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AfD-Wahlerfolg
"Besorgniserregende Situation"

Nach den Wahlerfolgen der AfD herrscht in der CDU Verunsicherung. Die Union müsse ihr marktwirtschaftliches Profil dringend wieder stärken, sagte der Präsident des CDU-Wirtschaftsrats, Kurt Lauk, im Deutschlandfunk. Die Wählerschaft von CDU und FDP schmelze dahin. Der Trend dürfe sich nicht fortsetzen.

Kurt Lauk im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 16.09.2014
    Kurt Lauk, Präsident des Wirtschaftsrates der CDU
    Kurt Lauk, Präsident des Wirtschaftsrates der CDU (dpa / picture-alliance / Hannibal Hanschke)
    Der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates geht nach den Wahlerfolgen der Alternative für Deutschland (AfD) bei den Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg mit seiner Partei hart ins Gericht. Das marktwirtschaftliche Profil sei vernachlässigt worden, sagte er im Deutschlandfunk. "Man muss konservative Wähler wieder überzeugen." Das bürgerliche Lager stecke seit der Bundestagswahl "machtstrategisch in einer besorgniserregenden Situation".
    Lauk sagte weiter, das Phänomen einer großen Koalition sei, dass die Ränder links und rechts stärker würden. Die Union müsse den Menschen nun klar machen, dass der Wohlstand nur mit offenen Märkten und in der EU aufrecht erhalten werden könne. Eine Zusammenarbeit mit der AfD schloss er aus. "Es geht nirgends um Koalitionen mit der Afd", sagte er. Die AfD sei keine Partei, mit der zusammengearbeitet werden könne.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk-Oliver Heckmann: Damit sind wir beim Thema: bei der AfD, einer der Gewinnerinnen der beiden Landtagswahlen von Sonntag. Zweistellige Ergebnisse hat man da ja eingefahren. Der konservative Berliner Kreis der CDU, der mahnte bereits eine Kurskorrektur an. Auch der Versuch, die AfD totzuschweigen, sei gescheitert. Darin ist man sich offenbar einig. Am Telefon begrüße ich dazu Kurt Lauk, den Präsidenten des Wirtschaftsrats der CDU. Er ist auch Mitglied im Bundesvorstand der CDU Deutschlands. Schönen guten Morgen, Herr Lauk.
    Kurt J. Lauk: Guten Morgen, Herr Heckmann.
    Heckmann: Die bisherige Strategie gegen die AfD ist gescheitert. Darin sind sich offenbar alle einig. Angela Merkel lässt sich jetzt mit den Worten zitieren, die beste Antwort auf die AfD sei gute Regierungsführung. Sehen Sie das auch so?
    Lauk: Zunächst einmal ist die Strategie des Ignorierens in der Tat gescheitert. Wir haben im Moment das Phänomen, dass am Rande unseres politischen Spektrums, des demokratischen Spektrums, zwei Parteien Höhenflüge habe. Das ist einmal die AfD und auf der anderen Seite die Linkspartei. Und beide Parteien haben in ihren Programmen Forderungen, die einem breiten Konsens in unserer Gesellschaft eindeutig widersprechen. Das eine Thema ist bei der AfD "raus aus dem Euro". Mehr kann man eigentlich dem gemeinsamen Markt und dem Wohlstand in der Bundesrepublik, wenn man das täte, nicht schaden. Und auf der anderen Seite gibt es die Linkspartei, die sagt "raus aus der NATO", jegliche Auslandseinsätze, Bundeswehr weg und Mindestlohn auf zehn Euro etc. etc. Also den Wohlfahrtsstaat ausbauen auch mit Schulden. Beides geht eigentlich nicht. Wir müssen hier überlegen – und das ist ein Phänomen einer Großen Koalition -, dass die Ränder einfach stärker werden.
    Heckmann: Die Frage ist allerdings, Herr Lauk, wie soll man der ganzen Sache begegnen. Der konservative Berliner Kreis, der sagt ja, die CDU, also Ihre Partei, habe ohne Not das Feld aufgemacht.
