Bekenntnis zu Israel im Bundestag

"Eingeübt und leicht automatisiert"

Abgeordnete sitzen mit der jüdischen Kopfbedeckung Kippa im Plenum im Bundestag - anlässlich der Israel-Debatte zum 70. Jahrestag der Staatsgründung
Abgeordnete sitzen mit der jüdischen Kopfbedeckung Kippa im Plenum im Bundestag - anlässlich der Israel-Debatte zum 70. Jahrestag der Staatsgründung. © dpa / picture alliance / Michael Kappeler
Georg Diez im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 26.04.2018
Der Bundestag stellt sich an die Seite Israels. Der Publizist Georg Diez sieht in der Solidarität mit dem jüdischen Staat einen "Sicherheitskokon", der den Deutschen hilft, sich nicht mit sich selbst und ihrem Antisemitismus beschäftigen zu müssen.
Anlässlich des 70-jährigen Bestehens Israels hat sich der Bundestag zum Existenzrecht des jüdischen Staats bekannt. "Israels Existenzrecht und Sicherheit sind für uns nicht verhandelbar" - so steht es in einem Antrag, der mit großer Mehrheit verabschiedet wurde.
Der "Spiegel Online"-Kolumnist und Literaturkritiker Georg Diez sagte dazu im Deutschlandfunk Kultur, am Verhältnis zu Israel werde auch immer die Frage der deutschen Identität verhandelt. Er glaube nicht, dass es in der Bevölkerung Common Sense sei, dass Deutschland unverbrüchlich an der Seite Israels stehe: "Ich glaube nicht, dass das in breiten Teilen der Bevölkerung so gesehen wird."
Georg Diez im Deutschlandfunk Kultur Studio.
Georg Diez im Deutschlandfunk Kultur-Studio.© Deutschlandradio
Jetzt, wo die Erinnerung an den Holocaust schwinde, scheine man die Solidarität geradezu beschwören zu müssen, so der Publizist. Das ganze passiere inzwischen "leicht automatisiert". Es sei "eingeübt" - und der "Sicherheitskokon", in dem sich der Deutsche wohlfühle. "Weil er selbst vor sich - zu Recht, glaube ich - immer noch Angst hat."

Diez sieht "antisemitischen Kern" der Deutschen

Diez sprach in diesem Kontext von einem "antisemitischen Kern" der Deutschen. Es sei nicht plötzlich "alles heil, weil man die Solidarität mit Israel beschwört", aber wenn man die Solidarität beschwöre, "muss man sich nicht ums Dunkle kümmern". "Das ist die Dynamik, die dahinter steckt", erklärt Diez.
Der Publizist plädierte für mehr Empathie gegenüber Israel und kritisierte zugleich fehlendes Wissen über die Situation im Nahen Osten: "Die Leute wissen einfach wahnsinnig wenig über Israel. Das ist das Grundproblem. Die Leute reden über was, sie wissen überhaupt nicht, wie die Machtverhältnisse sind, sie kennen wahnsinnig wenig Israelis, sie wissen wenig über die Sorgen, Nöte, Leidenschaften von linken Israelis, sie kennen nicht die demokratischen Kräfte, aber sie haben eine klare Meinung zu Israel. Speziell zur Siedlungspolitik, was auch ein sehr kompliziertes Thema ist. Und weil sie so wenig wissen und weil sie so viel Angst haben, sind die Meinungen oft schrill. Angst und Überheblichkeit - zwei deutsche Grundtemperamente - kommen da oft auf eine sehr ungute Weise zusammen." (ahe)
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