Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Ärztliche Sterbehilfe im Luxushotel

Die niederländische "Vereinigung für ein freiwilliges Lebensende" will eine Sterbehilfeklinik gründen - das wäre einzigartig in Europa, weil Ärzte - und nicht Laien - den Sterbenden die letzte Hilfe leisten würden. Zudem würden nur Niederländer aufgenommen, um Sterbehilfetourismus zu vermeiden.

Von Kerstin Schweighöfer | 17.02.2011
    Noch ist es nicht soweit, doch schon jetzt wollen sich todkranke Patienten auf die Warteliste setzen lassen, um sich in der geplanten Sterbehilfeklinik einen Platz zu sichern.

    Sie melden sich bei der "Vereinigung für ein freiwilliges Lebensende" NVVE in Amsterdam - der Initiatorin der Sterbehilfe-Klinik:
    2012 will die NVVE die erste Klinik dieser Art eröffnen, mit acht Betten für Menschen, die dort die Möglichkeit bekommen sollen, innerhalb von drei Tagen auf würdige Weise zu sterben, da sie unerträglich und aussichtslos leiden.

    Die geplante Klinik soll eine Alternative sein für Patienten, die eigentlich unter die legale Sterbehilferegelung fallen, aber keinen Hausarzt finden, der ihnen helfen will.

    "Viele begehen deshalb Selbstmord, oft auf grausame Weise", weiß NVVE-Direktorin Petra de Jong. "Wir bieten ihnen einen Ausweg":

    "Jedes Jahr bitten in den Niederlanden rund 10.000 Menschen um Sterbehilfe, nur gut ein Drittel wird erhört, ein weiteres Drittel stirbt, bevor diese Hilfe geleistet werden kann. Und das letzte Drittel, rund 3.500 Menschen bleiben übrig, obwohl sie unter die gesetzlichen Kriterien fallen. Wir gehen davon aus, dass sich von ihnen rund 1000 pro Jahr in unserer Klinik melden werden."

    Seit der Liberalisierung des Sterbehilfeparagrafen 2002 sehen viele Niederländer Sterbehilfe als eine Art von Recht, auf das sie pochen können – doch nicht alle Ärzte sind gewillt, sie zu leisten. Ganz besonders zurückhaltend sind die Mediziner, wenn es um Alzheimerpatienten geht oder um chronisch kranke Psychiatriepatienten – obwohl ihnen das Gesetz auch in diesen Fällen die Möglichkeit gibt, Sterbehilfe zu leisten, betont NVVE-Direktorin de Jong:

    So etwa kam es 2009 zu lediglich 12 Fällen von Sterbehilfe bei Demenzkranken. Auch von der Möglichkeit, schriftliche Sterbehilfeerklärungen zu akzeptieren, machen die Ärzte keinen Gebrauch: Seit Inkrafttreten der Regelung 2002 ist das nur ein einziges Mal der Fall gewesen.
    Bei den rund 3000 Sterbehilfefällen pro Jahr geht es fast ausschließlich um Krebspatienten im Endstadium. Doch selbst in solchen Fällen sagen die Ärzte manchmal nein. Und dabei geht es nicht nur um jene 17 Prozent aller niederländischen Ärzte, die Sterbehilfe prinzipiell ablehnen:

    "Diese 17 Prozent sind nicht das Problem, da weiß der Patient genau, woran er ist. Das Problem sind jene Ärzte, die das eine Mal Sterbehilfe leisten und das andere Mal nicht und deren Willkür der Patient ausgesetzt ist."

    Die NVVE rechnet damit, dass es vor der Klinik zu Demonstrationen kommen wird, so wie vor Abtreibungskliniken. Allein schon das Bekanntwerden der Pläne hat in den Niederlanden eine gesellschaftliche Diskussion ausgelöst: Auf den Meinungsseiten der Zeitungen lassen Sterbehilfegegner ihren Bedenken freien Lauf, in TV-Magazinen erzählen Angehörige von Suizidopfern, wie sehr eine solche Klinik zu einem würdigeren Tod hätte beitragen können.

    Der niederländische Ärzteverband KNMG hat bereits angekündigt, vehement gegen das Einrichten einer Sterbehilfe-KIinik zu protestieren.

    Die mangelnde Bereitschaft der Ärzte, Sterbehilfe zu leisten, sei zwar ein Problem, erkannte KNMG-Direktor Lode Wigersma. Aber, so betonte er, Sterbehilfe sei kein Recht, niemand könne einen Arzt dazu verpflichten. Wigersma warf der NVVE vor, zu sehr auf den Tod fixiert zu sein, man müsse die Patienten sorgfältig begleiten und ihnen Alternativen bieten, anstatt sie innerhalb von nur drei Tagen sterben zu lassen.

    NVVE-Direktorin de Jong hingegen betont, sich genaustens an die gesetzlichen Vorschriften zu halten.
    Bei der NVVE haben sich bereits Sponsoren gemeldet sowie Ärzte und Pflegepersonal, die in der Klinik arbeiten möchten; auch vonseiten der Versicherungen werden keine Probleme erwartet. Inzwischen wurde der NVVE sogar bereits ein geeigneter Ort angeboten: ein leer stehendes Luxushotel.