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AfD im Bodenseekreis
Ein Kreisverband im Verborgenen

Der Kreisverband der AfD im Bodenseekreis soll für seine stellvertretende Vorsitzende Alice Weidel eine Großspende von 130.000 Euro angenommen haben. In der Region treten die Mitglieder öffentlich jedoch kaum in Erscheinung - aus Angst vor Übergriffen, heißt es.

Von Thomas Wagner | 20.11.2018
    Die Spitzenkandidatin der Partei Alternative für Deutschland (AfD), Alice Weidel
    Alice Weidel ist stellvertretende Vorsitzende des Kreisverbandes der AfD im Bodenseekreis. (dpa/Soeren Stache)
    "Also ich habe einfach gegoogelt nach der AfD-Bodenseekreis: Und dann öffnet sich die Seite. Oben links haben wir als erstes eine Videobotschaft von Alice Weidel. Gehen sie morgen unbedingt wählen vom 23.9.2017."
    Martin Hennings wundert sich. Der Leiter der Lokalredaktion Friedrichshafen der Schwäbischen Zeitung hat in den vergangenen Tagen, als es während der Meldungen über Parteispenden aus der Schweiz so richtig hektisch wurde, immer mal wieder die Website des Kreisverbandes geöffnet. Keine einzige Meldung dort bezieht sich auf 2018."
    "Also wenn ich hier diese Homepage anschaue, dann erkennt man, dass da nicht sehr viel passiert. Das deckt sich auch mit der Wahrnehmung, die wir hier von der Arbeit hier vor Ort haben: Wir nehmen nicht wahr, dass AfD-Mitglieder bei Veranstaltungen auftauchen. Also es gibt ja den klassischen Neujahrsempfang der Stadt, bei der Abgeordnete eingeladen werden. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich Frau Weidel hier nach der Bundestagswahl nochmals gesehen habe im Bodenseekreis."
    Kaum Aktivitäten in der Region
    Und das, obwohl Alice Weidel als Abgeordnete aus dem Wahlkreis am Bodensee in den Bundestag gewählt wurde. Doch der AfD-Kreisverband, dessen Vorstand sie als stellvertretende Vorsitzende angehört, trat außerhalb des Bundestagswahlkampfes öffentlich so gut wie nie in Erscheinung.
    Stimmen aus Friedrichshafen: "Ich habe nichts gesehen, nichts gehört, außer, was jetzt in der Presse stand mit diesen Parteispenden. Nichts mitbekommen bis jetzt."
    "AfD – über die AfD kann ich Ihnen nichts sagen."
    "Also so arg viel weiß man ja nicht von denen. Das weiß ich nicht, was sie vor Ort machen. Ich habe nur gehört, dass sie im Sommer mal in Überlingen ein Schiff gechartert haben, ohne zu sagen, was los ist. Und draußen auf dem See haben sie sämtliche AfD-Fahnen rausgeholt. Und dann hat der Kapitän das verboten. Sie haben nicht gesagt, wer sie sind – erst, als sie auf dem Wasser waren. Aber die Fahnen haben sie wegtun müssen."
    So gut wie keine öffentlichen Aktivitäten vor Ort: Das wirft die Frage auf, was es überhaupt auf sich hat mit dem AfD-Kreisverband Bodenseekreis. Thilo Rieger, Pressesprecher des AfD-Landesverbandes, versucht sich mit einer Erklärung:
    "Wenn wir in kleinem Rahmen Veranstaltungen bei privaten Hallen oder Gaststättenbetreibern für Veranstaltungen aufführen, wollen wir natürlich, wenn wir das öffentlich bewerben, teilweise bedroht werden durch die Antifa. Die Gastwirte und Hallenbetreiber werden bedroht. Und dadurch ergibt sich immer ein Problem, dass wir kein Unterkommen finden."
    Veranstaltungen werden nicht öffentlich beworben
    Deshalb würden Veranstaltungen nicht öffentlich beworben, sondern viel mehr über "Mund-zu-Mund-Propaganda" angekündigt. Häufig treffe man sich auch in privaten Räumlichkeiten. Denn: "Wenn wir in öffentliche Gebäude gehen, die wir jederzeit bekämen, haben wir natürlich das Problem, dass wir aufgrund dieser Drohungen gegenüber den Betreibern wie Städten und Kommunen natürlich in Zusammenarbeit mit der Polizei natürlich auch ein Sicherheitskonzept vorlegen müssen, was mit Kosten verbunden wird. Und das ist für einen kleinen Kreisverband , der einfach vor Ort Arbeit macht, finanziell einfach nicht finanziell zu stemmen."
    Trotz der Großspende aus der Schweiz, die der AfD-Kreisverband allerdings einige Wochen später wieder zurücküberwiesen hat. Für den erfahrenen Lokalredakteur Martin Hennings von der "Schwäbischen Zeitung", ist eines jedoch klar: Im Mai 2019 stehen in Baden-Württemberg Kommunalwahlen an. Und dann werden auch AfD-Kandidaten auf den Listen stehen – und das, obwohl sich die AfD nach seiner Beobachtung für die Themen der kommunalen Politik bislang überhaupt nicht interessiert hat: "Es gibt ja hier einige Dinge: Straßenverkehr, Bahnverkehr, Flughafen – ich kann mich nicht erinnern, dass sich die AfD Bodenseekreis mal zu einem dieser Themen inhaltlich geäußert hätte."
    Dass AfD-Vertreter im kommenden Frühjahr erstmals den Sprung in den Kreistag und in den einen oder anderen Gemeinderat schaffen werden, ist für den erfahrenen Lokalredakteur Martin Hennings gleichwohl sicher. Begründung: "Ich denke, dass es reicht, wenn die drei Buchstaben auf dem Zettel stehen."