Donnerstag, 25. April 2024

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Afrika-Experte empfiehlt Neuwahl in Kenia

Rolf Hofmeier, ehemaliger Direktor des Instituts für Afrika-Studien, warnt vor den Folgen eines politischen Chaos in Kenia. Das hätte "ganz dramatische Auswirkungen für große andere Teile in Afrika", sagte er. Hofmeier hält nach den offensichtlichen Manipulationen bei der Stimmauszählung eine Neuwahl des Präsidenten für geboten.

Moderation: Gerd Breker | 02.01.2008
    Gerd Breker: Am Telefon begrüße ich nun Rolf Hofmeier, ehemaliger Direktor des Instituts für Afrika-Studien. Guten Tag, Herr Hofmeier!

    Rolf Hofmeier: Ja, schönen guten Tag!

    Breker: War unsere Wahrnehmung von außen, Kenia sei eine Demokratie, war das ein Trugschluss, war das gar keine Demokratie?

    Hofmeier: Na ja, nach den aktuellen Entwicklungen kommt man ja wohl zu dem Schluss. Ich will aber immerhin dagegenhalten, ich war genau vor fünf Jahren bei der letzten Wahl selbst als Wahlbeobachter in Kenia und habe da genau das Gegenteil erlebt, nämlich eine sehr positive Stimmung der Abwahl eines lange an der Macht befindlichen Regimes von Daniel arap Moi damals. Und damals lief alles sehr ordentlich, und die Leute haben sehr diszipliniert gewählt. Und auch dieses Mal war es, muss man ja zunächst mal sagen, dass die Bevölkerung am Wahltag selbst sich sehr aktiv beteiligt hat und dass alles das, was den Wahlablauf selbst betrifft, sehr vernünftig gelaufen ist. Heute geht es ja wirklich darum, dass der Vorwurf da ist, dass bei dem Zusammenzählen der Ergebnisse aus den einzelnen Wahlkreisen, dass da Schindluder getrieben wurde. Und das scheint ja ziemlich offensichtlich zu sein.

    Breker: Schindluder im Interesse der Macht, Herr Hofmeier. Die Kontrahenten in Kenia repräsentieren zugleich auch unterschiedliche Stämme. Kann die Herkunft immer noch bedeutsamer sein als das politische System?

    Hofmeier: Das muss man einfach konstatieren. In Kenia, im Gegensatz zu manchen anderen afrikanischen Ländern, wird ganz offen über eine rivalistische Koalitionen gesprochen, die Zeitungen sind permanent voll und der Wahlkampf lief auch auf dieser Ebene. Im Grunde geht es eigentlich um Koalitionen zwischen den verschiedenen großen Volksgruppen, und eine Sache, die jetzt hier in der Berichterstattung bisher auch zu kurz gekommen ist: Die Ergebnisse für die Wahlkreisabgeordneten, für das Parlament, die liegen ja weitgehend schon vor, und die sind eigentlich auch unbestritten. Und dort sind ganz überwiegend die Anhänger von Herrn Kibaki abgewählt worden. Das gibt umso mehr ja auch Anlass zu der Vermutung, die von der Opposition vorgebracht wird, dass bei dem Ergebnis für die Präsidentschaft mit gezinkten Karten gespielt worden ist. Denn die anderen Ergebnisse für die Wahlkreisabgeordneten dort hat die Partei von Herrn Odinga, ohne dass schon alle Ergebnisse vorliegen, etwa die Hälfte aller Abgeordnetenmandate erhalten. Und umgekehrt haben rund 20 der Minister des alten Kabinetts inklusive dem Vizepräsidenten teilweise mit ganz hohen Zahlen ihre Mandate verloren. All das zeigt eigentlich, wie die Stimmung im Lande, abgesehen von der Zentralprovinz, wo das Volk der Kikuyu lebt, die natürlich überwiegend für Kibaki gewählt haben, im Rest des Landes war die Stimmung eigentlich sehr dagegen.

    Breker: Dass Präsident Kibaki von der Macht nicht lassen kann, hat das damit zu tun, dass politische Ämter in Kenia gleichbedeutend mit Reichtum sind?