    "Die konservativen Wähler wieder überzeugen"
    Lauk: Zunächst mal muss die Union in der Tat ihr marktwirtschaftliches Profil wieder dringend stärken. Das hat sie vernachlässigt in der letzten Zeit. Man muss auch die konservativen Wähler wieder überzeugen, dass sie bei der CDU am besten aufgehoben sind. Und das bürgerliche Lager ist seit der Bundestagswahl machtstrategisch in einer Besorgnis erregenden Situation. Trotz den schönen Achtungserfolgen von Christine Lieberknecht und Stanislaw Tillich müssen wir feststellen, dass die Wählerschaft von CDU und FDP abgenommen hat. Die schmälzen sozusagen weg, sowohl in Thüringen wie in Sachsen, und der Trend darf nicht fortgesetzt werden in anderen Ländern der Bundesrepublik.
    Heckmann: Und damit fehlt Ihnen auch ein möglicher wichtiger Koalitionspartner, nämlich die FDP?
    Lauk: Die FDP ist vernichtend geschlagen worden in diesen Ländern und wir müssen hier auch helfen, das Programm der FDP wieder zu klären und zu stabilisieren. Das ist im Moment einfach nicht der Fall.
    Heckmann: Das heißt, Sie hoffen tatsächlich, dass die FDP noch mal ein Comeback bekommt?
    Lauk: Wir haben, wenn wir daran denken, im nächsten Jahr, Anfang '16, Entschuldigung, Wahlen in Baden-Württemberg, wo traditionell die FDP am stärksten war. Mit Themen wie Rente, Mindestlohn, Energiewende kann sie durchaus punkten.
    Heckmann: Kommen wir mal weg von der FDP und zurück zur AfD. Sie haben gerade gesagt, Herr Lauk, die CDU, die müsse ihr marktwirtschaftliches Profil wieder stärken. Jetzt ist es ja so, dass viele Wählerinnen und Wähler der AfD Angst haben, zumindest Sorge haben, nämlich dass die Deutschen für die europäischen Schuldenländer in Europa zu zahlen haben. Man hat Angst vor Ausländerkriminalität, vor unkontrollierter Zuwanderung. Sie fordern jetzt als Rezept mehr Marktwirtschaft, also auch mehr Unsicherheit. Kann denn das das richtige Rezept sein, um die Wähler wieder zurückzugewinnen?
    Wohlstand mit offenen Märkten halten
    Lauk: Mit Sicherheit. Wir müssen den Menschen klar machen, dass unser Wohlstand, den wir uns erarbeitet haben, nur gehalten werden kann mit offenen Märkten und nicht mit Abschottung. Das gilt auch für die Migrationspolitik. Allerdings ist ein Punkt sehr wichtig. Wir haben keine vernünftige durchdachte Immigrationspolitik in der EU. Das ist dringend notwendig, dass die jetzt auf den Tisch kommt und dann auch durchgesetzt und umgesetzt wird.
    Heckmann: Das heißt, Sie unterstützen jetzt die Versuche, die von Seiten der CSU und auch von Seiten des Bundesinnenministeriums unternommen werden, die Asylpolitik auf die Agenda zu setzen? Setzt die CDU jetzt nach dem Erfolg der AfD verstärkt auch auf Ressentiments gegen Ausländer?
    Lauk: Mit Sicherheit nicht. Darum geht es gar nicht. In Europa geben wir 50 Prozent der weltweiten Sozialleistungen aus. Dass das ein Anziehungspunkt ist für Sozialwanderung, die reindrückt nach Europa, ist doch eigentlich klar. Wir müssen uns nur überlegen, wie wir das so regeln, dass wir denen Geld geben, die es wirklich brauchen, und nicht denen, die den Sozialstaat bei uns ausnutzen wollen. Hier müssen wir, aber das ist schon eine alte Forderung. Das hat mit dem aktuellen Erfolg der AfD eigentlich gar nichts zu tun.
