Neu im Kino: "Und morgen die ganze Welt"

Eine Antifaschistin radikalisiert sich

07:45 Minuten
Eine junge Frau wird von mehreren vermummten Polizisten bedrängt und festgehalten. Sie hat ein ernstes Gesicht.
Engagement und Repression: Luisa (Mala Emde) schließt sich der Antifa-Bewegung an und kommt auch mit der Staatsmacht in Konflikt. © picture alliance/dpa/Venice Film Festival/AP Photo/Oliver Wolff
Von Patrick Wellinski · 28.10.2020
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Eine Jurastudentin schließt sich einer Antifa-Gruppe an, um gegen den Rechtsruck zu kämpfen. In der Gruppe gibt es bald Streit, wie weit der Kampf gegen Nazis gehen darf. Julia von Heinz‘ Film geht ins Rennen um den Auslandsoscar.

Worum geht es?

Luisa studiert im ersten Semester Jura und will sich einer Antifa-Gruppe anschließen, die gegen den Rechtsruck im Land vorgehen möchte. Sie zieht gemeinsam mit ihrer Schulfreundin Bette sogar in die Kommune der Antifa-Gruppe.
Mit der Zeit verliebt sich die aus wohlhabendem Hause stammende Luisa in den Anführer der Gruppe Alpha. Als die beiden vermuten, dass eine rechtsradikale Gruppe Kontakte bis in den Staatsapparat aufweist, werden die Aktionen von Alpha und Luisa immer radikaler.

Was ist das Besondere?

Julia von Heinz beschäftigt sich sehr intensiv mit den gruppendynamischen Prozessen innerhalb der Antifa-Gruppe. Der Kampf gegen Rechts erfährt so einen interessanten ideologischen Zugang.
Die Regisseurin kritisiert die immer radikaleren Motive des Anführers Alpha, hinterfragt den bürgerlichen Background von Luisa und führt durch die Figur des Alt-Linken Dietmar die großen Systemfragen in den Plot. Das verleiht "Und morgen die ganze Welt" einen hohen Grad an Authentizität, den die tollen Schauspieler auch in ihre Figurenkonflikte überführen.

Bewertung

Julia von Heinz’ Film hat das Herz am richtigen Fleck. Es ist ein engagiertes und politisch sehr waches Kino. Figuren mit derartig ausgearbeiteten politischen Idealen findet man gerade im jungen deutschen Film mittlerweile selten. Auch die Fragen nach den Unterschieden zwischen der neuen und alten Linken hat das Werk im Blick.
Bei allem Engagement wäre allerdings eine ausgefeiltere Form zu wünschen gewesen. Dem Film fehlt ein ästhetischer Zugang zu seinem Thema, was "Und morgen die ganze Welt" streckenweise in einen biederen TV-Realismus kippen lässt.

Und morgen die ganze Welt
Drama, Deutschland 2020
Regie: Julia von Heinz
mit Mala Emde, Luisa-Celine Gaffron, Noah Saavedra, Andreas Lust
Länge: 111 Minuten

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