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Zucker marsch!

Bei Expeditionen ins All besteht das Problem der Energieversorgung: Batterien sind irgendwann verbraucht, Nukleargeneratoren bergen ein Risiko, wenn beim Start etwas schiefgehen sollte. US-Wissenschaftler wollen nun eine Bakterienart mit auf die Reise nehmen und ihre verstoffwechselten Abfallprodukte als Antrieb einsetzen.

Von Guido Meyer | 23.01.2012
    So haben sich regelmäßig die beiden amerikanischen Mars-Rover Spirit und Opportunity per Funk auf der Erde gemeldet. Auch wenn sie ihre Lebenszeit um ein Vielfaches überschritten haben, bleibt ein Problem: Nachts und in den Wintermonaten können sie keine Daten liefern. Es ist dann schlicht keine ausreichende Sonnenstrahlung für die Solarzellen der beiden Fahrzeuge vorhanden, die den Strom erzeugen. Doch womöglich könnten Roboter auf fernen Welten bald unabhängig von der Sonne Energie gewinnen – auf biologischem Weg.

    "Eine Bio-Brennstoffzelle funktioniert so ähnlich wie eine Batterie. Es gibt eine Anode und eine Kathode. Wir benutzen Bakterien, denen Zuckermoleküle als Nahrung dienen. Als Produkt dieses Stoffwechsels scheiden sie Elektronen aus. Diese werden zur Kathode geleitet, wo sie entweder eine Batterie laden oder direkt elektrische Systeme versorgen."

    Gregory Scott ist Ingenieur in der Abteilung für Weltraumrobotik des US-amerikanischen Naval Research Laboratorys (NRL) in Washington, D.C. Mit seinem Team hat er Bakterien vom Typ Geobacter sulfurreducens als Basis für künftige Antriebssysteme durchs und im All getestet. Die Mikroorganismen sind genügsam, ungefährlich und effizienter als beispielsweise Lithium-Ionen-Batterien, die eine geringere Lebensdauer haben und bei Defekten auch schon mal explodieren können. Auf Bojen in Flüssen und in Ozeanen sowie als Antrieb für kleine Rover an Land haben die Marine-Forscher dieses Prinzip bereits getestet – nun soll es hinaus ins All gehen.

    "Eine Bio-Brennstoffzelle könnte jede denkbare Form von Raumsonden oder Erkundungsrobotern antreiben. Wir beschäftigen uns jedoch vor allem mit hüpfenden Vehikeln und solchen mit Spinnenarmen, die sich gehend fortbewegen. Sie haben den Vorteil, dass der Treibstoff – also die Zuckerlösung – dabei ständig durchgeschüttelt wird. Dies erleichtert die Trennung von verbrauchten, ausgeschiedenen Zuckerresten und frischem Treibstoff. Die bakterielle Brennstoffzelle arbeitet so insgesamt effektiver."

    Billig ist ein solches System, und leicht: Nur ein Kilogramm würde ein einfacher Roboter wiegen, ganz gleich, ob er geht, rollt oder springt. Da die Bio-Brennstoffzelle keine Rohstoffe wie Sauerstoff aus der Atmosphäre des entsprechenden Himmelskörpers gewinnen muss, blieben die Bakterien während der gesamten Missionsdauer hermetisch abgeriegelt. Somit wäre auch eine Kontaminierung fremder Welten mit irdischen Bakterien ausgeschlossen. Für ihren Stoffwechsel spielt es keine Rolle, ob sie während der Flugphase der Schwerelosigkeit ausgesetzt sind oder ob sie der Gravitation eines Himmelskörpers unterliegen. Derzeit entwickelt das Naval Research Laboratory die ersten Prototypen; in vielleicht zehn Jahren sollen erstmals interplanetare Sonden damit aufbrechen ins Sonnensystem – und vielleicht darüber hinaus, hofft Gregory Scott:

    "Da sich die Bakterien selbst reproduzieren, würde diese Kolonie ewig leben – vorausgesetzt, es gibt genügend Vorrat an Zucker. Ein derart angetriebenes Raumschiff könnte extrem weite Strecken zurücklegen. Mit einem solchen System sind die Reisemöglichkeiten durch den Weltraum im Prinzip unbegrenzt."

    Lediglich die kosmische Strahlung könnte schädlich für die Bakterien sein, zu Mutationen führen oder sie gar umbringen. Hier wollen die Forscher bei ersten Praxis-Tests im Weltraum womöglich auf einen resistenteren Bakterientyp ausweichen für künftige Langzeitmissionen durch's All.