    Heckmann: Was aktuell und neu ist, ist allerdings die Forderung von Seiten der CSU, wieder Grenzkontrollen gegenüber Italien einzuführen.
    Lauk: Das ist natürlich im Moment völliger Unsinn. Ich sage mal, wir können Europa nicht wieder abschotten. Da gibt es bessere Rezepte, offen mit diesen Themen umzugehen.
    Heckmann: Noch mal zurückzukommen auf Ihren Punkt, dass das marktwirtschaftliche Profil innerhalb der Union gestärkt werden soll. Jetzt ist es ja so, dass die aktuelle Regierungspolitik ein bisschen in die andere Richtung ganz offenbar geht. Ich nenne mal die Schlagworte Mindestlohn, Rente mit 63, Mütterrente. Das sind alles Punkte, die Ihnen gar nicht in den Kram passen. Aber es sind Dinge, die Sicherheit versprechen, und Sie sind dagegen, dieses Sicherheitsversprechen auszusprechen.
    Lauk: Einmal haben wir als Wirtschaftsrat uns dagegen ausgesprochen, das haben Sie zu Recht hervorgehoben, weil wir glauben, dass damit beim Mindestlohn beispielsweise die Arbeitslosigkeit steigt, insbesondere in den neuen Ländern, weil wir sehen da jetzt auch einen Effekt bei der AfD. Die haben das wahrscheinlich gemerkt, dass die Marktwirtschaft so funktioniert. Wir müssen deshalb den Versuch machen, den Menschen zu erklären, dass Freiheit und Marktwirtschaft zusammen gehören. Gerade in der DDR haben die Menschen doch gemerkt, dass ohne Marktwirtschaft es auch keine Freiheit gibt. Dass Freiheit mit Risiken verbunden ist, selbstverständlich, aber dafür haben wir ja auch in der Republik ausreichende soziale Gesetzgebungen, die die Menschen auffangen, wenn sie unverschuldet in Not geraten.
    Heckmann: Zum Umgang mit der AfD, darüber wird ja in der Tat diskutiert, wie genau begegnet man in der Partei Volker Kauder? Der hatte ja die Linie ausgegeben, nicht mit der AfD zu diskutieren, auch nicht in Talkshows. Jetzt schließt die CDU weiterhin mögliche Koalitionen mit der AfD aus. Macht man damit den nächsten Fehler, denn das Schmuddelkind-Image, das macht die AfD doch so richtig stark, oder?
    Lauk: Zunächst mal: Es geht nirgends um Koalitionen mit der AfD. Die AfD ist noch keine Partei, mit der verlässlich gearbeitet werden kann. Und vor allem: Wir können nicht als CDU, als Europapartei – und da stehen wir als Wirtschaftsrat voll dahinter – sagen, wir gehen aus dem Euro raus. Das ist eine zerstörerische Kraft, die eigentlich unvorstellbar ist. Das muss man den Menschen klar machen, dass hier die europäische Idee nicht nur eine Maschinerie ist, sondern immer auch eine Bewegung ist, die uns sicherer macht insgesamt und uns Wohlstand verschafft. Auf der anderen Seite dürfen wir jetzt nicht so tun, dass auf der anderen Seite des politischen Spektrums, was genauso schädlich ist wie Die Linke, wir jetzt plötzlich in eine Diskussion kommen, dass wir sagen, Die Linke ist hoffähig, aber die AfD ist nicht hoffähig, und die SPD macht munter Koalitionen mit den Linken. Hier ist eine totale Verschiebung des politischen Spektrums im Gange, gegen die wir uns entschieden wehren müssen.
    Heckmann: Wir werden die Entwicklung weiter beobachten, wie die Union in Zukunft mit der AfD umgeht. Wir haben darüber gesprochen mit dem Präsidenten des Wirtschaftsrats der CDU, mit Kurt Lauk. Herr Lauk, ich danke Ihnen für das Gespräch!
    Lauk: Vielen Dank, Herr Heckmann! Schönen Tag.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.