Dienstag, 23. April 2024

Archiv

Afrika-Installation in Berlin
Die Ausstellung als Ausstellung

Wer im "Museum of African Art" bunte Teppiche und wilde Masken erwartet, wird von der Berliner Ausstellung enttäuscht sein. Der Künstler Meschac Gaba will keine ethnografische Sammlung vorstellen, sondern den Besucher mit der kulturellen Grenze zwischen Afrika und der westlichen Welt konfrontieren.

Von Carsten Probst | 23.09.2014
    "Diese Form afrikanischer Kunst weckt leider kein Interesse an mehr", so macht ein offenkundig enttäuschter Besucher seinem Ärger im Gästebuch der Berliner Ausstellung Luft. Vermutlich hat er sich unter dem Titel "Museum of African Art" etwas ganz anderes vorgestellt, vielleicht eine ethnologische Sammlung von Holzidolen, bunten Teppichen, wilden Masken, wie sie im westlichen Kunstbetrieb seit dem 19. Jahrhundert gesammelt und auch als Inspiration für manche modernen Stilrichtungen genutzt wurden und wie sie in wenigen Jahren auch im Berliner Humboldtforum prominent zu sehen sein werden.
    Meschac Gaba, der 1961 im Benin geborene Künstler, der heute in Rotterdam lebt und arbeitet, hat aber mit seiner Arbeit etwas ganz anderes im Sinn. Sein Museum der Afrikanischen Kunst ist keine ethnografische Sammlung, sondern eine Installation, die den Besucher mit der kulturellen Grenze zwischen Afrika und der sogenannten westlichen Welt konfrontiert. Betritt man den ersten Raum, sieht man in Plastiksäcke verpackte Münzen, eine Kühltruhe, die mit Keramikhühnern gefüllt ist, rote Früchte und Gemüse, ebenfalls aus Keramik, liegen in einer Ecke, auf einem Regal vergoldete Keramikbrote. Das ist der Draft Room, der Konzept-Raum.
    Denn dieses Museum existiert eigentlich gar nicht. Und die Frage ist, ob es überhaupt jemals existieren könnte. Der Draft Room gibt einen Einblick in die Bedingungen, und die erscheinen durchaus schwierig. Geldsäcke, tiefgefrorene Hähnchen, vergoldete Brote oder in die Ecke geworfenes Gemüse kennzeichnen eine Welt des Überflusses, die schon alles gesehen hat, alles kennt, in der es zu viel von allem gibt, sodass Lebensmittel am Ende weggeworfen oder tiefgefroren werden. Für das Lebensmittel Kunst sind das eigentlich keine guten Bedingungen, denn Kunst will gelebt und erfahren werden. Wie also soll ein Museum solche gelebte Kunst zeigen, wenn ein Museum selbst doch so etwas ist wie eine Tiefkühltruhe, ein Produkt des Überflusses?
    Im Museumsrestaurant kochen befreundete Künstler
    Geht man weiter hinein, etwa in den anschließenden Architecture Room oder in die Library oder in den Art and Religion Room, dann verdichtet sich der Eindruck, dass alles, was man in diesen Räumen findet, eigentlich metaphorische Umschreibungen sind dafür, wie Kunst im westlichen Kunstbetrieb in einer ganz bestimmten Weise funktionalisiert wird. Und so sehr unterscheiden sich Afrika und Europa möglicherweise gar nicht dabei.
    Im Architecture Room, in dem es vordergründig um die Architektur des Museums gehen soll, steht ein alter kolonialer Schreibtisch, der mit einer Glasplatte abgedeckt ist. Unter der Glasplatte liegen lauter afrikanische Banknoten, auf denen Symbole aus Kunst und Architektur zu sehen sind. Kunst und Geld rücken hier eng zusammen, aber zu den Bedingungen, die der Staat diktiert, die der Staat für sein Image nutzen kann. Nebenan steht ein Geldbaum, wie er oft zu Hochzeiten mit Banknoten geschmückt wird, aber die Banknoten hier sind von Meschac Gaba, selbst entworfen und zeigen statt der Antlitze von Präsidenten und Königen die Gesichter bekannter Künstler wie Picasso oder Constantin Brancusi, die sich zu Lebzeiten von afrikanischer Plastik inspirieren ließen. Afrikanische Kunst, das dokumentiert auch die anschließende, vom Künstler eingerichtete Lesebibliothek, ist in der westlichen Kunst als Einfluss durchaus immer gegenwärtig. Man weiß nur sehr wenig über sie. Meschac Gaba bedient sich zahlreicher partizipativer Mittel, wie sie heute in der westlichen Gegenwartskunst gang und gäbe sind.
    In seinem Museumsrestaurant lässt er befreundete Künstler Kochaktionen abhalten. Mit Fahrrädern können sich Besucher auf geführten Touren durch den Stadtraum bewegen und über öffentliche und private Kunst und die Rolle der Religionen in der Stadt debattieren. Sie können sogar auf einem Teppich mit Bauklötzchen selber eine Museumsarchitektur entwerfen. Diese künstlerischen Strategien, das Publikum mit einzubinden, sind auch in Afrika nicht ungewöhnlich, aber sie entfalten dort eine ganz andere Form der Teilhabe, des Miteinanders. Da wirkt es fast irritierend vielsagend, dass diese Installation Gabas selbst inzwischen zu einer musealen Leihgabe geworden ist, die aus der Londoner Tate Modern nach Berlin transportiert wurde und nun von rustikalen Aufsehern behütet wird, auf dass ja kein Besucher etwas anfasst oder mitgehen lässt. Meschac Gabas Museum stellt die Kunsthalle in ihrer kulturellen Beschränktheit gleich mit aus. Insofern ist die Enttäuschung des anonymen Besuchers fast schon verständlich.