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Afghanistan
Obama stoppt US-Truppenabzug

Die rund 10.000 US-Soldaten in Afghanistan bleiben länger als geplant. US-Präsident Barack Obama will erst kurz vor dem Ende seiner Amtszeit die Stärke der Truppe maximal halbieren. Damit wird Obama eines seiner zentralen Wahlversprechen nicht einlösen können.

15.10.2015
    US-Truppen in der afghanischen Stadt Nawabad in der Provinz Kundus
    US-Truppen in der afghanischen Stadt Nawabad in der Provinz Kundus (Imago)
    Die Mission der Amerikaner in Afghanistan, die US-Präsident George W. Bush initiiert hatte, wird auch Obamas Nachfolger beschäftigen. Er wollte eigentlich als Präsident in die Geschichte eingehen, der die US-Truppen aus dem Irak und Afghanistan heimgeholt hat. In seiner zweiten Amtszeit hatte er dann versprochen, zumindest fast alle Soldaten vom Hindukusch in die Heimat zurückzubeordern.
    Jetzt erklärt Obama, den radikalen Taliban-Anhängern müsse klar sein, dass die USA ihre Truppen erst abziehen, wenn es eine dauerhafte Vereinbarung mit der Regierung gebe. Die deutliche Replik von Talibansprecher Sabihullah Mudschahid: Der Dschihad werde "so lange weitergehen, bis der letzte Besatzer vertrieben" sei.
    Obamas Kehrtwende
    Angesichts der jüngsten Offensive der radikalislamischen Taliban hatte sich schon der US-Oberkommandeur in Afghanistan, John Campbell, kürzlich für einen langsameren Abzug ausgesprochen. Nach seiner Einschätzung hätte die US-Armee andernfalls für die Zeit nach 2016 nur "sehr begrenzte Fähigkeiten". Obama erklärte nun, "die Sicherheitslage bleibt fragil, und an einigen Orten droht eine Verschlechterung".
    Die Sicherheitslage in Afghanistan verschlechterte sich zuletzt zusehends. Ende September eroberten Taliban-Kämpfer Kundus. Die afghanischen Sicherheitskräfte konnten die Stadt nach mehr als zwei Wochen erst mit internationaler Unterstützung zurückerobern. Doch die Angriffe auf afghanische Frauen gehen offenbar weiter. Sie werden laut einem Bericht der "New York Times" systematisch mit SMS und Anrufen verfolgt und mit dem Tode bedroht. Viele Afghaninnen sehen nur die Flucht als Ausweg.
    Karte von Afghanistan mit deutscher Militärpräsenz und Taliban-Einflussgebiet
    Karte von Afghanistan mit deutscher Militärpräsenz und Taliban-Einflussgebiet (picture-alliance / dpa-Grafik)
    Milliarden Mehrkosten
    Der Fall von Kundus hat die Obama-Administration offenbar erst bekräftigt, die Strategie in Afghanistan zu ändern. Die Regierung überlege seit dem Besuch des afghanischen Präsidenten Aschraf Ghani, wie sie ihren Einsatz dort fortführe, heißt es aus dem Weißen Haus. Demnach sollen jetzt die Stützpunkte in Kandahar und Dschalalabad sowie die Bagram Airbase, das Hauptquartier der US-Streitkräfte, gehalten werden. Von allen drei Standorten können Drohnen starten, die das Militär und die CIA steuern. Vor allem aus dem Auslandsgeheimdienst kam das Argument, die höhere Truppenstärke sei allein nötig, um die eigenen Waffen abzusichern.
    Schon nach dem Besuch von Präsident Ghani hatte Obama seine Strategie modifiziert und eine geplante Verringerung der Truppen ausgesetzt. Es ist auch eine finanzielle Frage: Allein die momentane Truppenstärke beizubehalten, koste die Amerikaner mehrere Milliarden Dollar, heißt es aus dem Weißen Haus. Auch die Bundesregierung erwägt einen längeren Einsatz in Afghanistan. Momentan sind dort bis zu 850 deutsche Soldaten. Im Rahmen der Nato-Mission "Resolute Support" sollen afghanische Soldaten und Polizisten ausgebildet und beraten werden.
    Der Afghanistaneinsatz der USA ist nun im 15. Jahr. "Keineswegs unterstütze ich die Idee eines endlosen Krieges", sagte Obama. "Ich werde nicht erlauben, dass Afghanistan als sicherer Zufluchtsort für Terroristen benutzt wird."
    Von der Leyen begrüßt Abzugsstopp
    Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat die Entscheidung des US-Präsidenten begrüßt. "Wir wollen mit unseren Partnern ein Zeichen setzen, dass wir beharrlich an einer Stabilisierung Afghanistans arbeiten", sagte die Ministerin der "Bild"-Zeitung. "Jetzt können wir mit unseren Partnern der Mission Resolute Support die nächsten Schritte beraten."
    (sdö/ach)