    Hofmeier: Das hat natürlich damit zu tun. Ich würde sogar vermuten, dass das Umfeld von Kibaki, und zwar ein sehr breites Umfeld, und alle Netzwerke drum herum, dass die wahrscheinlich mehr dafür verantwortlich sind als möglicherweise Herr Kibaki selbst, der aus meiner Sicht eigentlich über viele Jahre hinweg ein ziemlich honoriger Mensch ist. Der ist auch schon 75 Jahre alt, ist relativ wohlhabend. Ich glaube, er als Person steht wahrscheinlich gar nicht so sehr im Mittelpunkt, sondern dieses gesamte Netzwerk, das Umfeld der Leute, die von der Tatsache, dass er Präsident ist und dass er Pfründe verteilen kann, die davon profitieren. Die sind wahrscheinlich die Drahtzieher im Hintergrund, die soweit manipuliert haben, dass es eben zu dem Zustand gekommen ist, wie wir ihn jetzt sehen.

    Breker: Herr Hofmeier, Druck von außen wird versucht aufzubauen. Kann Druck von außen helfen?

    Hofmeier: Ja, also die Situation ist natürlich so verfahren im Augenblick, dass zum Beispiel die Vereidigung schon stattgefunden hat, dass es wahrscheinlich wahnsinnig schwer ist, jetzt einen Weg aufzuzeigen, wie man da wieder rauskommt. Theoretisch, das klang eben an bei dem Bericht aus London, eine Regierung der nationalen Einheit kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, und eine Neuauszählung der Ergebnisse ist wahrscheinlich auch vernünftigerweise kaum noch durchzuführen, wenn man weiß, was mit den Wahlzetteln und mit den Wahlurnen geschieht, nachdem die am Wahltag ausgezählt worden sind. Das wird sich wahrscheinlich alles in einem derartigen Chaos im Augenblick befinden, dass eine legitime, wirklich korrekte neue Auszählung schlicht aus pragmatischen, praktischen Gründen wahrscheinlich gar nicht möglich ist.

    Breker: So dass nun die Alternative vielleicht neue Präsidentenwahlen, ausschließlich Präsidentenwahlen wären und dass dann unter internationaler Organisation und Aufsicht.

    Hofmeier: Richtig, das wäre eigentlich das Vernünftigste. Das wäre natürlich ziemlich teuer, aber wenn die internationale Gemeinschaft und dann vor allen Dingen eben London und Washington plus EU aus Brüssel, wenn die alle zusammenstehen und wirklich in diesem Sinne ihren Druck durchhalten, dann wäre das wahrscheinlich die vernünftigste Lösung, noch mal einen Wahlgang zu machen mit einem relativ kurzen Wahlkampf. Das müsste dann, zum Teil zumindest, von außen finanziert werden, aber damit käme man aus dem Dilemma vielleicht am ehesten heraus.

    Breker: Geht es, Herr Hofmeier, geht es wirklich nur um Demokratie in Kenia, oder ist das sogenannte Vorbild Kenia wirklich weitreichender? Geht es eigentlich um die Frage, ist Demokratie ein System für Afrika?

    Hofmeier: Schon auch, und in dem Sinne spielt Kenia halt doch eine wichtige Rolle, das kam vorhin in den anderen Beiträgen ja auch an, für die USA und für Großbritannien. Einmal ist Kenia ein wichtiges Land, und man muss natürlich auch dran denken an das Umfeld. Kenia ist nicht weit weg vom Sudan, von den ganzen Ländern, Somalia, Äthiopien, also an dem berühmten Horn von Afrika, ist auch gar nicht mal so weit weg von der Region der großen Seen in Afrika. Und wenn jetzt ein wichtiges Land wie Kenia wirklich im Chaos versinken würde, dann hätte das natürlich ganz dramatische Auswirkungen für große andere Teile in Afrika. Und in Bezug auf Wahlergebnis, vielleicht ist es ja interessant, noch mal drauf hinzuweisen: Vor zwei Jahren hat es ähnlich kontroverse Wahlen in Äthiopien gegeben, wo da die internationale Gemeinschaft, obwohl klar war, dass die Wahlen nicht korrekt waren, letzten Endes doch den Premierminister Meles Zenawi damit haben davonkommen lassen und haben ihn international legitimiert. Und ich glaube inzwischen, dass vielleicht manche Leute in Washington und London eingesehen haben, so ein Desaster in Kenia könnte man sich international nicht noch mal erlauben.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das der ehemalige Direktor des Instituts für Afrika-Studien, Rolf Hofmeier. Herr Hofmeier, danke für dieses Gespräch.

    Hofmeier: Okay, bitteschön