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Äthiopische Exzellenzinitiative

Paläoanthropologie. - Bis 1974 spielte Äthiopien keine wichtige Rolle als Fossilienquelle in der Humanevolution. Doch mit der berühmten Lucy und mit Ardi hat sich das geändert. Äthiopien ist dabei, den traditionellen Schwerpunkten der afrikanischen Paläoanthropologie den Rang abzulaufen.

Von Michael Stang | 16.04.2010
    Am besten könne man den Status der Paläoanthropologie in Äthiopien mit den afrikanischen Langstreckenläufern vergleichen, sagt Tim White von der Universität von Kalifornien in Berkeley. Über viele Jahre hinweg gab es keine erfolgreichen Läufer, aber irgendwann tauchten sie bei Olympia auf und gewannen immer mehr Medaillen und heute dominieren sie diese Disziplin.

    "Und genauso verhält es sich in der Paläoanthropologie. Früher waren Kenia und Tansania die Zentren für diesen Forschungszweig. Dort wurde aber nicht in die lokale Infrastruktur investiert, ebenso wurden keine lokalen Wissenschaftler ausgebildet. Forschung war da nur etwas, was von außen kam und leider sind bei Ausgrabungen dann auch noch Fossilien außer Landes gebracht worden."

    Seit knapp 20 Jahren kommt der US-amerikanische Paläoanthropologe regelmäßig in das ostafrikanische Land, um entlang des Flusses Awash nach den Zeugnissen früher Menschen zu suchen. Der mittlere Flussteil ist heute eine Steinwüste. Dort haben sich in den vergangenen sechs Millionen Jahren immer wieder Sedimente mit den Überresten einzigartiger Pflanzen, Tiere und Menschen angesammelt. Im Rahmen des Middle Awash Projects entdeckten Tim White und seine Kollegen in den vergangenen Jahren zahlreiche Fossilien verschiedener Frühmenschen. Der Erfolg in Äthiopien sei im Gegensatz zu der Arbeit in den anderen afrikanischen Ländern aber weniger auf das ausländische Geld oder die externe Expertise einzelner Wissenschaftler zurückzuführen. Von Anfang an wollten Tim White und seine Kollegen nicht nur forschen, sondern auch lokale Wissenschaftler ausbilden.

    "In Äthiopien wurden junge Wissenschaftler seit jeher integriert, wie hier in Middle Awash. Dort sehen wir nunmehr die dritte Generation an äthiopischen Forschern, die ihre eigenen Projekte haben und neue Ausgrabungsgebiete erforschen. Äthiopien hat sich zu einer Art Vorzeigemodell für ganz Afrika entwickelt. Vor kurzem waren Behane Asfaw und ich in Südafrika eingeladen, um über infrastrukturelle Entwicklungen und Ausbildungsmöglichkeiten für Wissenschaftler zu referieren – in einem hoch entwickeltem Land, das so reich an Fossilien ist; sogar der erste Australopithecus wurde in Südafrika gefunden."

    Beharne Asfaw ist einer der Co-Direktoren des Middle Awash Projects. Der äthiopische Anthropologe sieht den Erfolg der Ausgrabungen vor allem in der zunehmenden Expertise der Teammitglieder.

    "Früher waren wir bei Ausgrabungen nur eine Handvoll Leute und es war kaum ein richtiger Wissenschaftler darunter. Aber heute ist es eine große und gut ausgebildete Mannschaft. Die Forscher kommen aus Frankreich, Spanien, England, der Türkei, aus Mexiko und Japan. In dem internationalen Team arbeiten auch viele Äthiopier und alle profitieren von der Vielfalt. Ich glaube, das ist der Grund für unseren Erfolg."

    Dadurch sei es heute viel wahrscheinlicher als früher spektakuläre Fossilien wie Ardi zu finden - das 4,4 Millionen Jahre alte Skelett der Art Ardipithecus ramidus, dessen Beschreibung das Fachmagazin "Science" als wissenschaftlichen Durchbruch des Jahres 2009 würdigte. Die sensationellen Fossilienfunde könne man als Motor für diesen Forschungszweig betrachten, fügt Berhane Asfaw hinzu. Der Erfolg sei auch auf Seiten der Hochschulen zu spüren.

    "Vor kurzem wurde hier an der Universität in Addis Abeba ein Fachbereich für Humanevolution eröffnet. Ich hoffe, dass die neuen Studenten von unserer Arbeit profitieren werden, denn wir haben unglaublich viele Fossilien und einzigartige Zeugnisse aus der Frühzeit des Menschen. Für die Zukunft sind wir gut aufgestellt."

    Hinweis: Mehr über die Paläoanthropologie in Äthiopien erfahren Sie in Wissenschaft im Brennpunkt am Sonntag, 18. April, 16:30 Uhr.