ist im Streit ums Verfahren zum Stillstand gekommen. Die Studentinnen aus dem Akademischen Senat betonen, der Tweet vom Januar mit den Zitaten aus Gutachten sei legitim gewesen. Auch wollen sie den Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen, sie würden mit ihrem Contra die Wissenschaftsfreiheit an der Exzellenz-Universität in Berlin-Mitte gefährden. Die Geschichtsstudentin Juliane Ziegler dreht den Spieß um und richtet ihn auf Jörg Baberowski.
"In dem Moment, in dem man diskriminierte Personen in einer Debatte quasi zur Disposition stellt oder ihre Positionen nur allein deswegen in Frage stellt, weil es zum Beispiel geflüchtete Menschen sind oder Menschen, die eine andere Meinung haben, vielleicht auch zu dem Zentrum, da sehe ich dann die Wissenschaftsfreiheit eher gefährdet als in der Absage an ein Zentrum, das sich nicht klar distanziert von rechtspopulistischen Strömungen."