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Wohnungsnot
Notfallschlafplätze werden von Studierenden kaum genutzt

Jedes Jahr zu Studienbeginn herrscht in vielen Hochschulstädten große Wohnungsnot. Alleine beim Deutschen Studentenwerk standen zu Beginn des Wintersemesters 2018/2019 rund 30.000 Studierende auf der Warteliste für einen Wohnheimplatz. Kurzfristig eingerichtete Notfallunterkünfte stehen aber leer.

Von Wolf-Sören Treusch | 28.11.2018
    Interessenten betreten am 11.10.2017 in München (Bayern) ein Mehrfamilienhaus um an einer Wohungsbesichtigung teilzunehmen.
    Zu lange Warteschlangen für wohnungssuchende Studierende (picture alliance / Tobias Hase )
    Die Tapete hat Flecken, die Fliesen bröckeln, ein offenes Abwasserrohr ragt aus der Wand. Oliver Dierolf steht in einer fast leer geräumten Zwei-Zimmer-Wohnung in einem Wohnheim nahe dem Potsdamer Platz in Berlin. Sechs Matratzen verteilen sich auf dem Boden, nur eine ist belegt.
    "Ich bin alleine hier, weil niemand sonst das Angebot wahrnimmt."
    Kein Ort zum Wohlfühlen
    Das studierendenWERK Berlin hält den Notfallschlafplatz bereit. Oliver Dierolf nahm das Angebot gern an. Denn er beschloss sehr kurzfristig, ein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Humboldt-Universität aufzunehmen. Als er Anfang des Monats nach Berlin kam, war klar: auf die Schnelle würde er keine Wohnung finden. Diese Unterkunft sei zwar kein Ort zum Wohlfühlen, sagt er, aber wenigstens schön warm.

    "Ich muss dankbar sein, dass es das gibt im Endeffekt. Ich kann es nicht vergleichen, es ist eine sanierungsbedürftige Wohnung, in der man quasi einen Tisch in die Küche macht, ohne dass eine Küchenzeile da ist. Im Bad ist zwar warmes Wasser da und eine Dusche, aber kein Spiegel, das ist natürlich spartanisch. Na ja, aber ich beklage mich nicht, vom Preislichen her ist es natürlich sehr schön, sehr gut."
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    Oliver Dierolf, BWL-Studierender an der Humboldt-Uni Berlin, in einer Notfallunterkunft (Wolf-Sören Treusch)
    Fünf Euro die Nacht bezahlt er für die Unterkunft. Angesichts der Wohnungsnot in Berlin überrascht es, dass die anderen fünf Matratzen leer bleiben. Zuletzt spielte man in der Hauptstadt mit dem Gedanken, die teilweise leer stehenden ‚Modularen Unterkünfte für Flüchtlinge’ für die Studierenden bereit zu stellen. Wenigstens auf Zeit. Von Berlins Sozialsenatorin kam dazu allerdings ein klares Nein. Wir brauchen die Unterkünfte für Flüchtlinge, sagt sie. Punkt, Ende.
    Kaum genutzt
    Einen Notfallschlafplatz jedenfalls benötigten nur wenige Studierende, bestätigt Jana Judisch vom studierendenWERK Berlin.
    "Aktuell ist es so: 50 Plätze sind vorgehalten, nur zwei sind belegt. Wir merken auch, dass die Studierenden sagen, zu Recht, das ist ihnen keine schöne Lösung. Dann nutzen sie doch die Möglichkeiten, die sie haben. Die meisten wohnen dann auch lieber bei Freunden, als bei uns in die Besenkammer zu ziehen. Das kann man irgendwo auch nachvollziehen."
    Deshalb will das studierendenWERK die Notfallschlafplätze auch nur bis zum Ende des Monats anbieten. Dann sollen einige der Wohnungen, in denen die Matratzen liegen, saniert und regulär vermietet werden.
    "Genau. Wenn wir den Bedarf an dieser temporären Lösung gar nicht haben, warum sollten wir sie verlängern?"
    Die Qualität sei schlecht
    Die Berliner LandesAstenKonferenz kritisiert diese Vorgehensweise. Die Nachfrage nach den Notfallschlafplätzen sei deshalb gering, erzählt Luisa Bömer von der AG Wohnen, weil das studierendenWERK nirgendwo öffentlich auf das Angebot aufmerksam mache. Außerdem könnten die Schlafplätze immer nur Wochenweise angemietet werden.
    "Also uns wäre es lieber, wenn man von vornherein sagt - okay ihr habt ein Recht darauf zu wohnen. Und auch wenn die Notschlafplätze von der Qualität her richtig scheiße sind, könnt ihr darauf zugreifen, solange es notwendig ist, damit ihr keine Existenzängste im Alltag weiter haben müsst."
    Vielleicht nicht fünfzig, so Luisa Bömer, aber fünf Schlafplätze sollten es wenigstens sein.

    "Ja, wir brauchen diese Notfallschlafplätze, um akut gegen die Notlage vorzugehen. Aber eigentlich wollen wir, dass der Senat wesentlich mehr dafür tut, dass halt die Studierenden ganz normal wohnen können."
    Hostel als Alternative
    Normal wohnen? Darüber würde sich auch Oliver Dierolf freuen. Zunächst aber muss er kurzfristig wieder etwas finden. Der Vertrag für den Notfallschlafplatz läuft in sieben Tagen aus. Immerhin: Er könnte in ein Hostel umziehen.
    "Die bieten einen Monatsvertrag an für Studenten zum Preis von 329 Euro, exklusive Frühstück und Verpflegung. Das heißt, im Endeffekt kann man dann in einem Hostel in einem Sechsbettraum (lacht) leben und dann halt an die Uni gehen. Ich meine, das ist ein Angebot. Das kann man machen."